Spricht man nur von Konformeren, wenn der Energiegehalt der Anordnung (unterschiedliche Drehungen) sich unterscheidet?

3 Antworten

Von Experten TomRichter und DieChemikerin bestätigt

Naja, wenn alle Konformationen dieselbe Energie haben (z.B. im Ethan oder im Chlor­ethan oder im Ethanol), dann gibt es natürlich keine verschiedenen Konformere son­dern nur eine mögliche Spezies, und es hat keinen Sinn, diese eine Struktur als „Kon­for­mer“ zu bezeichnen.

(Ähnliches Beispiel: Methanol ist ja auch kein Isomer zu irgendetwas, weil die Sum­men­formel CH₄O nur eine Struktur zuläßt. Ethanol ist aber das Isomer zu Dimethyl­ether, weil es zwei Strukturen zu C₂H₆O gibt)

Allerdings ist Dein Satz trotzdem falsch. Nimm z.B. 1,2-Dichlorethan — das hat eine antiperiplanare und zwei synclinale Konformationen. Die letzteren beiden haben die­selbe Energie, nämlich ca. 9 kJ/mol über der antiperiplanaren. Aber sie sind chiral, also sehr wohl unterscheidbar. Also gibt es von diesem Molekül drei Konformere, von denen zwei energiegleich sind.

Das hat experimentelle Konsequenzen, z.B. in der Entropie — im thermischen Gleich­gewicht liegen ja alle drei Konformere vor, und jedes davon trägt zur Entropie bei. Der Beitrag der synclinalen Konformere ist klein, weil wegen des Energieunterschiedes nur ein kleiner Teil der Moleküle in dieser Form vor­liegt, aber er muß doppelt gezählt werden, wenn man die Entropie ausrechnen will. In Fällen wie Ethan gibt es dagegen wirklich nur eine Struktur, und man darf sie nicht dreimal zählen, weil das Torsions­potential zwar drei Minima hat, aber die Strukturen identisch sind.

Nun sind die Konformere von 1,2-Dichlorethan sehr kurzlebig, aber das muß nicht immer so sein. In einer anderen Antwort habe ich über Biphenyle geschrieben, die haben zwei Konformere gleicher Energie aber unterschiedlicher Chiralität. Diese Kon­formere lassen sich tatsächlich getrennt in Flaschen abfüllen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
Von Experte indiachinacook bestätigt

Hi,

für das Verständnis von Konformeren soll uns folgende Darstellung der Newman-Projektion von Butan dienen:

Bild zum Beitrag

Vielleicht kennst du das Bild der Konformere von Alkanen (hier: Butan) sogar. Wir schauen entlang einer Einfachbindung, um die die Substituenten gedreht werden. Es ergeben sich die auf dem Bild erkennbaren Rotationsisomere = Konformere. Der Energiegehalt der Konformere hängt von der Anordnung der Substituenten ab. Anti ist hier die günstigste Konformere, da die Substituenten sich sterisch nicht im Weg sind. Die Rotation um die Einfachbindung geschieht von selbst, einige Konformere sind jedoch aufgrund sterischer Hinderung sehr ungünstig.

Die Konformere unterscheiden sich bei gleichem Energiegehalt nicht. Aber wie du siehst, gibt es zwei verschiedene gauche-Konformere, die energetisch gleich sind. Wenn du das eine Molekül um 180° in der Blickebene drehst, erhältst du das andere Konformer. Was anderes ist das, wenn du zwei verschiedene Substituenten hast: Da ist dann die Energie der Konformere zwar gleich, aber die Anordnung der Substituenten z. B. zweier gauche-Konformere ist verschieden, da nur das Verhältnis der Substituenten zueinander ausgedrückt wird.

Bei unterschiedlichen Drehungen um eine Einfachbindung, aber gleichem Energiegehalt hat man dann ja keine Konformere, aber dennoch eine unterschiedliche Konformation, oder wie?

Doch, man hat trotzdem Konformere. Die gleichen sich nur in ihrer Energie. Es sind ja trotzdem Rotationsisomere. Allerdings gilt das z. B. für Ethan oder Butan nicht, da die Konformere nicht unterscheidbar sind.

Oder spricht man nicht von unterschiedlicher Konformation, sobald der Energiegehalt der Anordung gleich ist, auch wenn sie um verschiedene Winkel gedreht sind?

Die Konformere sind:

Bild zum Beitrag

Du siehst: Einige Konformere haben denselben Energiegehalt, allerdings unterscheiden sie sich dahingehend, ob sie z. B. bei gauche syn- oder anticlinal sind. Ist wie gesagt aber vor allem bei unterschiedlichen Substituenten relevant.

LG

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterabschluss Chemie + Latein Lehramt
 - (Mathematik, Physik, Studium)  - (Mathematik, Physik, Studium)
twidaldes 
Fragesteller
 06.01.2024, 00:13

Okay, danke, gut zu wissen.

Chemie ist schon ein krasses Fach. Ich lern hier grad Biochemie fürs Medizinstudium. Bin aber am Anfang, wo erstmal "nur" Grundlagen der Allgemeinen Chemie im Buch vermittelt werden. Jedoch ist das in diesem Buch alles undetailliert erklärt. Dann bin ich nie zufrieden und wills genau verstehen und hänge total lang an einem Thema. Da merkt man, dass Chemie sehr detailreich ist und man als jemand der Chemie/Biochemie nur als Nebenfach hat einfach Grenzen setzen muss. Ich kann ja neben der Physiologischen Chemie und Biochemie Prüfung im Medizinstudium nicht noch ein ganzes Chemiestudium draufsetzen. Hab echt das Gefühl, dass man als Medizinstudent einfach vieles in der Chemie nur grob lernen kann, weil's sonst einfach zu viel wird.

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DieChemikerin  06.01.2024, 01:07
@twidaldes

Das Gefühl ist berechtigt. Ihr sollt ja auch nur in die Grundzüge eingeführt werden und nicht ein ganzes Chemiestudium durchziehen. Das ist ziemlich hart 😄 ich finde es sehr cool, dass du so hinterfragst :) mit welchem Buch lernst du Biochemie und was sind die Themen bei euch?

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twidaldes 
Fragesteller
 06.01.2024, 02:02
@DieChemikerin

Biochemie des Menschen: Das Lehrbuch für das Medizinstudium - Horn, Florian - Amazon.de: Bücher

Mit diesem Buch lerne ich grad. Da kommt am Anfang erstmal ein Kapitel "Allgemeine Chemie" wo einfach die Grundkenntnisse der Allgemeinen Chemie vermittelt werde, die man auch in der Biochemie dann braucht. Dann kommt das Kapitel "Kohlenhydrate", dann "Lipide",, dann "Aminosäuren und Proteine", dann "Nukleotide und Nukleinsäuren". Weiter gehts mit den Kapiteln Enzyme, Stoffwechsel der Kohlenhydrate, Stoffwechsel der Lipide, Stoffwechsel der Proteine und Aminosäuren. Das ist so ungefähr der Stoff der bei der Physiologische Chemie und Biochemie Prüfung dran kommt.

Und in anderen Prüfungen, zum Beispiel zum in der Prüfung zum Modul Gastrointestinaltrakt muss ich dann auch die Biochemie zu den entsprechenden Organsystem lernen. Also da kommt dann die Biochemie der Leber vor, Blut, Hormone usw. Das steht auch alles in diesem obigen Buch drin.

Joa, so ist das.

Insgesamt hab ich im Studium 2 Module mit viel Chemie: Also einmal ein Modul wo Allgemeine Chemie zusammen mit Physik geprüft wird und dann ein weiteres Modul was aus einer Teilprüfung Physiologische Chemie und einer Teilprüfung Biochemie besteht.

In einem dritten Modul (Gastrointestinaltrakt (Magen, Darm und so)) kommt soweit ich weiß recht viel Molekularbiologie vor, also da auch wieder Biochemie. Das war's dann eigentlich mit Prüfungen wo Chemie die Hauptrolle spielt soweit ich weiß.

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twidaldes 
Fragesteller
 06.01.2024, 02:08
@twidaldes

Das Buch ist nicht von einem Chemiker geschrieben worden. Der Typ hat Medizin studiert und sich anscheinend gedacht, dass er mal ein Buch für Medizinstudenten schreibt, wo alles nur so detailreich wie nötig beschrieben wird.

Bin oft nicht so zufrieden mit dem Buch weil das irgendwie nur so grob erklärt wird und ich dann oft nicht versteh warum etwas so ist wie es ist. Da steht dann einfach nur "Das ist so" und fertig ohne Erklärung.

Es gibt natürlich auch noch Biochemie Bücher die von Wissenschaftlern geschrieben wurden. Ob die besser sind weiß ich nicht. Weil die sind dann vermutlich nicht sehr studentenfreundlich geschrieben, also mit vielen Details die man für die Chemie-Prüfungen im Medizinstudium nicht braucht vermutlich.

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DieChemikerin  06.01.2024, 11:58
@twidaldes

Danke für die Ausführungen, spannend zu lesen! Das Buch kenne ich nicht und ich hatte selbst ein Biochemie Modul im Studium, das auch den Fokus auf DNA, Proteine, Stoffwechselprozesse legte. Hier empfehle ich den "Lehninger Biochemie" von Nelson und Cox: Tolle Abbildungen, verständliche Erklärungen. Unsere VL war daran orientiert, aber auch so finde ich das Buch super und empfehle es. Es ist natürlich nicht ganz billig, ich hab die 3. Auflage damals für 30 Euro geschossen – bei eBay oder so wird man sicher fündig.

Sicher hat das Buch einen größeren Detailreichtum als dein Buch, das von einem ehemaligen Medizinstudenten verfasst wurde, nun muss man halt abwägen, was man eher möchte: Verständliche Erklärungen, die lieber mehr ins Detail gehen, oder etwas oberflächlichere Erklärungen, denen es an Verständlichkeit mangelt. Auch bei der Arbeit mit Fachbüchern kann man selbst selektieren. Ich habe mir davon ausgehend Lernzettel geschrieben. Ich würde die dir ja sogar zur Verfügung stellen, allerdings sind das auch 150 Seiten und die sind nicht eingescannt ...

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In der organischen Chemie bezieht sich der Begriff "Konformere" auf verschiedene Raumorientierungen eines Moleküls, die durch Rotation um Einfachbindungen miteinander verknüpft sind. Konformere können unterschiedliche energetische Stabilitäten aufweisen, insbesondere aufgrund von sterischen Effekten oder Wechselwirkungen.

Wenn sich der Energiegehalt der Anordnungen unterscheidet, spricht man typischerweise von Konformeren mit unterschiedlichen Energieniveaus. Konformationen mit gleichem Energiegehalt, die durch Drehungen um eine Einfachbindung entstehen, könnten als energetisch äquivalent betrachtet werden.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Begriff "Konformation" allgemein die räumliche Anordnung von Atomen in einem Molekül beschreibt. Selbst wenn verschiedene Konformationen die gleiche Energie haben, kann man von unterschiedlichen Konformationen sprechen, solange sie sich in der räumlichen Anordnung unterscheiden.

In der Regel bezieht sich der Begriff "Konformere" jedoch auf energetisch unterschiedliche Raumorientierungen. Wenn die Energie gleich ist, spricht man oft eher von "Konformationen" oder "Konformationsisomeren".

twidaldes 
Fragesteller
 05.01.2024, 23:09

Okay. Danke dir.

Also kurz gesagt:

  • Man spricht bei unterschiedlichen Konformationen mit unterschiedlichen Energiegehalt von unterschiedlichen Konformationen und von zwei Konformeren.
  • Man spricht bei unterschiedlichen Konformationen mit gleichem Energiegehalt nur von "unterschiedlichen Konformationen" und nicht von Konformeren.
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