Nihilismus?

4 Antworten

Dir ist sicher bekannt, dass der Nihilismus im 20. Jh. zu einem zeitweise vorherrschenden Lebensgefühl wird (Absurdität des Daseins), das sicher durch Nietzsches Diagnose der Entwertung aller Werte durch die wissenschaftlich-technische "Entzauberung der Welt" sowie durch die als sinnvernichtend wahrgenommenen materialistischen und positivistischen Bewegungen des 19. Jh. maßgeblich mitbestimmt wurde. Besonders die entsetzlichen Erfahrungen zweier Weltkriege mit ihrem teilweise völligen Verlust aller humanitären Werte führte zu dem desolaten Lebensgefühl, das sich in der Literatur von Sartre, Camus, Becket, Kafka und Ionesco niederschlug.

Dieser emotional extrem aufgeladene Nihilismus wird sich aber so vermutlich nicht halten. Ich denke, dass wir in der Zukunft weit mehr einen resignativen Nihilismus finden werden, dem das "Kämpferische", das "Empörte", "Protestierende" fehlen wird. Ich sehe um mich herum weit mehr die Gleichgültigkeit und Wurschtigkeit. Alles Extreme, früher noch Erstaunen, Betroffenheit, oder große Emotionen auslösende, weicht mehr einer Haltung des "Na und?!?" Mord auf offener Straße löst nur noch Achselzucken aus. Künstlich hochstilisierte Aufreger gibt es allenfalls bei Busenblitzern von Filmsternchen. Zerbombte Städte sind normale allabendliche Kost, bei der man seine Bratwurst mit Kartoffelsalad kaut und zu Günther Jauch oder Helene Fischer umschaltet.

Bilanz: Der leidenschaftliche Nihilismus mit den großen Kämpfen um die "Möglichkeiten des moralischen Lebens" sind vorbei. Alles versandet im Banalen, in Porno, Drogen oder hochgejazzten Pseudoaufregern wie Masturbationsräumen in Kindergärten. Auch politsch ist es inzwischen egal ob die Kultur einer Nation abgeschafft wird. Irgend etwas anderes wird sicher kommen. Die Menschen werden sich nach wie vor um Nahrung, irgend welche Partner/innen, um Geld und Anerkennung sorgen, jeder wurschtelt vor sich hin und die Diskussion um Werte wird dereinst nur noch Verwunderung auslösen

Der Nihilismus hat sich stets als Reaktion auf gesellschaftspolitische Krisen manifestiert, die sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte ereignet haben. Die Enttraditionalisierung der Lebenswelten und der damit einhergehende beobachtbare Werteverfall in den westlichen Kulturen, der durch die biotechnologische Revolution im digitalen Zeitalter unaufhaltsam voranschreitet, wird dem Nihilismus durch die Optimierung des Menschen im Transhumanismus neuen Auftrieb verleihen. In diesem Szenario könnte der Mensch seine naturgegebene Individualität verlieren und grundsätzlich austauschbar sowie ersetzbar werden.

Ein Nihilist glaubt an gar nichts.

Aber Egoismus klappt trotzdem noch.

Vielleicht hast Du dann eine Vorstellung von einer Zukunft ohne Ethik und Moral.

rolfmengert  18.01.2024, 23:01

Bedenke doch, dass dein erster Satz unmöglich richtig sein kann. Jeder glaubt doch zumindest dass Gesundheit besser ist als Krankheit oder dass Armut, fehlende Anerkennung, körperlich Defekte oder Zurückweisung durch die Mitmenschen eindeutig schlechter ist als das jeweilige Gegenteil.

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vanOoijen  18.01.2024, 23:10
@rolfmengert
  1. philosophische Anschauung von der Nichtigkeit, Sinnlosigkeit alles Bestehenden, des Seienden
  2. weltanschauliche Haltung, die alle positiven Zielsetzungen, Ideale, Werte ablehnt; völlige Verneinung aller Normen und Werte
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vanOoijen  18.01.2024, 23:11
@rolfmengert

letztlich läuft Nihilismus auf totalen Egoismus oder auf Suizid hinaus.

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Merlin128  19.01.2024, 07:51
@rolfmengert

Der konsequente Nihilist leugnet jedoch, dass irgendetwas einen Wert hat. Aus diesem Grund ist es auch gleichgültig, ob Krankheit oder Gesundheit besser ist, weil alles für ihn keinen Wert hat. Natürlich widerspricht ein Nihilist sich selbst, indem er seine nihilistische Weltanschauung als die einzig wahre und richtige proklamiert. Der Nihilist begeht einen performativen Selbstwiderspruch, indem er einen Geltungsanspruch auf Wahrheit erhebt, obwohl er leugnet, dass es keine Werte gibt und alles sinnlos ist. Denn dann wäre auch diese Aussage sinnlos und bedeutungslos. Nihilist zu sein, ist ein Widerspruch in sich selbst.

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Ich bei dem was jetzt noch kommt, wird der Nihilismus seine Blütezeit antreten.