Friedrich Nietzsche?

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Also grundsätzlich finde ich ihn ziemlich spannend. Auch seine Sicht zum Nihilismus teile ich. Jedoch unterstütze ich genauso die Kritik an seinem wahnsinnigen Individualismus und seiner Idee des Übermenschen und der „Ersatzreligionen“.

Ich bin selbst sehr individuell, jedoch kann diese auch zu Einsamkeit führen. Wir Menschen brauchen mehr Zeit um uns selbst zu entfalten und die beste Version von uns zu werden. Jedoch zieht uns das auch ein wenig aus der Gesellschaft heraus. Mindestens 2/3 am Tag für sich zu haben ist förderlich für die Charakterentwicklung, aber schädlich für soziale Beziehungen. Die schwindet durch zu viel Individualität.

Ich weiß außerdem nicht, wie die Idee des Übermenschen überhaupt funktionieren soll. Es wirkt so, als wenn er prinzipiell gegen jede Tradition war. Nur fragt sich wie die Welt aussehen soll, wenn der Mensch jegliche Traditionen und Werte abgeschafft hat. Wie soll die neu geschaffene Welt aussehen und wie soll sie sich von der jetzigen unterscheiden? Und wie soll sich die gesamte Gesellschaft dahin entwickeln?

Ich denke auch nicht, dass der Mensch nach Ende der religiösen „Versklavung“ automatisch nach Ersatzreligionen in politischen Systemen oder der Arbeit gesucht hat. Man kann das durchaus in der Gesellschaft beobachten, jedoch sucht nicht ausschließlich jeder Mensch seinen Sinn in der Ausübung von Arbeit. Für viele Menschen ist es nichts weiter als Beschäftigung. Viele Menschen arbeiten ja auch mehr oder weniger freiwillig und mit Euphorie. Mir ist die Darstellung dieser „Ersatzreligionen“ zu einseitig und zu negativ. Ich sehe definitiv Menschen, die verzweifelt in Arbeit und Ideologien ihre neue Religion suchen, jedoch sehe ich das nicht pauschal.

Nichtsdestotrotz teile ich sehr viele Ansichten von ihm. Ich würde mich ebenfalls als nihilistisch bezeichnen. Ich lege auch großen Wert auf Individualismus. Mit einer objektiven Realität kann ich ebenso nichts anfangen und ein großer Religionsfreund bin ich auch nicht.

Woher ich das weiß:Hobby – Beschäftige mich gern mit philosophischen Themen
Haldor  22.04.2024, 18:03

Berechtigte Kritik an Nietzsches Übermensch-Konzept!

Nietzsche hat unseren Blick auf die Realitäten der Welt gelenkt. "Die Welt ist Wille zur Macht und nichts außerdem, sagte er, und ihr alle seid das auch: Wille zur Macht und nichts außerdem". Im Alltag des Lebens zählen Gottes Gebote nichts; deshalb dekretierte Nietzsche: Gott ist tot, wir alle haben ihn getötet. Was allein zählt, ist die Macht eines jeden Einzelnen. "Macht" ist als Metapher zu verstehen. Alles, was den Einzelnen stark und mächtig macht, z.B. Fähigkeiten. Fertigkeiten, Talente, ist ausschlaggebend; zu diesen Machtpotentialen in sich muss der Mensch sich rückhaltlos bekennen und sie im Leben (im Berufsleben z.B.) ausspielen. Christliche Moral darf er dabei nicht berücksichtigen. M.E. hat Nietzsche mit dieser These die Wirklichkeit der Welt und des menschlichen, gesellschaftlichen Lebens treffend beschrieben. Allerdings, wenn er sagt: es gibt außer der Macht sonst nichts, hat er sich geirrt. Der Mensch hat schließlich eine Seele; die hat Nietzsche bei seiner Weltbetrachtung vergessen. Schopenhauer z.B. hat sie bei seiner Mitleidskonzeption nicht vergessen.

Auch die Konzeption des Übermenschen ist keine Alternative für die Rücksicht auf Moral und Anstand, die den freien Menschen ja, wie Nietzsche im Blick auf die christliche Moral sagte, beeinträchtige. Die Moral ist aus unserem Leben nicht wegzudenken, sie ist die Grundlage unserer Strafgesetze und gilt auch für unser ziviles Leben (s. Bürgerliches Gesetzbuch). Die weitergehende christliche Moral (siehe die Bergpredigt in Matthäus 5) hatte Nietzsche scharf abgelehnt. Sie führe den Menschen zur Schwäche. Aber der Mensch müsse stark sein, um auf der Welt halbwegs glücklich zu werden (glücklich im Sinne von Genugtuung, Stolz, Würde, Ehre, Selbstachtung, Prestige).

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Miniaturwelt  27.04.2024, 02:09
@Haldor

Die Seele wurde nicht vergessen. Sie ist halt ein Ammenmärchen.

Nietzsche teilt die Ansicht, dass es nichts Außerphysisches am Menschen gibt. Und auch damit hat er Recht.

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Haldor  27.04.2024, 11:48
@Miniaturwelt

Wenn der Mensch nur Wille zur Macht ist, dann ist er eine Art Roboter. Eine derartige Auffassung verkennt die Wirklichkeit, verkennt vor allem die Gefühlswelten, das Menschliche, ignoriert die Fähigkeit des Menschen zum Mitleid, zum Altruismus, zur Humanität.

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Miniaturwelt  27.04.2024, 13:05
@Haldor

Überhaupt nicht. Humanität ist genauso Wille zur Macht.

Was du als Altruismus und Humanität idealisierst, ist letztlich alles nur eine Form der Solidarität. Und diese beruht auf Gegenseitigkeit. Und das ist auch der Grund, weshalb Menschen sowas tun. Sie fühlen sich selbst besser und sie rechnen damit, dass sie früher oder später etwas dafür zurückbekommen.

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Haldor  27.04.2024, 17:05
@Miniaturwelt

Das ist alles Behauptung von Nietzsche, der ab 1889 geistesgestört war, was man seiner Schrift "Der Antichrist" deutlich anmerkt. Ein Philosoph, der auf das Christentum einen Fluch ausstößt, hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Und wer behauptet, der Mensch sei Wille zur Macht und nichts außerdem, verkennt die Realitäten. Der Satz mag auf das gesellschaftliche Leben zutreffen, jedoch ist die Verabsolutierung des Satzes nicht richtig. Wer dennoch darauf beharrt, beruft sich auf einen Philosophen, der erwiesenermaßen geistig abgestürzt ist.

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Friedrich Nietzsche hat sich intensiv mit dem Problem des Nihilismus auseinandergesetzt. Er erkannte, dass die traditionellen Werte und Überzeugungen seiner Zeit, insbesondere die religiösen und metaphysischen Grundlagen, an Glaubwürdigkeit verloren hatten. Sein berühmtes Wort vom "Tod Gottes" bezieht sich vor allem auf das Ende der christlich dominierten Metaphysik im Denken des Abendlandes. Dies führte zu einem Zustand des Nihilismus, in dem die Menschen keinen Sinn oder Wert mehr in ihrem Leben sahen. In "Also sprach Zarathustra" präsentiert Nietzsche den Begriff des "Übermenschen" als eine wagemutige Antwort auf den Nihilismus. Der Übermensch ist eine Figur, die sich über religiöse und moralisch konventionelle Vorstellungen erhebt und seine eigenen Werte und Ziele schafft. Er strebt danach, sein volles Potenzial zu entfalten und sein Leben nach seinen eigenen Maßstäben zu gestalten, ohne sich von äußeren Autoritäten oder Konventionen beeinflussen zu lassen. In "Jenseits von Gut und Böse" kritisiert Nietzsche die herkömmliche moralische Dichotomie von Gut und Böse. Er argumentiert, dass Moralvorstellungen relativ sind und von den individuellen Perspektiven und Bedürfnissen abhängen. Nietzsche fordert eine radikale Neubewertung der moralischen Werte und schlägt vor, dass der "freie Geist" sich über traditionelle moralische Normen erheben und seine eigenen Werte definieren sollte. Insgesamt betrachtete Nietzsche den Nihilismus nicht als eine bloße Krise, sondern als eine Chance zur Neubewertung und Neuschöpfung. Er ermutigt uns, den Mut zu haben, unsere eigenen Überzeugungen immer wieder neu zu hinterfragen und uns aktiv daran zu beteiligen, unsere eigene Existenz zu gestalten und neuen Sinn zu finden, auch wenn dies bedeutet, traditionelle Konventionen von Religion und Moral zu verabschieden.

tensoriamu  21.04.2024, 18:00

du hättest chatgpt noch sagen sollen, dass der fs eine meinung und keinen überblick möchte ;)

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interessant, kritisierbar und je nach dem, wie wohlwollend man ihn interpretiert, auch ganz nützlich

Woher ich das weiß:Hobby – lese darüber lol
Wer ein Warum hat zum Leben, erträgt fast jedes Wie.

Das ist die gekürzte Version eines Nietzsche-Aphorismus und für mich einer der Gründe, warum ich am christlichen Glauben festhalte.

Nietzsche ist ein Klassiker der Religionskritik und gilt als Vertreter eines nihilistischen Atheismus, aber auch sein Ansatz kann theologisch gewürdigt werden.