Darf man jemanden, der vor der Polizei flüchtet, vom Fahrrad stoßen?

6 Antworten

Ich bin kein Jurist aber ich würde diese Frage mit einem "Nein" beantworten, da die alleinige Flucht vor der Polizei in Deutschland ausdrücklich keine Straftat, ja noch nichteinmal eine Ordnungswidrigkeit darstellt und somit greift das sogenannte "Jedermann- Festnahmerecht" nach §127 der Strafprozessordnung (StPO) hier nicht wegen der alleinigen Flucht. Man müsste also um rechtssicher eingreifen zu dürfen schon die Vorgeschichte bzw. den Grund, warum derjenige von der Polizei verfolgt wird, genau wissen. Verfolgt die Polizei ihn wegen einer sicher begangenen (schweren) Straftat, so wäre es rechtmäßig, versucht die Person hingegen lediglich sich durch die Flucht einer allgemeinen Personenkontrolle durch die Polizei zu entziehen, dann nicht. Auch dann wenn die Polizei einem darum bittet, ist es im Regelfall nicht rechtens, da hoheitliches, d.h. staatliches Handeln nicht per Delegation an Dritte übertragbar ist sondern nur von den staatlichen Stellen selber ausgeübt werden darf, wie unter anderem das sogenannte "Knölchen- Urteil" des Oberlandesgerichtes Kölln zeigt.

Mfg

Eine Flucht vor der Polizei ist erst einmal nicht strafbar. Bestenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Da Du nicht weißt warum der Radfahrer flüchtet, (keine Lust auf eine Kontrolle, Vermeidung des Bußgeldes wegen fehlender Beleuchtung etc.) wäre eine gef. Körperverletzung vollkommen unangemessen und würde ggf. erhebliche zivil- und strafrechtliche Folgen haben.

§ 80 StPO

(2) Wer auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe, unmittelbar zuvor ausgeführt habe oder dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr gefahndet werde, ist berechtigt, diese Person auf verhältnismäßige Weise anzuhalten, jedoch zur unverzüglichen Anzeige an das nächst erreichbare Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet.

Besser bekannt als das allgemeine Anhalterecht. Wenn du mitbekommst das jemand eine Straftat begangen hat, so hast du das Recht dazu ihn in verhältnismäßiger Weise anzuhalten.

Vom Rad stoßen oder ein Bein stellen wäre da noch im Rahmen des angemessenen Mittels.. - dem flüchtenden ins Bein zu schießen wäre in dem Fall etwa definitiv ein Exzess und nicht verhältnismäßig.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Student der Rechtswissenschaften
Still  04.08.2021, 06:17

Das gibt es so in Deutschland nicht.....

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Coffeman444  04.08.2021, 10:12
@Still

Doch das gibt es auch bei euch:

§ 127 StPO (DEUTSCHLAND)

Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.

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Still  04.08.2021, 11:38
@Coffeman444

Du weißt aber nichts von einer Straftat, sondern nur, dass der Mensch vor der Polizei flieht. das kann auch wegen eines Haftbefehles sein und damit fehlt die Voraussetzung für Festnahme durch jedermann.

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wiki01  04.08.2021, 08:17

Abgesehen davon, dass einen Fahrradfahrer zum Sturz zu bringen, sicher nicht verhältnismäßig* ist, ist beim FS sicher die deutsche StPO maßgeblich.

*) bei einem Sturz eines Fahrradfahrers bist du weder Herr der Situation, noch kannst du die Folgen einschätzen. Dabei können sogar tödliche Verletzungen resultieren.

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Coffeman444  04.08.2021, 10:11
@wiki01

Verhältnismäßigkeit kommt immer auf die Ausganssituation drauf an. Theoretisch ist es sogar möglich jemandem ins Bein zu schießen und der Rechtfertigung wird stattgegeben.

(Beispiel ein Spanner Tyrannisiert seit Monaten ein Ehepaar und beobachtet es durchs Schlafzimmerfenster. Eines Nachts geschieht es wieder - dem Ehemann reicht es und als er hinaus läuft, rennt der Spanner wie immer davon. Der Ehemann schießt ihm gezielt ins Bein um ihn zu stoppen und ihn zu enttarnen. -> Gerechtfertigter Eingriff in das Rechtsgut 'Körperliche Unversehrtheit' um den Spanner anzuhalten. Das Rechtsgut des Ehepaares wiegt mehr

Und bevor du mir jetzt vorwirfst das würde nicht stimmen: Das ist das 0815 Standard Beispiel im Jus-Studium beim Thema Verhältnismäßigkeit)

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wiki01  04.08.2021, 10:48
@Coffeman444
 Der Ehemann schießt ihm gezielt ins Bein um ihn zu stoppen und ihn zu enttarnen. -> Gerechtfertigter Eingriff in das Rechtsgut 'Körperliche Unversehrtheit' 

Sicher nicht in Deutschland. Jura, 1. Semester: Du darfst nicht jemandem hinterher schießen. Bei Flucht ist die Rechtswidrigkeit nicht mehr gegenwärtig. Auch da hast du die Folgen nicht im Griff. 99% der Pistolenbesitzer treffen nicht einmal am Tage ein sich entfernendes, sich in Bewegung befindliches Ziel. Selbst meine Jungs einer österreichischen Spezialeinheit werden danach ausgebildet, dort hin zu schießen, wo das Ziel am breitesten ist.

Willst du tatsächlich rechtfertigend den Tod des Spanners in Kauf nehmen?

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Coffeman444  04.08.2021, 17:35
@wiki01

.. doch sogar ganz sicher in Deutschland: BGH Urteil 15. Mai 1979, eben jener Fall - ich wünsche viel Vergnügen beim lesen

https://www.yumpu.com/de/document/read/19367604/bgh-urteil-vom-15-mai-1979-njw-1979-2053-spanner-

... Diese Handlung ist jedenfalls gerechtfertigt.. der Schütze hat keine Folgen zu befürchten, denn der Schutz des Rechtsguts der Eheleute steht hier im Vordergrund..

Bist du eigentlich immer so dass du erst einmal gegen alles bist bis dich Leute drauf hinweisen dass du dich in der Sache doch geirrt hast?.. irgendwie ein bisserl lästig, nichts für ungut..

Im übrigen wäre man, sollte der Spanner dann sterben, wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen - wobei die Bestrafung in dem Fall unter Umständen nicht wirklich schwer ausfallen dürfte, angesichts der Umstände die zu dem Ereignis geführt hätten.. Eine Übertretung der Notstandshandlung..

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Wenn der Polizist dir zuruft: "Halten Sie den Radfahrer auf!", dann ist es rechtens, da er dich damit beauftragt hat. Wenn du dich ohne Auftrag dazu berufen fühlst, ist es nicht rechtens.

Ich würde den Radfahrer nicht umstossen und so schwere Verletzungen der Person billigend in Kauf nehmen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit über 20 Jahren Leiter einer Rechtsanwaltskanzlei.