Zuerst einmal Kompliment für die guten und kritischen Fragen. Du machst dir offenbar wirklich Gedanken, und das ist immer gut und wichtig.
Das Problem an deinen Fragen ist, dass sie komplett aus der Systemperspektive gestellt werden. Das heißt, dass du gewisse Grundlagen unserer Gesellschaft praktisch als gottgegeben hinnimmst, ohne sie zu hinterfragen, und auf dieser Basis das weiterdenkst, was du über den Sozialismus weißt.
Der Sozialismus stellt aber unsere Gesellschaft mitsamt all ihren Wurzeln und Grundlagen fundamental in Frage.
Der Versuch einer Antwort:
1. Es gibt einen Staat, die sogenannte Diktatur des Proletariats. Damit ist keine Diktatur gemeint, wie wir diesen Begriff heute verstehen, sondern es bedeutet im Wortsinn: Die Arbeiterklasse diktiert, verwaltet also das Wirtschaftsleben. Im Kapitalismus gehören die Produktionsmittel, also die Kapitale, Fabriken, Maschinen, usw., privaten Unternehmern. Die Diktatur des Proletariats enteignet diese Produktionsmittel und verwaltet deren Einsatz im Sinne des Allgemeinwohls. Produziert wird nicht mehr für den privaten Profit des Eigentümers, sondern zur Bedarfsdeckung der Bevölkerung.
2. Das kann man so pauschal nicht beantworten. Auch im Sozialismus muss es leitende Funktionen geben, Personen oder Gremien, die den gesamten Produktionsprozess im Auge behalten und koordinieren. Die Funktion wird allerdings auf ihren praktischen Nutzen reduziert, materielle Privilegien entstehen dadurch nicht.
3. Du hast eine falsche Vorstellung von Klassen. Damit ist nicht gemeint, dass es unterschiedliche Berufe gibt, die unterschiedlich "produktiv" oder "unproduktiv" sind. Diese Unterscheidung macht ja gerade den Kapitalismus aus, weil der Hauptzweck des Wirtschaftens der Profit ist. Im Sozialismus ist das nicht der Fall. Klassen bedeutet: Es gibt private Eigentümer von Produktionsmitteln auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Menschen, die gezwungen sind, ersteren ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Diese Trennung soll im Sozialismus aufgehoben werden, in dem die Produktionsmittel der Gesellschaft als Ganzes übereignet werden. Mehr nicht.
4. Nein, siehe Punkt 1. Die Diktatur des Proletariats sorgt für die Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Sind alle Produktionsmittel im "Besitz" der gesamten Gesellschaft und funktionieren alle Abläufe reibungslos, gibt es keine Notwendigkeit für einen Staat im Sinne einer Herrschaft mehr. Er wird nicht abgeschafft, er stirbt von selbst ab.
5. Der Staat, der sich selbst auflöst, ist zu verstehen als Herrschaftsinstrument. Eine Verwaltung, ein Rechtssystem, all das muss es natürlich weiter geben. Es sind dann allerdings basisdemokratische Gremien, die von unten nach oben organisiert sind, das ist der Unterschied. Wer zwischen Gut und Böse entscheidet? Es ist die Gesellschaft selbst. Man kann den Kommunismus deshalb auch nicht "beschreiben" - es ist ja in einer kommunistischen Gesellschaft gerade die Aufgabe der Gesellschaft selbst, basisdemokratisch zu entscheiden, wie die Ausgestaltung konkret aussieht.
6. Eigeninitiative. Die Gesellschaft produziert für die eigene Versorgung. Das setzt ein hohes Maß an Verantwortung voraus. Auch das soll im Sozialismus gelernt werden.