Wenn in dieser Gesellschaft einer gern und viel trinkt, gilt er schnell als Alkoholiker. Wer über eine gesunde Libido verfügt, schnell als sexsüchtig. Und wer viel einkauft als kaufzwängig ...
Keiner wird je einem "normalen" Familienvater, der nix weiter kennt als seinen Bürostuhl, seine Frau, seine Kinder und sein hässliches Klinkerhäuschen, vorwerfen, er sei süchtig nach Bürgerlichkeit!
Auf dem Gebiet der Triebe und "Süchte" befindet sich die Wissenschaft noch auf dem Stand der Medizin, als deren Repräsentanten noch ans Miasma glaubten und ihre "Kundschaft" mit Quecksilber und Aderlass "behandelten".
Allerdings nicht alle! Also nicht alle Forscher auf diesem Gebiet stecken mental noch im Mittelalter. Es gibt durchaus Ausnahmen ... Jedoch kann man die wirklich wissenschaftlichen Ergebnisse leider noch nicht in aller Öffentlichkeit aufzeigen, ohne verlacht oder gar angefeindet zu werden - das ist wie zu den Zeiten Freuds ... was wir heute (zumindest in aufgeschlossenen Kreisen) als selbstverständliche Wahrheiten begreifen, wurde damals von vielen Zeitgenossen als reine Gotteslästerung betrachtet ...
Wichtig - aber leider auch kompliziert - sind folgende Punkte: Es gibt eigentlich keine "Sucht". Das ist das deutsche Wort für "Krankheit" ("Krankheit" ist in diesem Sinn kein Wort, sondern ein Wortgefüge, so wie "Gebäude" statt "Haus"). Diejenigen, deren Bildung nicht reichte, um zu wissen, dass "Sucht" nicht von "suchen", sondern von "siechen" kommt, benutzten das Wort im späteren Verlauf des zwanzigsten Jahrhundert, um ein von ihnen beobachtetes Phänomen zu bezeichnen, das sie jedoch absolut nicht begriffen hatten!
Einzig und allein entscheidend ist, wie ein "Betroffener" mit seinen Trieben - nennen wir es mal so - klarkommt. Gibt es einen Leidensdruck, macht das soziale Umfeld Zoff, kann man das irgendwie ändern?
Mich persönlich kotzt übrigens an, dass andere - nur weil sie sich nicht "normgerecht" verhalten - abgestempelt werden! Wintersportler beispielsweise zerstören wertvolle Reste der Natur in den Hochalpen und verursachen Milliardenkosten, die u. a. Unbeteiligte durch ihre Krankenkassenkosten finanzieren - aber sind die sozial geächtet ... wie ein Alkoholiker? Nein, Wintersport treiben ist nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern sogar hoch angesehen. Und nicht, dass ich jetzt gänzlich missverstanden werde: ich will keinem den Sport verbieten (auch wenn ich aus dem Kopfschütteln nicht herauskomme ...).