Ich brauche Feminismus, weil Gleichberechtigung weder in meinem Alltag noch weltweit selbstverständlich ist – auch wenn viele so tun, als hätten wir dieses Thema längst abgehakt. In meinem eigenen Leben merke ich, wie viel Ungleichgewicht immer noch herrscht: Frauen verdienen in Österreich im Schnitt rund 18,8 % weniger als Männer (Gender Pay Gap, 2023). In Führungspositionen sind wir völlig unterrepräsentiert – nicht weil wir nicht fähig wären, sondern weil Strukturen, Netzwerke und Erwartungshaltungen dagegen arbeiten.
Ich brauche Feminismus, weil ich es nicht normal finde, dass ich mir überlegen muss, was ich anziehe, bevor ich abends allein das Haus verlasse. Weil ich schon als junges Mädchen gelernt habe, aufzupassen, wo ich hingehe, wie ich rede, wie ich aussehe – während viele Männer nicht mal wissen, wie sich diese dauerhafte Vorsicht überhaupt anfühlt. Weil sexuelle Belästigung, Übergriffe, Victim Blaming und slut-shaming immer noch Realität sind – und zwar in Schulen, Unis, auf der Straße und am Arbeitsplatz.
Und das ist nur die westliche Komfortzone.
Weltweit ist die Lage für Frauen noch viel dramatischer.
Laut UNICEF dürfen 129 Millionen Mädchen weltweit nicht zur Schule gehen. In Ländern wie Afghanistan wurden Frauenrechte systematisch abgeschafft – Mädchen über 12 dürfen keine Schulen mehr besuchen. In Teilen Afrikas und Asiens ist weibliche Genitalverstümmelung immer noch weit verbreitet – trotz massiver Gesundheitsrisiken und Traumata. Jedes Jahr werden weltweit rund 12 Millionen Mädchen unter 18 Jahren verheiratet, viele davon gegen ihren Willen.
Und während wir hier diskutieren, ob Feminismus „übertrieben“ ist, kämpfen Frauen im Iran, in Saudi-Arabien oder im Kongo um ihr bloßes Überleben, weil sie sich gegen Unterdrückung stellen. Weil sie laut sind. Weil sie frei sein wollen.
Feminismus heißt nicht, Männer zu hassen. Es heißt, für alle Geschlechter ein System zu schaffen, das gerecht, sicher und frei ist. Auch für Männer, die unter Druck leiden, immer stark sein zu müssen. Auch für Kinder, die in Rollenbilder gepresst werden, bevor sie wissen, wer sie selbst sind.
Ich brauche Feminismus, weil ich nicht akzeptiere, dass Gerechtigkeit optional ist. Weil ich nicht warten will, bis sich „irgendwann mal“ was ändert. Und weil ich mir eine Welt wünsche, in der das Geschlecht endlich keine Rolle mehr spielt – weder als Limit noch als Vorteil.