Wirklich "sehen" eigentlich nicht, da die klassischen psychologischen Erkrankungen auf neuronaler Ebene stattfinden (im Gegensatz z.B. zu einer geistigen Behinderung in Zusammenhang mit den Genen oder der embryonalen Entwicklung). Bei Depressionen hat man dazu noch herausgefunden, dass bei den betroffenen Personen das Serotonin zwischen dem Nervengewebe verringert ist, wobei meines Wissens nicht bekannt ist, ob die Depression die Ursache für den Serotoninmangel ist oder eine Folge der Depressione. Hier versuchen die entsprechenden Medikamente ("Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer") anzusetzen, diese greifen damit jedoch in den Stoffwechsel und die natürliche Funktionsweise des Gehirns ein.
Aus meiner Sicht sind psychische Erkrankungen Reaktionen auf bestimmte "Umweltbedingungen" bzw. Erfahrugnen/Erlebnisse, mit denen der Geist nicht umgehen konnte. Eine Depression kann auch einen Verarbeitungsprozess des Gehirns darstellen, während dem es sich weiter entwickelt und Gedanken/Überzeugungen und Erkenntnisse, die zuvor nicht zusammengepasst haben, in ein Verhältnis bringt, in dem die scheinbaren Widersprüche aufgelöst werden. Zum Beispiel indem man sich innerlich von einem unerfüllbaren Wunsch oder einer unerfüllbaren Hoffnung löst. Gleichzeitig aber auch Zeit zur Trauer und Distanzierung findet. Am Ende der Depression steht dann im Idealfall ein stärkerer Charakter.
Leider leben wir in einer Gesellschaft, in der die natürlichen (Überlebens-) Instinkte der Menschen immer weiter unterdrückt werden, was die Menschen krank macht. Psychotherapien haben auch nur eine begrenzte Wirksamkeit, neben einem kompetenten Therapeuten kommt es vor allem auf den starken Wunsch des "Patienten" an, an seinen wahren Problemen zu arbeiten. Jedoch ist gerade dieses Ziel in unserer Gesellschaft sehr unpopulär geworden: Überall wird einem suggeriert, dass man sich "wohlfühlen" muss und wenn nicht, irgendetwas im Äußeren dagegen tun soll (woran dann oft ander direkt oder indirekt etwas verdienen), aber auf keinen Fall die eigenen Gefühle und Wünsche in Frage stellen. Was hier auf den ersten Moment respektvoll erscheint, ist in Wirklichkeit die Zementierung gesellschaftlicher/medialer Einflüsse, die die Gedanken und Sehnsüchte der Menschen auf unterbewusster Ebene manipuliert, und somit ein weiteres Instrument der Manipulation.
Das Gehirn selbst verändert sich ständig, indem sich Neuronenverbindungen neu bilden und neu gewichten, die unserer täglichen (und längerfristigen) Erfahrungen wiederspiegeln. Psychische Erkrankungen können zum Beispiel dann entstehen, wenn man längere Zeit suggeriert bekommen hat - oft auch unbewusst - dass man ein bestimmtes Aussehen haben müsse um von anderen "geliebt" zu werden. Aber dieses Aussehen selbst nicht hat, aber dennoch von anderen angenommen und geliebt werden möchte. In so einer Situation wird man leicht blind für die Liebe und Anerkennung, die andere einem zuteil werden lassen, da sie nicht zu den verinnerlichten Glaubenssätzen passen und daher "nicht sein können" (bzw. "nicht sein dürfen"). Ein konstruktiver Ansatzpunkt hier wäre, an den verinnerlichten Glaubenssätzen zu arbeiten und sich von ihnen zu lösen. Ein destruktiver Ansatzpunkt wäre, sich z.B. einer Schönheitsoperation zu unterziehen und dann einfach die zuvor respektvollen Menschen als respektlos abzustempeln, die die OP nicht nachvollziehen können oder aufgrund anderer Überzeugungen ihr kritisch gegenüberstehen. Im ersten Fall hat man die Widersprüche in seinem Gehirn weiterentwickelt und sich von belastenden Einflüssen befreit, im zweiten Fall hat man den "Filter" der äußeren Wahrnehmungen nur noch verstärkt und blendet alles aus, was nicht zu den destruktiven Glaubenssätzen, an denen man sein Leben ausrichtet, passt.
Ein anderes Beispiel wäre z.B. wenn man einen geliebten Menschen verliert, den man nicht retten kann. Hier wäre der konstruktive Verarbeitungsprozess, dass man Frieden mit dem Tod schließt oder - wenn man evtl. selbst einen Anteil an dem Tod hatte - aus der Vergangenheit lernt und sich weiterentwickelt, anstatt sich kontinuierlich selbst zu verurteilen. Die Tatsache, dass der Tod in unserer Gesellschaft weitgehend ausgeblendet wird (und auch wie richtiges "Leben" aussieht), ist für viele psychische Erkrankungen verantwortlich.
Die Medikamente gegen Depressionen können niemals einen entsprechenden Verarbeitungsprozess auf neuronaler Ebene, wo verschiedene Aspekte in Einklang gebracht werden, ersetzen. Im Gegenteil: Sie dämpfen eher die Gefühle, so dass man im Alltag besser "funktionieren" kann. Und dadurch verringern sie meiner Meinung auch die Möglichkeit auf wirklich tiefgehende (und mit dem Durchleben belastender Gefühle/Emotionen verbundene) Aufarbeitungsprozesse. Zudem habe ich einmal von einer Metastudie gelesen, deren Ergebnis war, dass diese Medikamente eher einen minimalen Effekt (im Vergleich zu einem Placebo) haben und aufgrund ihrer Nebenwirkugnen auch schädlich sein können. Aber in einer Gesellschaft, in der vorrangig Leistung zählt und wenig Raum für eine tiefere Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche ist, scheinen die Medikamente für viele die "einfache Lösung" zu sein. Oft leider auch für Eltern, die damit ihre Kinder "ruhigstellen" können und dadurch nicht mehr (oder weniger) mit ihren eigenen Grenzen konfrontiert werden...