Wenn man von Ockhams Rasiermesser ausgeht, wonach von mehreren hinreichenden möglichen Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen ist, dann kann man sich der Sache ganz gut nähern.
Mehr als nähern ist momentan auch nicht möglich, weil einfach nichts bekannt ist. Weder die Ärzte in Russland noch die in der Charité haben Gift gefunden. Nur ein Bundeswehrlabor, das alles andere als unabhängig ist und als Teil der Bundeswehr eng in die Konfrontation mit Russland eingebunden ist, behauptet, dieses Gift nachgewiesen zu haben. Das kann man glauben, muss man aber nicht.
Aber bleiben wir bei Ockhams Rasiermeser und denken mal einfach.
Es gibt seit Jahren eine zunehmende Konfrontation des politischen Westens mit Russland und daraus ist ein neuer Kalter Krieg geworden, in dem der Westen Russland nicht nur mit Anschuldigungen, sondern auch mit sehr schmerzhaften Wirtschaftssanktionen überzieht.
In dieser Situation soll Russland, die Regierung, allen voran Putin etwas getan haben, was ihnen nicht nützt, sondern nur schadet.
Und diejenigen, die in dieser Konfrontationssituation den größten Nutzen aus diesem vermutlichen Anschlag ziehen, schreien am lautesten "Haltet den Dieb!"
Der Nutzen besteht darin, einen weiteren Vorwand zu haben, ihre Sanktionen zu verschärfen, ein ungeliebtes Wirtschaftsprojekt (North Stream II) zu beerdigen, Fracking Gas an Europa zu verkaufen, dadurch Russland weiter zu schwächen und die eigene Bevölkerung weiter gegen Russland aufzubringen, damit sie reif und bereit ist, auch die nächsten Eskalationsstufen dieses neuen Kalten Krieges mitzumachen.
Das ist die einfachste, die naheliegendste Überlegung.
Weit aus komplizierter ist die Gedankenverrenkung, mit der den Russen (ausgerechnet!) jede Ratio abgesprochen wird, mit der sie genau das vorausgesehen haben müssten. Es wird unterstellt, dass ihnen das egal wäre und sie für eine Warnung à la Mafia einen wirtschaftlichen, politischen und Reputationsschaden hinnehmen, der bedeutend größer ist als nur die Milliarden an Dollar, die das Kosten wird. Und das dann auch noch, nachdem genau die gleiche Chose schon bei Skripal abgelaufen ist.
Die Argumantation des Westens beruht also darauf, den Russen Dummheit, mangelnde Lernfähigkeit, barbarische Brutalität und das Fehlen jedweder zivilisatorischer Eigenschaften zu unterstellen, die es angeblich rechtfertigen würden ohne jeden gerichtsfesten Beweis eine solche Anschuldigung zu erheben.
Von einer solchen Argumentation ist es nur noch ein kleiner Schritt, die Russen zu Untermenschen zu erklären, die mit dem Messer zwischen den Zähnen nur darauf lauern, den Westen zu überfallen, um ihn in ihr dunkles "Reich des Bösen" zu zwingen.
Das mag zwar dem propagandistische Narrativ des Westens entsprechen, aber es ändert nichts daran, dass das eine einzige Beleidigung für die Intelligenz denkender und halbwegs gebildeter Menschen ist.
Bereits vor zwei Jahren war mir z. B. schon klar:
Nawalny ist so abgehalftert als Politiker in Russland, dass er für den Westen nur noch im russischen Knast oder tot, auf jeden Fall nur noch als Opfer einen Wert hat.
https://www.gutefrage.net/frage/wird-alexey-nawalny-irgendwann-der-praesident-von-russland#answer-318437617