Die Frage lässt sich nicht mit "Ja" oder "Nein" beantworten, denn sie ist im Kern philosophisch.
Wenn wir annehmen, dass der Tod aller Arten gleich viel wiegt, sind wir eigentlich alle schuldig.
Für einen Tod verantwortlich ist nicht nur, wer tötet, sondern auch, wer den Tod verhindern könnte, es aber nicht tut. Egal, ob du einen Tod durch aktives Handeln oder durch Unterlassen herbeiführst, es ist deine Entscheidung, und damit deine Schuld.
Das bekannteste Beispiel ist das Trolley-Gedankenexperiment. Außerdem: Im deutschen Gesetz ist unterlassene Hilfeleistung eine Straftat. Das Gesetz sagt also: Wenn du einen Tod verhindern kannst, musst du es tun.
Aber wie sieht das bei Tieren aus? Wir können den Tod von Rehen verhindern, wenn wir alle Wölfe einfangen, einsperren und fortan mit Tofu füttern. Das wäre aber Tierquälerei. Genauso ist es mit allen anderen Tieren, die sich nicht vegetarisch ernähren, von Spinnen bis hin zu Haien.
Viele Leute meinen, dass es einen Unterschied macht, ob ich selbst töte oder nur dabei zuschaue, ohne einzugreifen. Und ja, das eine ist grausamer als das andere. Das Endergebnis ist aber in beiden Fällen das selbe, und in beiden Fällen haben wir uns bewusst dafür entschieden. Daher lasse ich das nicht zählen, auch wenn das viele Leute anders sehen.
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Ich finde deine Auflistung an Argumenten sehr interessant, die du als Fehlschlüsse bezeichnest. Insbesondere
- Naturalistischer Fehlschluss
- Falsche Abgrenzung zwischen Mensch und Tier
Du sagst hier einerseits, dass Antilopen tötende Löwen es nicht rechtfertigen, dass wir ebenfalls Tiere töten. Andererseits sagst du aber auch, dass es falsch ist, zwischen Mensch und Tier einen Unterschied zu machen. Aber wenn Menschen und Tiere die gleichen Rechte und Pflichten hätten, dann müssten sich Tiere auch an die Gesetze halten, und der Löwe müsste für das Töten der Antilope eine Strafanzeige bekommen.
Wir können natürlich sagen, dass Menschen und Tiere die gleichen Rechte, aber nicht die gleichen Pflichten haben. Dann haben wir aber eine Abgrenzung, wie du sie eigentlich ablehnst.
- Gradualismus-Fehlschluss
Mir ist nicht klar, warum du das als Fehlschluss bezeichnest – selbstverständlich gibt es einen fließenden Übergang zwischen intelligenten Tieren und gerade noch lebendigen Organismen. Niemand würde behaupten, dass ein Bakterium die gleichen Rechte genießen sollte wie ein Mensch. Aber dadurch stellt sich unweigerlich die Frage: Wo ziehen wir die Grenze? Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht einmal wissen, ab wann ein Mensch lebendig ist. Per Gesetz ist man erst ab der Geburt ein vollwertiger Mensch, dennoch ist es illegal, eine Schwangerschaft zu beenden. Wann genau das menschliche Leben beginnt, ist umstritten.
- Appell an Emotion
Das finde ich besonders interessant. Wenn nicht auf emotionaler Basis, wie begründest du sonst, dass Tiere ein Recht auf Leben haben sollen?
Wir alle sind überzeugt, dass Menschen ein Recht auf Leben brauchen. Das zu begründen, ist aber gar nicht so leicht, ohne einen der von dir aufgezählten Trugschlüsse zu nutzen.
Hier ist eine mögliche Begründung: Ein Recht auf Leben für Menschen ist notwendig für eine funktionierende Gesellschaft. Ohne einem Recht auf Leben könnte es keine Zivilisation geben.
Diese Begründung lässt sich aber nicht auf ein Recht auf Leben für Tiere ausdehnen, denn ein solches ist nicht notwendig.
Die meisten Menschen haben Mitgefühl mit Tieren und wollen sie nicht leiden sehen. Deshalb sind wir für Tierrechte. Aber Mitgefühl ist ja deiner Ansicht nach kein valides Argument. Also: Wie begründest du, dass Tiere ein Recht auf Leben haben sollten?
- Fehlschluss aus Folgenbewertung
Das ist kein Fehlschluss, sondern folgt dem Utilitarismus. Dieser besagt, dass ethisch richtig ist, was möglichst viel Nutzen bzw. Wohlempfinden und möglichst wenig Leid verursacht. Wenn ich also als Ultima Ratio einen Serienmörder umbringe, ist das ethisch vertretbar, da der Serienmörder sonst mehr Menschen getötet hätte. Genauso kann ich argumentieren, dass das Töten eines Wolfs vertretbar ist, der im Laufe seines Lebens sonst viele andere Tiere getötet hätte. Andererseits haben Wölfe im ökologischen Gleichgewicht eine wichtige Funktion. Ohne Wölfe explodiert die Rehpopulation, die daraufhin zu wenig Nahrung findet, sodass viele Tiere verhungern. Wahrscheinlich ist es also humaner, wenn hin und wieder ein Reh von einem Wolf getötet wird, ohne ewig Hunger leiden zu müssen. Dir sollte klar sein, wie komplex und vielschichtig diese Abwägung ist.
- Metaphysischer Fehlschluss
Erneut bin ich überrascht, dass das als Fehlschluss dargestellt wird. Ich glaube nicht an eine Seele, ich glaube aber, dass der Mensch mehr als bloß die Summe seiner Moleküle ist. Der Mensch hat ein Bewusstsein und eine Identität, das macht sein Leben schützenswert. Primitivere Lebensformen, zum Beispiel Ameisen, haben kein Bewusstsein und sind daher auch weniger schützenswert.
Wenn du diese Argumentation ablehnst, wie begründest du dann, dass Menschen bzw. Tiere ein Recht auf Leben haben sollten?
- Falsche Äquivalenz
Witzig an diesem Punkt ist, dass du selbst eine falsche Äquivalenz genutzt hast.
Du meinst, Menschen haben ein Recht auf Leben (das setzt du als selbstverständlich voraus). Tiere sind wie Menschen. Deshalb müssen Tiere auch ein Recht auf Leben haben. Das ist eine falsche Äquivalenz.
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Zusammengefasst: Es ist kompliziert. Es ist aus ethischer Sicht von Fall zu Fall unterschiedlich, es hängt davon ab, welchen ethischen Grundsätzen du folgst, was du als "wertvoll" betrachtest, usw.
Aber wenn du alle Arten von Argumenten ablehnst, seien sie emotionaler, autoritärer, metaphysischer oder anderweitiger Natur, dann kannst du weder dafür, noch dagegen argumentieren.