Mein Cousin hat sich damals mit 16 Jahren geoutet und er hat mir auch im Nachhinein erzählt, wieviel Mut ihn das gekostet hat, obwohl wir in unserer Familie eigentlich sehr offen und locker damit umgegangen sind.
Er erzählte mir, dass für ihn dennoch die Familie die schwierigste Instanz beim Outing war. Als es ihm selbst klar wurde, dass er Jungs spannender als Mädels findet, hat er sich auch erstmal im Freundes- und Bekanntenkreis umgesehen. Er lernte über das Internet damals einen Typen kennen, mit dem er längere Zeit geschrieben hatte, sich irgendwann verliebte und auch eine ganze Weile zusammen war... Und dann passierte alles irgendwie von selbst und auch ganz schnell.
Lange Rede kurzer Sinn:
Den ultimativ richtigen Zeitpunkt wird es wohl nie geben, aber man kann Schwierigkeiten ein bisschen aus den Weg räumen, indem man sich Gleichgesinnte oder Freunde sucht, die einen seelisch und moralisch dabei unterstützen und bei Krisen auffangen. Gemeinsam geht es leichter.
Zur Not gibt es auch Beratungsstellen oder Treffpunkte in jeder größeren Stadt, wo du andere schwule Jungs kennenlernen kannst. Probier es mal aus, wenn du dich traust.
Was den Zeitpunkt eines Outings betrifft, solltest du vielleicht abwägen, was dir wichtiger ist: Die Aufrechterhaltung einer gefühlt falschen sexuellen Identität, um dir eventuelle Diskussionen und Aufregungen zu ersparen oder aber die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität auch nach Außen und gegenüber der Familie, um so leben zu können, wie man ist.
Das ist ein Entwicklungsprozess und dauert seine Zeit. Aber es lohnt sich.
Dazu ist es schon mal gut, dass du dir selbst im Klaren bist, was du bist und wie du fühlst. Das ist ein großer Schritt. Als Zweites kannst du es vielleicht der besten Freundin erzählen oder anderen Leuten, denen du vertraust.
Mach es Step by Step. Du entscheidest, ob und wem du es erzählen magst. Deine Sexualität hat niemanden etwas zu interessieren, wenn du es nicht erzählen willst. Guck , wem du vertrauen kannst, schau dich nach anderen schwulen Jungs um. Ich sage den Leuten, die hier in ähnlicher Situation wie du stecken immer: Lebe, lache und liebe.
Letztendlich ist die Gesellschaft heute viel weiter, als noch vor einigen Jahren. Es gibt geoutete Fussballer, schwule Soldaten, schwule Lehrer und natürlich auch Friseure und Krankenpfleger. Homosexuelle gibt es in allen Bevölkerungsschichten und Berufen. Es ist also eine völlig normale Form der Sexualität und das werden auch deine Eltern irgendwann verstehen, wenn sie bis dato noch nicht mit dem Thema konfrontiert worden sind.
Gib ihnen die Zeit dafür-es wird vielleicht auch ein bisschen dauern, aber sie werden es irgendwann dann auch akzeptieren. Du wirst dich im Nachhinein super erleichtert fühlen und froh sein, diesen Schritt bewältigt zu haben.
Liebe Grüße und alles Gute für dich!