Der türkische Präsident Erdoğan wird am heutigen Freitag im Kanzleramt erwartet. Angesichts seiner Äußerungen zu Hamas und Israel plädierten zahlreiche Politiker für eine Absage des Treffens. Doch wäre eine demonstrative Ausladung wirklich sinnvoll?
Die zwei Gesichter des Recep Tayyip Erdoğan
Der Politiker Erdoğan kann auf der weltpolitischen Bühne als durchaus ambivalente Figur bezeichnet werden: In Kontrast zum türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, der die Türkei in einen modernen und säkularen Staat nach europäischem Vorbild umgestalten wollte, bestimmen Nationalismus, Unterdrückung und Religiosität die innenpolitische Erdoğan'sche Staatsdoktrin. In der internationalen Politik hingegen versuchte Erdoğan in den letzten Jahren ein ganz anderes Bild zu zeichnen: So ist die Türkei mit Blick auf das Thema Flüchtlinge, dem NATO-Beitritt Schwedens oder dem Getreide-Abkommen zwischen der Ukraine und Russland als - denn man ist sich seiner Schlüsselrolle bewusst - wichtiger und offenbar unverzichtbarer Vermittler bei großen weltpolitischen Themen in Erscheinung getreten. Im Gegensatz zu vielen anderen (NATO-) Staaten jedoch lässt eine klare Verurteilung der Bluttaten der Hamas vom 07. Oktober weiterhin auf sich warten...
Sympathie für die Hamas
Viele Moscheen in Deutschland unterstehen unmittelbar dem größten und mächtigsten Moscheenverband "DITIB", der die politisch-religiöse Ausrichtung des türkischen Präsidenten an viele Gläubige hierzulande weiterträgt. Hört man sich inmitten der türkischstämmigen Community einmal um, so teilen erstaunlich viele Menschen die Haltung Erdoğans zu Israel sowie Hamas. Dieser hat erst jüngst international auf sich aufmerksam gemacht, indem er die Terroristen der Hamas nach den Massakern an und Entführungen von zahlreichen Juden als "Freiheitskämpfer" und Israel als "Terror-Staat" bezeichnet hat. Aufgrund der von Erdoğan getätigten Aussagen wurden in den letzten Tagen Forderungen nach einer Absage des heutigen Treffens laut...
Die Suche nach dem richtigen Umgang
Obgleich Bundeskanzler Scholz die Worte des türkischen Präsidenten als "absurd" bezeichnet und vehement auf den demokratischen Charakter Israels verwiesen hat, ließen allzu kritische Worte seitens des deutschen Kanzlers bislang auf sich warten. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, denkt, dass Erdoğan mit seiner Einstellung kein verlässlicher Partner für die deutsche Politik sein könne. Johannes Winkel, Vorsitzender der Jungen Union, forderte sogar, den Besuch mit dem türkischen Staatsoberhaupt gänzlich abzusagen. Eine Absage stand allerdings nie im Raum, da die Türkei nicht nur NATO-Partner ist, sondern zudem eine wichtige politische Vermittlerrolle (z.B. bzgl. der Freilassung der israelischen Geisel) innehat.
Unsere Fragen an Euch: Wäre eine Absage an Erdoğan Eurer Meinung nach richtig gewesen? Welche Worte in Richtung Erdoğan erwartet Ihr von Bundeskanzler und Bundespräsidenten? Wie viel Konfrontation wäre mit Blick auf die krisenbehaftete Weltpolitik realpolitisch sinnvoll? Sollte ggf. sogar über die NATO-Zugehörigkeit der Türkei diskutiert werden?
Wir freuen uns auf Eure Meinungen.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/erdogan-besuch-116.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweden-nato-beitritt-tuerkei-100.html