Ich hatte früher ständig Zoff mit meinem Bruder, wir haben uns auch häufig geprügelt. Ich weiß noch, wie ich wünschte, er sei tot.
Da träumte ich eines Nachts, er sei tödlich verletzt worden. Ich wachte aber auf, als noch das Blut quoll, darum kann ich dir nicht sagen, ob er wirklich tot war im Traum.
Ich weiß nur noch, dass mir da bewusst wurde, wie lieb ich ihn doch eigentlich habe. So dienen Träume dazu, dass einem die unbewussten Gedanken und Gefühle ins Bewusstsein geraten. Schließlich wird das ja beim Schlafen alles verarbeitet.
Zu deiner Situation:
Ja, ich bin der Meinung, dass es daran liegt, dass deine Schwester ausgezogen ist. Dies ist eine Situation, die so vorher noch nicht da war. Du merkst jetzt, dass deine bisherige stabile Welt auseinanderfällt. Eine Familie ist ein warmes Nest, wenn sie richtig geführt wird, und dieses warme Nest muss irgendwann verlassen werden. Je nachdem, an welcher Stelle man in der Geschwisterreihe steht, geht man als erster (und das ist besonders aufregend für denjenigen, da nun etwas Neues beginnt) oder man bleibt zurück und sieht andere ausziehen (und dann hat man mit dem Verlassensschmerz und der Lücke zu tun).
Diese Verlustängste sind normal. Wir haben sie dauernd: bei jedem Entwicklungsschritt, den wir selber tun und bei Schritten, die wir bei andern miterleben.
Das sollte nun aber nicht dazu führen, dass du handlungsunfähig wirst. Sieh jede Veränderung als Chance an, selber zu wachsen und zu reifen, da man ja nun mit einer völlig neuen Situationen umgehen lernen muss. Das ist schmerzhaft, aber es lohnt sich!
Du wirst im Leben noch vielen anderen solchen Situationen begegnen. Von daher ist es das schlimmste, was du tun kannst, dass du dich einfach abkapselst und weiter in deiner bisherigen Welt bleibst und dir das bisherige zurückwünschst. Das geht leider nicht. Wenn wir dieses tun, bleiben wir in einer Traumwelt verhaftet und sind schließlich unfähig, uns in unserer persönlichen Wirklichkeit zurechtzufinden.
Aber ich möchte dir Mut machen! Das betrifft jeden Menschen in irgendeiner Weise, und es gehört einfach zum Erwachsenwerden dazu, immer wieder loszulassen. Und selbst Erwachsene kommen immer wieder in Situationen, wo sie loslassen müssen. Für deine Eltern ist das sicher auch ein großer Schritt, ein Kind gehen zu lassen.
Mutig voran, du schaffst das!