Eine Woche dehnen und große Veränderungen zu erwarten ist wie nach einer Woche Kraftübungen zu erwarten, dass deine Muskeln schon sichtbar größer werden und du schon deutlich mehr Gewicht bewegen kannst. Genauso wie bei Kraftzunahme muss sich auch beim Dehnen der Muskeln im Körper einiges umbauen, und das braucht Zeit! Hab Geduld. Hier ein paar Tipps, die ich in diesem Forum schon mal gegeben habe. Ich zitiere mich im Folgenden also selbst.
Du schreibst: "Zum Beispiel schaffe ich es nichtmal mit geraden Rücken meine Beine auszustrecken, und geschweige dann noch nach vorne zu greifen." Wichtig ist, dass dir hier die Mechanik ganz klar ist, die du ausführen musst. Und zwar:
Um "Vorgreifen" zu können musst du dein Becken nach vorne kippen können.
Du brauchst also eine Bewegung des Beckens, im Hüftgelenk, bei der die Sitzbeinhöcker hinten hochziehen, die Hüftknochen vorne nach unten kippen. Die Wirbelsäule kommt dann einfach mit. Die Bewegung geht aber vom Becken aus.
Führst du beim Dehnen der Beinrückseiten diese Bewegung aus? Oder versuchst du, aus dem Rücken heraus nach vorne zu beugen? Letzteres wird nicht zu Erfolgen führen. Falls dir das Vorkippen des Beckens schwer fällt:
A) Übe das Vorkippen des Beckens zunächst mal im Vierfüßler. Ziehe deine Sitzbeinhöcker hinten hoch, vorne kippen die Hüftknochen nach vorne-unten. (Es entsteht dabei ein Hohlkreuz). Dann mach die Gegenbewegung (roll das Becken ein / kippe es zurück). Und wiederhole.
Wenn du diese Bewegung mal gut im Gefühl hast, üb die Bewegung im Stehen - zuerst mit stark gebeugten Knien, Hände auf die Oberschenkel gestützt. Seitbeinhöcker hochziehen (Entenpopo), Hüftknochen vorne runterkippen. Hier kannst du anders als im Vierfüßler den ganzen Rumpf mit nach vorne nehmen (Rücken bleibt dabei gestreckt). Wenn du die Knie sehr deutlich beugst, wirst du auch sehr weit aus den Hüften heraus vorkippen können - vielleicht liegt der Bauch sogar fast auf den Oberschenkeln auf! Dann mach die Gegenbewegung. Richte Becken und mit ihm den ganzen Rumpf wieder auf, und dann roll das Becken auch etwas ein (kippe es nach hinten). Und wiederhole.
Erst wenn dies gut funktioniert, mach die Bewegung auch mit gestreckten bzw. mit nur leicht gebeugten Beinen. Dann sollte es bei stärkerem Vorkippen des Beckens zu einer Dehnung der Beinrückseiten kommen. Kippe nur so weit, bis eine gute Dehnung der Beinrückseiten entsteht - und halte dort. Rücken bleibt gestreckt. Greife nicht krampfhaft mit den Händen nach unten. Dann buckelst du nur den Rücken. Bleibe eine Weile in der Dehnung, dann geh in die Gegenbewegung und dann wieder in die Dehnung und halte sie wieder eine Weile. Wiederhole.
B) Du kannst die Dehnung in Rückenlage und mit den Beinen an die Wand gestützt ausprobieren. Setze dich nahe einer Wand auf den Boden, mit dem Gesicht zur Wand. Lege dich dann auf den Rücken und strecke deine Beine nach oben, lehne die Fersen gegen die Wand. Robbe mit dem Hintern schrittweise immer näher an die Wand dran - bis du - bei gestreckten Beinen - eine einigermaßen intensive Dehnung an den Beinrückseiten spürst. Achtung: Dein Kreuzbein muss fest liegenbleiben, das Gesäß darf nicht hochkringeln, der Luft hängen. Versuche auch in dieser Position, das Becken leicht vorzukippen. Es entsteht im unteren Rücken ein stärkeres Hohlkreuz, und die Beindehnung sollte sich deutlich verstärken. Und: Achte darauf, dass die Oberschenkel nicht nach außen drehen. Wenn sie dazu tendieren, drehe sie sogar eher etwas nach innen. Bleibe so lange ohne äußere Bewegung, bis die Dehnung spürbar nachlässt - dann kannst du noch ein Stückchen mehr im Becken vorkippen, oder, sollte das schon unangenehm in Rücken stauchen, näher an die Wand heranrobben und nochmal eine Weile halten.
Zusammenfassend: Das Vorkippen vom Becken ist die Bewegung, die dazu führt, dass du dich weiterentwickelst. Diese Bewegung muss innerlich Teil deiner Dehnung sein. Und hab Geduld. Übe sehr regelmäßig, halte die Dehnung lang genug - aber sei von der Intensität her lieber etwas sanfter als zu grob. Dehnen ist anfangs mühsam, aber wenn es wirklich weh tut, wenn du fast nicht atmen kannst, ziehst du zu fest an deinen Muskeln. Sie werden nicht nachgeben, sondern sich gegen das Langgezogenwerden wehren, noch mehr Gegenspannung aufbauen.