Themenspecial 11. November 2020
Missbrauchsprävention
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Was tun, wenn keine Beweise eines sexuellen Missbrauchs vorliegen?

3 Antworten

Hallo Nyankoshigi,

vielen Dank für diese Frage. Die Situation, die Sie beschreiben, ist immer schwierig und kommt gleichzeitig sehr häufig vor. 

Wir möchten zunächst die juristische Sicht aufgreifen. Vorweg müssen wir darauf hinweisen, dass wir keine juristischen Fachkräfte sind und daher nur begrenzt juristische Fragen beantworten können. Folgendes aber können wir Ihnen sagen: Grundsätzlich kann jeder Mensch den Verdacht auf sexualisierte Gewalt/sexuellen Missbrauch zur Anzeige bringen. Viele Verfahren werden jedoch aus Mangel an Beweisen eingestellt. Das heißt: Wenn keine Beweise vorliegen und auch keine Aussagen der Betroffenen, dann ist es sehr schwer bis unmöglich, strafrechtlich etwas zu erreichen. 

Wichtig zu wissen ist zudem, dass das Strafrecht zum Ziel hat, Täter und Täterinnen für Straftaten zur Verantwortung zu ziehen. Eine Strafanzeige mit all den daraus folgenden Schritten ist nicht immer und zu jedem Zeit geeignet, um Kinder zu schützen - je nachdem, wie vage oder konkret der Verdacht auf sexuellen Missbrauch ist. Wenn durch das Ermittlungsverfahren ein Täter/eine Täterin sozusagen gewarnt wird, ohne dass das Kind bereits vor dieser Person geschützt werden kann, dann verschlechtert sich im schlimmsten Fall sogar die Situation des Kindes. Das Verfahren wird eingestellt (z.B. aus Mangel an Beweisen) und der Täter/die Täterin kann den Geheimhaltungs-Druck auf das Kind massiv erhöhen.

Für den konkreten Kinderschutz sind in erster Linie andere Behörden wie zum Beispiel das Jugendamt oder die Familiengerichte zuständig. Sie können konkrete Maßnahmen zum Schutz von Kindern ergreifen - aber natürlich auch nur dann, wenn gewichtige Anhaltsunkte für eine drohende oder akute Kindeswohlgefärdung vorliegen.

Was können Sie nun also tun?

Grundsätzlich gilt es, bei einem Verdacht auf sexuelle Gewalt sehr überlegt und vorsichtig vorzugehen, um nicht durch überstürztes Handeln die Situation für die betroffenen Kinder noch schwieriger werden zu lassen. Auch wenn Sie sicher sind, bitten wir Sie, Ruhe zu bewahren. Wir bestärken Sie aber darin, weiterhin Ihrem Gefühl zu vertrauen, wenn Sie den Eindruck haben, dass etwas nicht stimmt.

Als einen ersten Schritt empfehlen wir Ihnen, all Ihre Beobachtungen - wenn möglich auch die länger zurückliegenden - schriftlich mit Datum, Ort und kurzer Beschreibung der Situation zu dokumentieren. Auch Gespräche, Wortwechsel, Anrufe oder Nachrichten können dabei von Bedeutung sein. Oftmals ist es sehr schwer, das Geschehene auf diese Weise zu rekapitulieren. Gleichwohl hilft es bei den Gesprächen in der Fachberatungsstelle, am Hilfetelefon oder mit einer juristischen Fachkraft.

Von einer gezielten Befragung des Kindes raten wir Ihnen ab. Vielmehr ist es wichtig, die Beziehung zu dem Kind - wenn möglich - zu intensivieren. Damit ist gemeint, Räume zwischen Ihnen und dem Kind zu schaffen, wo immer wieder deutlich wird, dass es Sie interessiert, wie es ihm geht, dass es mit seinen Gefühlen wahr- und ernstgenommen wird und Schutz findet. Falls es etwas erlebt (hat), was ihm unangenehme Gefühle verursacht, wird es dies vielleicht vor dem Hintergrund einer solchen Beziehung von sich aus thematisieren. Hilfreich können dabei Bilderbücher sein, die kindgerecht Gefühle und Körperteile benennen, die für Grenzen sensibilisieren und zum Neinsagen bei Grenzüberschreitungen ermutigen.

Sie können darüber hinaus auch eine Person Ihres Vertrauens in der Kita oder Schule darum bitten, mögliche Auffälligkeiten im Verhalten oder in Aussagen des Kindes zu dokumentieren. Das schreiben wir jetzt, ohne zu wissen, in welcher Beziehung Sie zu dem Kind stehen und ob das überhaupt denkbar ist. Für das Kind ist es von großer Bedeutung, dass Sie sich gut vernetzen und die Situation weiterhin beobachten. Nur so können gegebenenfalls Handlungsschritte entwickelt werden, die ihn auch langfristig schützen können.

Zudem empfehlen wir Ihnen unbedingt die Kontaktaufnahme zu einer spezialisierten Beratungsstelle in Ihrer Nähe. Dort können Sie im persönlichen Gespräch und auf Wunsch auch zunächst anonym Ihre Situation schildern, Fragen und Unsicherheiten klären. Sie werden mit Ihren Erfahrungen sehr ernst genommen, da die Beraterinnen auf das Thema Sexuelle Gewalt mit all seinen Facetten spezialisiert sind. Sie werden nichts gegen Ihren Willen unternehmen, und mit Ihnen gemeinsam überdenken, welche Unterstützung das Kind und Sie benötigen. Bei Bedarf verfügen die Fachberatungsstellen auch über Kontaktdaten von geeigneten Therapeutinnen und Therapeuten sowie Fachkräften aus dem juristischen Bereich. Entsprechende Adressen finden Sie über die Suchfunktion auf dem ‚Hilfeportal Sexueller Missbrauch‘ unter www.hilfeportal-missbrauch.de.

Wichtig ist auch, keinesfalls den mutmaßlichen Täter/die mutmaßliche Täterin mit dem Verdacht zu konfrontieren. Eine Konfrontation ist immer erst dann sinnvoll, wenn das mutmaßlich betroffene Kind geschützt ist und die mutmaßliche Tatperson keinen weiteren Druck ausüben kann. In jedem Fall sollte eine Konfrontation vorab mit Unterstützung einer Fachberatungsstelle vorbereitet werden!

Wir wünschen Ihnen alles Gute!

Ihr N.I.N.A.-Team

Von der juristischen Seite her habe ich keine Ahnung.

Allerdings denke ich, dass es für das Opfer deutlich wichtiger ist, emotional aufgefangen zu werden als die tatsächliche Klage. Somit würde ich dazu raten, vor allem nach Therapiemöglichkeiten Ausschau zu halten und immer ein offenes Ohr zu haben.

Das könnte dann auch eher dazu führen, dass das Opfer irgendwann klagen möchte.

Das Opfer muss eben den Mund aufbekommen.

Wirklich schwierig wirds dann nur bei Opfern die nicht sprechen können (zu jung, Behinderung, tot,...)

Du kannst als Dritter natürlich JEDEN Verdacht der Polizei oder dem Jugendamt melden.