Was sind dissipative Strukturen?

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Hier hatte ich schon mal eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema:

https://www.gutefrage.net/frage/fragen-zur-tds-dissipative-strukturen-entropiebegriff-versagen-der-klassischen-physik

Extrem vereinfacht könnte man sagen: In einer dissipativen Struktur wird fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes extrem viel Energie dissipiert (daher der Namen) und Entropie erzeugt, um letztlich neue Strukturen im Rahmen der Selbstorganisation zu erzeugen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.
Schlomo824  03.04.2023, 22:53

Wenn all die energie und seine energieübertragungen in unserem Universum danach strebt entwertet zu werden und die entropie zu erhöhen, wieso steigt die Entropie nicht bei der energieübertragung von gluonen?

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Hamburger02  03.04.2023, 23:31
@Schlomo824

Wir sprechen bei dissipativen Strukturen vom Mesokosmos und nicht vom Mikrokosmos. Wie sagte Harald Lesch in einem Vortrag mal, als er erklärte, warum er sich nicht mehr der Teilchenphysik, sondern der nichtlinearen Physik im Mesokosmos widmet:

"Früher betrieb ich interessante Physik, heute betreibe ich maßgebliche Physik."

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Schlomo824  04.04.2023, 23:45
@Hamburger02

damit gibt es die dissipativen strukturen nicht im mikrokosmos , sondern im makrokosmos.
soweit ich das richtig verstanden habe, gibt es die 4 fundamentalen Wechselwirkungen, die nichts anderes sind als Mechanismen der Energieübertragung.
Bereiche hoher Energiedichten homogenisieren sich in bereiche niedriger Energie dicht mit krafteausgleich

Gravitation: Potentielle energie in kinetische energie und wärme energie
Elektromagnetische wechselwirkung: Photonen in chemische energie und Wärme energie
Starke Kernkraft: Passt nicht ganz, weil gluonen keine Energiedichte homogenisieren
Schwache kernkraft: hab ich mich noch nicht beschäftigt.
wenn doch energie sich homgenisieren möchte, wieso geht es den umweg über dissipativen strukturen und nicht direkt von anfang an beim urknall in wärmeenergie?

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Hamburger02  05.04.2023, 09:01
@Schlomo824
soweit ich das richtig verstanden habe, gibt es die 4 fundamentalen Wechselwirkungen, die nichts anderes sind als Mechanismen der Energieübertragung.

Mit denen sich aber weder dissipative Strukturen noch sonst irgendwie die Entstehung von Neuem erklären lässt.

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Schlomo824  05.04.2023, 16:10
@Hamburger02

Das ist richtig. Es fehlt der Antrieb

Hast du über meine Frage Zufällig nachgedacht?

Und kennst du dich nur mit dissipativen Strukturen aus oder auch in Physik allgemein?

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Hamburger02  05.04.2023, 16:34
@Schlomo824
Hast du über meine Frage Zufällig nachgedacht?

Welche denn genau?

Und kennst du dich nur mit dissipativen Strukturen aus oder auch in Physik allgemein?

In einigen Teilbereichen auf jeden Fall, aber nicht in der Teilchenphysik.

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Schlomo824  05.04.2023, 16:41
@Hamburger02

wenn doch energie sich homgenisieren möchte, wieso geht es den umweg über dissipativen strukturen und nicht direkt von anfang an beim urknall in wärmeenergie?

Außerdem gibt es ja noch den Entropie tod.

Sprich letzenendes nachdem höhere Ordnungen und Strukturen entstanden sind und weiter entstehen, wartet sozusagen am Ende die komplette Wärmeverteilung im ALL und somit auch das Ende höherer Strukturen

Richtig?

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Hamburger02  05.04.2023, 17:00
@Schlomo824
wieso geht es den umweg über dissipativen strukturen und nicht direkt von anfang an beim urknall in wärmeenergie?

Ja, aber wie? Dazu muss es einen phsikalischen Prozess geben. Man kann die Entstehung des Lebens aus rein physikalischer Sicht z.B. so erklären, dass kein bekannter physikalischer Prozess so schnell und effizient Energie dissiperen kann wie lebende Systeme. Den Beweis dafür liefern wir selber, indem wir mineralische Energievorräte, die Jahrmillionen undissipiert in der Erde schlummerten, innerhalb weniger Jahrzehnte in Wärme umgeandelt haben.

Im übrigen gab es die bislang größte und gewaltigste dissipative Struktur im gesamtren Universum laut Prigoschine ca. 380.000 Jahre nach dem Urknall, als sich die Anfangsenergie fast schlagartig in Materie umgewandelt hat. Dabei entstand rund die Hälfte der gesamten im Universum vorhandenen Entropie und wurde in Form der Hintergrundstrahlung abgestrahlt.

Es gibt z.B. auch die Hypothese, die von einigen Wissenschaftlern vertreten wird, dass das menschliche Gehirn die dissipativste Struktur im heute bekannten Universum sei. Es gibt einige Argumente, die diese Hypothese stützen, wie zum Beispiel die Tatsache, dass das Gehirn eine enorme Menge an Energie verbraucht und ein komplexes Netzwerk von miteinander verbundenen Neuronen darstellt, das kontinuierlich Informationen verarbeitet und speichert und dabei jede Menge Energier verbraucht und Wärme produziert.

Allerdings ist diese Hypothese umstritten und es gibt keine endgültige wissenschaftliche Bestätigung dafür. Es gibt auch andere komplexe Systeme im Universum, wie z.B. Galaxien oder Schwarze Löcher, die ebenfalls als sehr dissipativ angesehen werden könnten.

Ein Preoblem dabei ist, dass die Bezeichnung "dissipativste Struktur" kein objektiver Begriff ist, sondern ein relativer, der von verschiedenen Faktoren wie Größe, Energieverbrauch und Komplexität abhängt.

Außerdem gibt es ja noch den Entropie tod.

Ja, das ist eine bekannte und weitverbreitete Hypothese über das Ende des Universums. Bisweilen erleiden auch Schaltkreise den Entropietod, wenn sie nicht genügend gekühlt werden.

Sprich letzenendes nachdem höhere Ordnungen und Strukturen entstanden sind und weiter entstehen, wartet sozusagen am Ende die komplette Wärmeverteilung im ALL und somit auch das Ende höherer Strukturen

Ja, das wäre wie gesagt eine Möglichkeit, die aber auch nur hypothetisch ist und erfahrungsgemäß kommte es am Ende sowieso alles ganz anders.

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Dissipative Strukturen sind selbstorganisierende Muster in nichtlinearen Systemen, die Energie und Materie durch Strömungen und Transportprozesse durch den Raum und durch thermodynamische Prozesse dissipieren.

Quelle: Order Out of Chaos

Eine dissipative Struktur (engl. dissipative structure ‚zerstreuende Struktur‘) bezeichnet das Phänomen sich selbstorganisierender, dynamischer, geordneter Strukturen in nichtlinearen Systemen fern dem thermodynamischen Gleichgewicht. Dissipative Strukturen bilden sich nur in offenen Nichtgleichgewichtssystemen, die Energie, Materie oder beides mit ihrer Umgebung austauschen. Beim Aufbau geordneter Strukturen nimmt die Entropie lokal ab; diese Entropieminderung des Systems muss durch einen entsprechenden Austausch mit der Umgebung ausgeglichen werden.

Beispiel dissipativer Strukturen: Granulation auf der Sonnenoberfläche.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dissipative_Struktur