Was ist der Unterschied zwischen Soziopathie und Psychopathie?

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Hallo Blueorange25!

Um dieses Thema herrscht viel Verwirrung und im Internet schwirren viele verschiedene Definitionsversuche herum. Den aktuellen psychologisch, wissenschaftlichen Stand erläutere ich im Folgenden.

Soziopathie ist ein veralterter Begriff und wird heute der Psychopathie zugeordnet.

Es gibt immer eine genetische Veranlagung dazu. Das ist wissenschaftlich erwiesen und wird auch oft in den Schriften des Psychopathie-Spezialisten Robert D. Hare angesprochen.

Heute unterteilt man die Psychopathie in 2 Faktoren mit insgesamt 20 Merkmalen gemäß PCL-R nach Robert D. Hare:

Faktor 1: interpersonell-affektiv (primäre Psychopathie)

  • trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme
  • erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
  • pathologisches Lügen (Pseudologie)
  • betrügerisch-manipulatives Verhalten
  • Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
  • oberflächliche Gefühle
  • Gefühlskälte, Mangel an Empathie
  • mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen

Faktor 2: antisozial-deviant (sekundäre Psychopathie = veraltet Soziopathie)

  • Stimulationsbedürfnis (Erlebnishunger), ständiges Gefühl der Langeweile
  • parasitärer Lebensstil
  • Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen
  • Impulsivität
  • Verantwortungslosigkeit
  • geringe Verhaltenskontrolle
  • Frühe Verhaltensauffälligkeiten
  • Jugendkriminalität
  • Verstoß gegen Bewährungsauflagen bei bedingter Haftentlassung
  • Polytrope (vielgestaltige) Kriminalität

Keinem Faktor zuzuordnen:

  • Promiskuität
  • viele kurzzeitige eheähnliche Beziehungen

Wichtig: Bei fast allen Psychopathen finden sich Anteile von beiden Faktoren!

Das soziale Umfeld bzw. die Umwelt bestimmen lediglich mit, wie sehr die verschiedenen psychopathischen Verhaltensweisen einmal ausgeprägt sein werden und welcher Faktor überwiegt;

  • Psychopathen, die in gutem Hause aufwachsen, werden tendenziell erfolgreiche Psychopathen z.B. Ärzte, Anwälte, Geschäftsführer. Hier wird im Zuge der Entwicklung voraussichtlich Faktor 1 überwiegen.
  • Psychopathen, die extrem negative oder schädliche Erfahrungen in ihrer Kindheit machen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu straffälligen Psychopathen z.B. Vergewaltiger, Folterer, Mörder. Hier wird im Zuge der Entwicklung voraussichtlich Faktor 2 überwiegen.

Daneben existiert noch die sogenannte "Antisoziale Persönlichkeitsstörung".

Sie ist jedoch weitgehend mit Faktor 2 Psychopathie gleichzusetzen. Als Diagnosekriterien werden folgende Verhaltensweisen angeführt:

  • Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen.
  • Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert.
  • Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen.
  • Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen äußert.
  • Rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicherheit anderer.
  • Durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Versagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
  • Fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierungen äußert, wenn die Person andere Menschen gekränkt, misshandelt oder bestohlen hat.

Bei vorhandenen Grundkenntnissen in Englisch, kann ich dieses Video hier von einem Fachspezialisten sehr empfehlen:

https://www.youtube.com/watch?v=IQSzH10SjqY

Viele Grüße
ScienceBuster

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

2 ist in 1, aber 1 ist nicht in 2. 2 ist angeboren. 1 ist sozialisiert