Was hat es mit dem "entmilitarisierten Rheinland" vor dem 2. Weltkrieg auf sich'?

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Du kannst dir diese Frage bzw. die Beantwortung einfach bildlich ableiten. Betrachte mal im Atlas den Verlauf des Rheines. Er stellte eine natürliche Grenze dar. Zu Frankreich, Luxembourg, Belgien und den Niederlanden. Die Erfahrungen der Nachbarn mit den Deutschen/Preußen waren spätestens seit dem Krieg von 1870 nicht unbedingt positiv verlaufen. Das Verhältnis Deutschland/Frankreich, um es vorsichtig auszudrücken, leicht angespannt. Es reichte nicht, in dem Versaillervertrag nur eine Grenzlinie festzulegen. Es mußte auch dafür Sorge geragen werden, dass diese Grenze eine gewisse Stärke hatte und dem hinter der Grenze lebenden Staat eine gewisse Sicherheit bot. Und was bringt Sicherheit. ? Richtig, ein sehr breiter Streifen Niemandsland. Ein Streifen, indem keine Dinge gelagert, stationiert sind mit denen man einen Krieg führen kann. Ein Stück Land, dass im Falle eines neuerlichen Angriffes erst einmal als Pufferzone, als Schutzraum gelten konnte. Denn während ja auf deutscher Seite bitteschön kein Kriegsspielzeug hier rumzuliegen hatte, war dem Bewohner auf der anderen Seite dies ja nicht verboten. Sprich, er konnte sich direkt an der Grenze verteidigen, brauchte nicht erst durch Niemandsland mit Waffen zum Gegner kutschieren.

Der 1. Weltkrieg war auch eine knallharte Auseinandersetzung um Einfluß im wirtschaftlichen Bereich. Aus dem eher landwirtschaftlich geprägten Preußen war im Laufe weniger Jahrzehnte, begünstigt durch Industrialisierung, der ganzheitlich orientierten Politik Bismarck für ein geeinigtes, starkes Reich und den natürlichen Ressourcen und Bodenschätzen ein Staat in Europa geworden, der es mit den bisherigen Größen England und Frankreich wirtschaftlich aufnehmen konnte. England hatte beispielsweise versucht, als Schutz vor den qualitativ hochwertigen Waren, die in Deutschland vornehmlich in den Industrieregionen an Rhein und Ruhr gefertigt wurden, diesen Produkten die Zwangsbeschriftung "Made in Germany" aufzuerlegen. Damit sollten besonders die Einheimischen Käufer darauf hingewiesen werden, dass sie ein deutsches und kein einheimisches Produkt kauften. Nun der Schuß ging nach hinten los. Die deutschen Produkte waren so gut in Qualität und Verarbeitung, dass das "Made in Germany" recht schnell zu einem Markenzeichen für Qualitätsarbeit stand. Nun, nach dem Krieg wurde natürlich die Industrie im Rahmen der Reparationszahlungen genüßlich zerlegt. Militärische Dinge durften nicht mehr produziert werden. Aber im Saarland und in der Region Rhein Ruhr (Krupp und Thyssen) waren dies in der Stahlindustrie wichtige, die Auftragsbücher füllende Produkte. Mit der Entmilitarisierung im Rheinland wurde also auch mal eben die Wirtschaft empfindlich getroffen. Denn natürlich hingen an den Militärproduktionszweigen auch andere, die Zulieferer, die un keine Abnehmer mehr für ihre Produkte fanden.

Du kannst noch einmal im Atlas nachschauen. Normalerweise gibt es darin immer so Sonderkarten. Karten, die in einem bestimmten Gebiet zu bestimmten Zeiten den Schwerpunkt der dort ansässigen Industrie anzeigen. Ruhrgebiet und Rheinland wirst du garantiert im Atlas finden. Vergleiche dann doch einmal, was sich dort vor und nach dem Krieg darstellt.

Übrigens, das Recht so eine Art Heer von 100 00 Mann zu haben ist ja lieb und nett. Aber womit sollten diese Herren den Kämpfen. Auf Ackergäulen mit Hellebarden zum Angriff stürmen? Ohne dem Gegner gleichwertige Ausrüstung und Waffen war dies ja wohl eine Farce :-))

Jade47Y 
Fragesteller
 05.06.2013, 16:26

Vielen Dank! Du hast mir geholfen und dir sehr viel Mühe gemacht. Das war wirklich nett!

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Nach dem Versailler Vertrag war nicht ganz Deutschland entmilitarisiert, sondern Deutschland wurde eine Truppenstärke von 100.000 Mann zugebilligt (die "Reichswehr"). Das Rheinland jedoch war wirklich entmilitarisiert, d.h. linksrheinisch waren keine deutschen Truppen stationiert, bis Hitler im Februar 1936 das Rheinland besetzen ließ.

M.W. war die Entmilitarisierung insbesondere eine französische Forderung, die Franzosen wollten eine Art "Sicherheitspuffer".

Hitler hatte übrigens bei der Rheinlandbesetzung tatsächlich eine gewisse Angst vor einem französischen Gegenschlag, er soll regelrecht erleichtert gewesen sein, dass die Franzosen und Engländer stillgehalten haben. Die Wehrmacht war 1936 noch lange nicht so hochgerüstet, dass es etwa sicher gewesen wäre, dass sie einem Gegenschlag hätte standhalten können. Es gibt Stimmen, die sagen, dass 1936 die beste Möglichkeit gewesen wäre, Hitler auszubremsen. Das Stillhalten kann als Einleitung der Appeasement-Politik gelten.

Jade47Y 
Fragesteller
 05.06.2013, 16:27

danke auch dir!

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das deutsche reich durfte in den 20ern wieder mit 100.000 soldaten aufgerüstet werden, nur das an frankreich grenzende rheinland war davon ausgeschlossen, eben wegen der feindschaftlichen verhältnisse zwischen F und D. dort durften weder kasernen stehen noch truppen durchmarschieren

Jade47Y 
Fragesteller
 01.06.2013, 14:46

Danke sehr!

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Nicht ganz richtig: Deutschland durfte eine Armee haben, das sogenannte 100.000-Mann-Heer. Es galten allerdings einige Beschränkungen, z.b. war keine militärische Luftfahrt gestattet.

Das Rheinand war komplett entmilitarisiert. Dies erfolgt aufgrund der Sicherheitsbestrebungen des Nachbarn Frankreich. Frankreich wollte keine bewaffnete deutsche Macht direkt an seinen Grenzen haben, da man deutschen Revanchegedanken von vornherein entgegentreten wollte.

Moin,

das Rheinland war wirtschaftlich enorm wichtig, es war als die "Waffenschmiede des Reichs" bekannt. Außerdem wäre diese Region als Aufmarschgebiet gegen Frankreich wichtig gewesen, "entmilitarisiert" hieß, das dort keine Truppe stationiert werden oder militärische Infrastruktur wie Kasernen aufgebaut werden durfte.

Die anderen Vertragsbedingungen für das ganze Reich standen für die Austreibung des "Militarismus" in der Gesellschaft und die allgemeine Beschränkung des Heeres. Historisch marschierten die Franzosen dann ja auch ins Rheinland ein, um die deutschen Zahlungen "einzutreiben".

Gedanke war, die wirtschaftlich wichtigen Bereiche verwundbar zu machen; selbst das NS-Regime musste beim Vertragsbruch und Aufrüstung die Westgrenze im Auge behalten, eine französische Offensive wäre anfangs so gut wie unaufhaltbar gewesen.

mfg Nauticus