Warum haben Europäischen Sprachen Geschlechter?

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Deine Frage ist etwas komisch gestellt — klar, viele Sprachen in Europa haben ein grammatisches Genus, aber andere (z.B. Ungarisch, Türkisch, Baskisch) haben es nicht, und manche Sprachen außerhalb Europas (z.B. Kurdisch oder Arabisch) haben es auch.

Die meisten Sprachen Europas haben aber wirklich Genus, und das sind genau die, die zur indo­germanischen Sprachfamilie gehören, z.B. Dänisch, Katalanisch, Serbisch oder Griechisch. Das Englische hat Genus für Substantive praktisch verloren, unter­schei­det aber noch drei Genera im Personalpronomen 3 Pers Sg (zumindest tat es das bis vor kurzem, inzwischen übernimmt they als genusneutrale Modeform das Kommando).

Daß in Europa die meisten Sprachen eine Genusunterscheidung kennen, hängt also damit zusammen, daß sie indogermanisch sind und daß ihr gemeinsamer Vorläufer, die indogermanische Ur­sprache, eine solche Unterscheidung hatte. Die nicht­indo­ger­mani­schen Sprachen Europas haben dagegen meist kein Genus, einfach weil ihre Sprach­familie grundsätzlich die Unterscheidung nicht kennt

  • Türkisch, Tatarisch etc. sind Turkspachen, die alle kein Genus haben; sie werden oft mit anderen Sprachen wie Japanisch und Mongolisch zu einer Altaischen Familie zusammengefaßt, und ich glaube, die sind auch alle geschlechtslos
  • Ungarisch, Finnisch und Estnisch gehören zu den uralischen Sprachen, die auch alle kein Genus kennen
  • Baskisch ist eine Sprachfamilie mit nur einem Mitglied. Baskisch kennt einen Unterschied zwischen belebten und unbelebten Substantiven
  • Maltesisch eine semitische Sprache und hat daher (genauso wie Ara­bisch, He­brä­isch oder Amharisch) eine Unterscheidung zwischen maskulin und fe­minin.

Indogermanisch hatte drei Genera, wobei die Feminina als letztes zu den bereits be­stehenden Maskulina und Neutra hinzukamen (deshalb haben Hethitisch und andere anatolische Sprachen nur zwei Genera, denn sie brachen vom Indogermanischen weg, noch bevor dieses sein drittes Geschlecht entwickelte). Viele heutige indogermani­sche Sprachen haben aber nur zwei Geschlechter, entweder maskulin gegen femi­nin (die meisten roma­ni­schen Sprachen) oder gemeinsam (=m+f) gegen neutral (Nord­germanisch). Die slavi­schen Sprachen unterscheiden oft zwischen belebt und un­belebt zusätzlich zum Drei-Geschlechter-System.

Du siehst, daß das Geschlechtssystem von Sprachen sehr konserativ ist. Rekon­stru­ierte Sprachfamilien sind typischerweise ≈6000 Jahre alt, und obwohl das eine lange Zeit ist, haben nur sehr wenige indogermanische Sprachen kein Geschlecht (Englisch, Persisch), und umgekehrt entstehen Geschlechtssysteme nur sehr selten in eigentlich geschlechtslosen Familien; ein Beispiel dafür ist Nepālbhāṣā, eine Sprache Nepāls, die v.a. im Kāṭhmāṇḍau-Tal gesprochen wird (sino–tibetisch).

Sprachfamilien mit Geschlecht sind außer indogermanisch und afro–asiatisch (wozu semitisch als Unterfamilie gehört) auch Nordostkaukasisch (z.B. Tschetschenisch mit sechs „Geschlechtern“) oder Drāviḍisch (z.B. Tamiḻ mit der Unterscheidung zwi­schen Mensch und Nicht-Mensch). Viele Sprachen in Westafrika haben ein sehr kom­pli­zier­­tes System von zahlreichen Substantivklassen, das mit dem Konzept des gram­ma­ti­­schen Geschlechts verwandt ist.

Der Grund, weshalb Sprachen dieses Konzept entwickelt haben, ist vermutlich sehr einfach: Damit man leichter sagen kann, auf welches Substantiv sich ein Adjektiv oder Pronomen bezieht. Mit Mann und Frau hat das ganze originär nichts zu tun, das sieht man schon daran, daß es viele Sprachen gibt, in denen Männer und Frauen ins selbe Genus fallen.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Nicht nur in europaeischen Sprachen wird nach Geschlechtern unterschieden. Das gibt es auch in aussereuropaeischen Sprachen.