Warum funktioniert eine Niedrigzinspolitik in der EU aber nicht in der Türkei?

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Hallo,

inwieweit es in der EU wirklich funktioniert ist fraglich.

Das kannst Du an der derzeit hohen Inflation auch in der EU sehen. Denn zentrale Währungen leben ausschließlich vom Vertrauen der Menschen in den Staat und die Zentralbanken. Ob das gerechtfertigt ist kann man schon länger hinterfragen.

Denn schon Jahrzehnte steht ja hinter der Menge frisch gedruckten Geldes kein Gegenwert mehr, wie früher mit den Goldreserven. Es ist "Vertrauensgeld". Und je nach Verantwortlichkeit der Politik und Zentralbanken wird weniger oder mehr nachgedruckt und die Zinsen festgelegt. Das Vertrauen der Welt und damit des Kapitals in die EU Finanzpolitik ist schlicht größer in Euro, als in Lira.

Und das führt zu Finanzströmen des internationalen Kapitals in die Länder, die sowohl eine relative "Sicherheit" als auch eine "Rendite" versprechen können.

Rendite ist ja auch beim Euro schon viele Jahre nicht mehr gegeben, aber Sicherheit im Vergleich zur türkischen Volkswirtschaft und den unvernünftigen Handlungen der türkischen Zentralbank / Erdogan, eben schon. Denn die türkischen Zinsen müssten noch weit höher sein um das Sicherheitsdefizit und die Inflation auszugleichen. 14% Zins interessieren nicht, wenn die Entwertung 50% beträgt. Und die kann nur mit einer Geldverknappung, also Sparpolitik und langfristig berechenbarere Finanzpolitik vermindert werden. Davon ist mit Erdogan nichts zu sehen. So will keiner Lira und alle tauschen in Leitwährungen. Angebot und Nachfrage halt. Lira wird immer billiger, und zunehmend entwertet.

Die Situation in der EU ist nur auf den ersten Blick in Ordnung. Denn auch die EU Zentralbank hat Geld jahrelang zu billig (0-Zins) gemacht und zu viel nachgedruckt.

Wenn weder Sicherheit noch eine, wenn auch risikobehaftetere Verzinsung gegeben ist hat niemand Interesse dort sein Geld anzulegen. Egal, wieviel billiges Geld nachgedruckt wird. Was nützt es dort zu investieren, wenn man davon ausgehen muss, dass der Wert und die Kaufkraft immer geringer wird. Und mehr kostet als der Zins einbringt.

Investoren wägen immer zwischen Sicherheit und Verzinsung ab. So fließt aktuell ziemlich viel Kapital auch aus der EU in den US-Dollar, da dort die Zinsen steigen. Obwohl allein in den letzten 2 Jahren ca. 40% des gesamten US-Dollar Umlaufvermögens einfach mal so gedruckt wurden. Also das Risiko sich erhöht hat.

Die EU wird in 6 Monaten wohl mit Zinserhöhungen folgen. Beim Lira fehlt beides. Sicherheit und Verzinsung. Eine dumme Politik.

Anyway - Zentralbankgeld = Fiatgeld ist mindestens genauso kritisch zu hinterfragen, wie manche Kryptowährungen - siehe die Finanzkrisen. Wobei die dezentrale, für alle zugängliche Konsensstruktur und Wertbestimmung bei Kryptowährungen langfristig trotz noch hoher Volatilität vorteilhaft scheint.

Ich würde jedenfalls trotz der hohen Schwankungen bei Kryptowährungen derzeit eher in hoch kapitalisierte, dezentrale, deflationäre Kryptowährungen mit öffentlichen Blockchains und Konsensalgorithmen, die im Konsenstrilemma ihren Schwerpunkt auf den Sicherheitsaspekt legen, investieren. Z.B. Bitcoin mit Proof of Work. Keinesfalls aber in Lira und auch nur begrenzt in die sogenannten "starken" Zentralbankwährungen, wie Euro, US-Dollar, Yen & Co.. Da ist aus meiner Sicht der nächste Crash absehbar.

Siehe auch Kryptokurzglossar:

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Vielfältiges auch kontroverses Medieninteresse & Studium