War die Hinrichtung Karls I gerechtfertigt?

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Von Experte Neugier4711 bestätigt

Aus heutiger Sicht lässt sich diese Frage nicht abschließend beantworten. Nach damaligem Recht und damaliger Tradition war die Todesstrafe nicht ungewöhnlich, nach unseren heutigen menschenrechtlichen Wertvorstellungen würden wir Hinrichtungen natürlich grundsätzlich ablehnen. Darf man Menschen und Handlungen z. B. des 17. Jahrhunderts nach heutigen Maßstäben beurteilen? Eher nicht.

Hat sich Karl I. Verbrechen schuldig gemacht, die nach den Maßstäben seiner eigenen Zeit die Todesstrafe verdient hätten? Seine Richter scheinen das geglaubt zu haben. Freilich muss man zugestehen, dass Karl als König seine Aufgaben sehr schlecht wahrgenommen hat. Er regierte selbstherrlich, missachtete das Parlament, Parlamentsbeschlüsse, geltendes Recht und brach immer wieder seine Zusagen und Vereinbarungen mit dem Parlament, wie es ihm beliebte. Seine Politik führte zu äußeren und inneren Kriegen. Im Grunde verhielt er sich wie ein selbstherrlicher Tyrann, der nach damaliger politischer Theorie seine Herrschaftsrechte verwirkt hatte. Dies hatte die Absetzung als König zur Folge, nicht aber automatisch eine Todesstrafe. Die damaligen politischen Entscheider hätten sich also theoretisch mit der Absetzung Karls begnügen, ihn in Pension schicken, vielleicht aus dem Lande verbannen können. Denn nach damaligem Staatsrecht war der König als Person eigentlich sakrosankt, er für seine Taten und Untaten nur dem göttlichen Strafgericht verantwortlich. Soweit die Theorie.

In der politischen Praxis aber spielten weitere Überlegungen der regierenden Politiker eine Rolle. Ihre langjährigen Erfahrungen mit Karl führten sie zu dem Entschluss, nicht zu riskieren, dass der König, den sie in die britische Verfassungsordnung mit einem Parlament als wichtigstem politischen Entscheidungsorgan nicht eingliedern zu können meinten, als ständige Bedrohung des Friedens und ihrer politischen Machtstellung am Leben bliebe. Denn Karl hätte immer wieder versuchen können, seine Anhänger zu mobilisieren, um gewaltsam wieder auf den Thron zurückzukehren. Diese Gefahr bestand auch, wenn man den König außer Landes und ins Exil geschafft hätte, denn er hätte versuchen können, die Hilfe ausländischer Mächte zu mobilisieren. Um weitere Gewalt bzw. (Bürger-)Kriege mit den entsprechenden unabsehbaren Folgen vom Land und seinen Bewohnern abzuwenden, natürlich auch, um ihre Machtstellung abzusichern, beschlossen die politisch Verantwortlichen die Hinrichtung des abgesetzten Königs.

Die Frage der Rechtfertigung des Todesurteils muss also abwägen, ob die persönliche Unversehrtheit des Königs höher zu bewerten war als die Sicherheit und die Ruhe des Landes.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.