Blickwechsel 18. Januar 2024
Deine Fragen an einen Misophoniker 🔊
Alles zum Blickwechsel

Wärst du (manchmal) lieber Taub?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hi,

So schlimm Misophonie auch manchmal sein kann, wünsche ich mir nicht und keinem anderen taub zu sein. Dadurch verpasst man wahrscheinlich so viele schöne Momente im Leben. Klar können viele damit glücklicherweise gut umgehen, jedoch finde ich es viel schlimmer als eine ausgeprägte Misophonie.

In machen Situation wünsch ich es aber auch für den Moment.

Andere Betroffene kenn ich durch eine von mir gegründete Selbsthilfegruppe (online), ihnen geht es wohl ähnlich.

Liebe Grüße,

Eric

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Experte + Misophoniker

Doch das wäre nett, wenn man das Gehör bei Bedarf ausschalten könnte. Aus Erfahrung, kann ich dir aber sagen, es hilft nicht. Ganz gleich ob Ohrstöpsel oder Flucht an einen Ort, wo man seinen Frieden hat. Die Gedanken bleiben. Aber das ist im Normalfall ja auch nichts schlimmes und ein wenig Entspannung ist ja durchaus auch hilfreich.

Und ja, man kann tatsächlich mit seinen Gedanken völlig woanders sein, dass man nicht mitbekommt was gerade gesagt wird.

Falls es dich deine Gedanken belasten, wünsche ich dir, dass du findest, was du brauchst.

Nun ich möchte weder schwerhörig, noch taub sein. Und schwerhörig ist definitiv das schlimmste. Gehörlos ist dagegen ganz anders. Als Gehörloser kann man stolz auf die Gehörlosigkeit sein und ein gutes Leben führen. Ich kenne zumindest niemanden bei dem es anders wäre.

Die Probleme liegen aber woanders. Wir haben ein versautes Bildungssystem. Es ist nach wie vor nicht möglich, dass Gebärdensprache als zweite Fremdsprache angeboten wird. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es daher zu wenig Sprecher. Und mal ganz ehrlich. Wer bereits eine Sprache hat muss doch nicht statt einer Zweitsprache auch noch eine Drittsprache lernen und das auch noch als Gehörloser. Der Zugang zu unserem Bildungssystem und zu Berufschancen ist damit verbaut. In Deutschland gibt es genau eine Schule, die ernsthaft bilingual ist. Vielleicht auch noch einige Schulversuche. Aber wie soll man denn an Bildung kommen, wenn die Lehrer nicht in der Muttersprache unterrichten können und der Weg zum Abitur bis auf mehr oder weniger ein Internat nahezu unmöglich ist. Oder ist vielleicht Einzelhaft mit einem Dolmetscher wirkliche Lösung. Natürlich auch nicht, falls man Dolmetscher überhaupt bekommt. Gebärdensprache ist seit 2002 anerkannt, die Länder sind gefolgt. Der Antrag auf Amtssprache ist mit einem billigsten Rechtsgutachten abgeschmettert worden, obwohl doch eigentlich nichts dagegen spricht mal als Deutscher ein Dokument in der eigenen Sprache zu bekommen, die nun einmal keine funktionierende Schriftsprache haben kann. Aber ist das alles eine Anerkennung. Und im wirtschaftlichen Bereich gibt es keine Anerkennung. Das absolute Highligt ist eine Bundesanstalt, an einer lauten Straße als Türklingel ein Ziffernfeld für die Telefonanlage verbaut hat. Würde diese Anstalt nicht für die Umsetzung der Barrierefreiheit zuständig sein, hätte ich auch nichts gesagt. Dann gibt es noch so Scherzkekse, wie die KMK. Die haben tatsächliche einen Lehrplan Deutsche Gebärdensprache für immerhin eine Altersgruppe verabschiedet. Das ist auch sehr sinnig, einen Lehrplan für ein Fach zu machen, das es faktisch nicht gibt und auch nicht eingerichtet wird. Es macht ja auch Sinn Lehrpläne für Fächer, die den Wert wie Kochen und Briefmarkensammeln haben, zu schreiben, statt für eine wissenschaftlich anerkannte vollwertige Sprache im eigenen Land, die auch noch gesetzlich anerkannt ist ein Fach auf mit dem erforderlichen Level und in dem erforderlichen Umfang einzurichten.

Das sind alles nur Kleinigkeiten, die das Leben zur Hölle machen, manchmal nur eines Beschlusses bedürfen und unnötig aus dem eigenen Bildungssystem aussperren, ohne nennenswerte Kosten zu verursachen.