Ist Schach auch teilweise ein Glücksspiel?
Viele sagen Schach ist kein Glücksspiel, andere wiederrum ja, weil der Gegner mehrere verschiedene Entscheidungen treffen kann, wie der nächste Zug verläuft. Was sagen Sie dazu?
28 Stimmen
5 Antworten
Nein. Ein Glücksspiel liegt vor, wenn die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, was beim Schach definitiv nicht der Fall ist. Ob es aber "Glück im Schach" gibt ist eine uralte Diskussion. Einige vertreten den Standpunkt, dass jede und jeder zu 100 % für ihre und seine Züge verantwortlich ist und es selbst in der Hand hat. Andere sagen, dass es schon auch Glück gibt, wenn z.B. in einer sehr schlechten Stellung die Gegenseite einen völlig unerwarteten, groben Fehler macht.
So oder so, ein Glücksspiel ist der Schachsport auf jedenfall nicht!
Nein, weil man selbst vollständig die Kontrolle darüber hat wie gut man spielt, einen Zufallsfaktor gibt es da nicht. Eine gewisse Glückskomponente gibt es aber schon darin, dass man nicht kontrolliert wie gut der Gegner oder die Gegnerin spielt. Fehler werden zum großen Teil dadurch verursacht, dass man selbst Probleme stellt. Auf der anderen Seite kann der Gegner oder die Gegnerin aber auch mal einen schlechten Tag erwischen oder ein Blackout haben, worauf man dann keinen Einfluss hat.
Kommt drauf an, welchen Massstab man wählt. Der einfachste Masstab ist der, nachdem man Glücksspiele von Geschicklichkeitsspielen trennt. Es ist in der Öffentlichkeit wohlbekannt, dass unterschiedlich geschickte Schachspieler existieren. Auf der einen Seite gibt es Grossmeister, die häufig Profis sind und auf der anderen Seite blutige Amateure, die jedes Match gegen einen Grossmeister haushoch verlieren würden. Nach diesem Massstab ist Schach ganz eindeutig ein Geschicklichkeitsspiel und kein Glücksspiel.
Der andere Massstab ist die amtliche Glücksspieldefinition und da ist die Sache nicht ganz so einfach. Diese lautet:
Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb eine Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist...(der Rest beschäftigt sich mit Wetten)
(Definition aus dem derzeit gültigen Glücksspielstaatsvertrag)
Das teilt sich in mehrere Bereiche. Der erste (wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb eine Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird) teilt uns mit, dass es gar nicht um das Spiel geht, sondern um Veranstaltungen. Für Schach wären das z. B. offene Schachturniere. Dort wird für die Teilnahme ein Entgelt verlangt und wenn man gut genug abschneidet, gewinnt man einen Preis.
Der zweite Bereich sind Kriterien, in dem die Einstufung von der Entstehung des Ergebnisses abhängig gemacht wird. Wann hängt die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall ab? Das kann man auch andersrum fragen: wann hängt die Entscheidung nicht vom Zufall ab? Das ist dann und nur dann der Fall, wenn der Ausgang des Ereignisses von vornherein feststeht (so ist das in der Mathematik definiert). Das ist in den Regeln des Schachspiels ausdrücklich verboten. Es wäre Sportbetrug, wenn der Ausgang einer Partie von vornherein feststehen würde. Weil in allen Fällen (100%) der Ausgang einer Partie offen sein muss, können dem Ausgang einer Schachpartie nur Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden, ähnlich wie man das auch bei einem Münzwurf kann. Es spielt dabei keine Rolle, wie diese Wahrscheinlichkeiten verteilt sind. Im Lotto z. B. sind sie auch nicht verteilt wie bei einem Münzwurf, dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass das Ergebnis vom Zufall abhängig ist, weil es nicht von vornherein feststeht. Für Schach gilt, in 100% der Fälle hängt das Ergebnis vom Zufall ab und das ist ganz gewiss weit überwiegend.
Der KO-Schlag kommt aber erst mit dem nächsten Satz: "Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist." "In jedem Fall" heisst, dass es keinerlei Ermessensspielraum gibt. Die Ungewissheit über den Ausgang ist in jedem Fall in jeder Schachpartie vorhanden. Die gilt für jedes Spiel. Es gibt dabei keine Mindestschwelle und keinen Ermessensspielraum. Die Geschicklichkeit spielt offensichtlich keine Rolle.
Falls damit gemeint sein sollte, dass es auf die Existenz eines Zufallsmechanismus ankommt, der das Ergebnis beeinflusst, dann muss man leider sagen, dass solche Zufallsmechanismen im Schach existieren und sie für den Ausgang einer Partie in offenen Schachturnieren ganz massgeblich sind.
Die zeichnen sich praktisch immer dadurch aus, dass es sehr viel mehr Teilnehmer als verfügbare Spielrunden gibt. Die Grenke Open in Karlsruhe z. B. (da wohne ich) haben pro Turnier mehr als 1000 Teilnehmer. Gespielt wird in Turnierbedenkzeit, das heisst, mehrere Stunden pro Teilnehmer und Partie. Eine solche Partie dauert so lange, dass nicht mehr als 2 Partien pro Tag gespielt werden können. Da man das Turnier innerhalb einer Woche zu Ende bringen will, ist jeder gegen jeden ausgeschlossen. Im Grenke Open spielt jeder Teilnehmer 9 Spielrunden, also gegen 9 der übrigen mehr als 1000 Teilnehmer.
Wie wird bestimmt, wer gegen wen spielt? Durch Losverfahren. Das ist ein Zufallsmechanismus. Hat der einen massgeblichen Einfluss auf den Ausgang der Partie? Und ob! Es macht einen Riesenunterschied, ob man einen Grossmeister als Gegner zugelost bekommt oder einen Kreisligaspieler. Man kann getrost sagen, dass der Ausgang dieses Zufallsmechanismus das Ergebnis der Partie überwiegend bestimmt. Und jetzt haben wir die Formulierung "auf jeden Fall".
Ein zweiter Zufallsmechanismus ist, das auch die Farben ausgelost werden, die die Spieler in einer Partie bekommen. Schach ist ein Spiel, in dem zwei Personen gegeneinander spielen. Einer bekommt die weissen Steine, einer die schwarzen. Der Spieler mit den weissen Steinen hat den ersten Zug, danach wird bis zum Ende der Partie abgewechselt. Es ist eine sehr gut gemessene Tatsache, das die weissen Steine einen grossen Vorteil bieten. Weiss gewinnt im Durchschnitt ca. 1/3 mehr Partien als Schwarz. Eine um 1/3 höhere Siegchance ist auf jeden Fall massgeblich, man kann das ja messen (und hat es auch).
Für Schach gilt also: Auf jeden Fall müssten offene Schachturniere amtlich als Glücksspiel eingeordnet werden. Das ist ziemlich offensichtlich absurd, liegt aber an der völlig unzulänglichen Glücksspieldefinition, in der das Wort Geschicklichkeit nicht ein einziges Mal vorkommt. Vielleicht sollte man die endlich mal ändern und sachgerecht machen. Dann gäbe es auch bei Kartenspielen wie Skat oder Poker endlich mehr Klarheit, denn das sind eindeutig ebenfalls Geschicklichkeitsspiele. Das kann man ja messen.
Schach wird amtlich nur deshalb nicht als Glücksspiel gewertet, weil die Innenminister sich beharrlich weigern, Schach der Prüfung durch die Glücksspieldefinition zu unterziehen. Sie möchten wohl vermeiden, dass ihnen dadurch die Glücksspieldefinition widerlegt wird. Oder sie würden sich lächerlich machen, was sie auch vermeiden wollen.
Nein. Da man selbst alles in der Hand hat
Nein. Schach ist kein Glücksspiel.