Höhere Töchterschule. Stundenplan

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Für genaue Angaben kommt es auf Ort und Zeit an. Außerdem gab es Unterschiede nach den Klassenstufen. Die Bezeichnungen von Fächern sind nicht überall immer gleich gewesen.

Eine höhere Töchterschule ist in Deutschland später zum Teil auch Lyzeum genannt worden.

Eine Möglichkeit zum Nachforschen sind Festschriften einzelner Schulen, in denen eventuell etwas die Schuldgeschichte ausführlicher dargelegt ist. Gesucht werden kann auch nach Lehrplänen einzelner Länder (z. B. Preußen oder Württemberg). In einem mehrbändigen Handbuch gibt es zum Thema Informationen und Hinweise.

Erika Küpper, Die höheren Mädchenschulen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band 3: 1800 – 1870 : von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches. Herausgegeben von Karl-Ernst Jeismann und Peter Lundgreen. München : Beck, 1991, S. 228 – 278 S. 180 - 191

S. 180: „In allen deutschen Staaten bestanden, teilweise bereits seit dem 18. Jahrhundert oder noch länger, gesonderte Schulen für Mädchen, die zunächst Töchterschulen, Höhere Töchterschulen, Bürgermädchenschulen, auch Institute, Pensionate oder anders genannt wurden; im folgenden soll zusammenfassend von höheren Mädchenschulen gesprochen werden. Diese Schulen hatten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine ambivalente Stellung innerhalb des Bildungssystems inne. Einerseits waren sie vom Elementarschulwesen deutlich abgehoben. Als Schulen für Mädchen aus mittleren und höheren Sozialschichten hatten sie auf diese Schichten bezogene Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu erfüllen sowie in ihrer Außendarstellung den Abstand zu den Elementarschulen zum Ausdruck zu bringen. Andererseits durften sie als Schulen für Mädchen Bildung – im Vergleich zu den sozial jeweils entsprechenden höheren Knabenschulen - nur eingeschränkt vermitteln; die in diesen Schulen und in Universitäten gelehrte allgemeine höherer Bildung wurde dem weiblichen Geschlecht verwehrt.“

S. 182: „Während um 1820 die Lehrpläne noch stärkere Unterschiede aufwiesen, bildeten in der Mitte des 18. Jahrhunderts folgende Fächer den Kernbestand aller Mädchenschulpläne:

Religion Geschichte Naturkunde/-lehre Gesang

Deutsch Rechnen Zeichnen Handarbeit

Französisch Geographie Schönschreiben“

S. 182 Stundentafel der städtischen höheren Mädchenschule in Magdeburg im Jahr 1819

S. 183 Stundentafel der städtischen höheren Mädchenschule in Magdeburg im Jahr 1861

Bei den neueren/modernen Fremsparchen war Französisch mehr in Stundenplänen vertreten als Englisch.

Marget Kraul, Höhere Mädchenschulen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band 4: 1870 – 1918 : von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Herausgegeben von Christ Berg. München : Beck, 1991, S. 279 – 303 enthält unter anderem Angaben zu Wochenstunden, nach Klasse 1- 9 unterschieden (S. 298)

Höhere Mädchenschulen zu Berlin 1886:

Religion 2 oder 3

Deutsch 9, 5 oder 4

Französisch keine, 5 oder 4

Englisch keine oder 4

Rechnen 3, 4 oder 2

Geschichte keine, 2 oder 4 (zusammen mit Geographie insgesamt)

Geographie keine, 2 oder 4 (zusammen mit Geschichte insgesamt)

Naturbeschreibung und Physik keine oder 2

Singen keine oder 2

Schreiben keine oder 2

Zeichen keine oder 2

Turnen 2

Handarbeiten 2

Höhere Mädchenschulen in Preußen, 1894:

Religion 3 oder 2

Deutsch 10, 9, 8, 5 oder 4

Französisch keine, 5 oder 4

Englisch keine oder 4

Rechnen 3 oder 2

Geschichte keine oder 2

Erdkunde keine oder 2

Naturwissenschaften keine oder 2

Zeichen keine, 2 (zusammen mit Schreiben insgesamt) oder 2

Schreiben keine, 3, 2 oder 2 (zusammen mit Zeichnen insgesamt)

Handarbeiten keine oder 2

Singen 2 (zusammen mit Turnen insgesamt) oder 2

Turnen 2 (zusammen mit Singen insgesamt) 2

Dummie42  28.10.2011, 13:22

Oh, entschuldige. Ich wusste nicht, dass ich hier immer gleich eine Doktorarbeit einreichen muss.

Französisch, Englisch, Geschichte, Erdkunde, Naturwissenschaften... Ja, das klingt ja auf den ersten Blick so, als sei zumindest den höheren Töchtern ein gutes Maß an Bildung zugestanden worden.

"Da die Mädchenbildung keinerlei politische Relevanz besaß, war der Staat auch an jeglicher Reglementierung in diesem Bereich desinteressiert. Er überließ das Feld weiterhin der Privatinitiative, [...]. Die Zurückhaltung des Staates bedetutete zwar ein großes Maß an Freiheit, zugleich aber auch Willkür hinsichtlich der Organisation, der Unterrichtsgegenstände und des Anspruchsniveaus dieser Schulgattung." Blochmann, Maria; Lass dich gelüsten nach der Männer Weisheit und Bildung; Pfaffenweiler 1990.

Die Lehrinnen dieser Schulen, verfügten oft über kaum mehr Schulbildung als ihre Schülerinnen und auch verbindliche Lehrerinnenprüfungen wurden erst 1868 eingeführt. Bei diesen Püfungen wurden Kirchenlieder rezitiert und Gedichte miteinander verglichen. Die Damen waren also hauptsächlich in Bibel, Katechismus und Gesangbuch-Kenntnissen firm.

1872 kam eine Denkschrift des damaligen Unterrichtsministers Falk heraus. In ihr ging es u.a. darum, dass die Mädchenbildung keinen Eigenwert habe, sondern es darum gehe "eine der Geisteshaltung des Mannes in der Allgemeinheit der Art und Interessen ebenbürtige Bildung zu ermöglichen, damit der deutsche Mann nicht durch die Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit seiner Frau am häuslichen Herd gelangweilt werde."

Nachzulesen bei Meyn von Westenholz, Elisiabth; Der allgemeine Deutsche Lehrerinnenverein in der Geschichte der deutschen Mädchenbildung; Berlin 1936.

Dazu kam noch, dass die Lehrinnen ihre Abschlussprüfung schon mit 18 Jahren ablegten. In dem Alter begannen ihre männlichen Kollegen überhaupt erst mit dem Studium.

Wie dem auch sein. Ich war selbst auf einer ehemaligen höheren Töchterschule. Dieses Schule wurde um 1900 eingeweiht und wir haben Anfang der 80er im Rahmen einer Projektwoche mal den Schulalltag der jungen Damen aus der Kaiserzeit rekonstruiert. Gut 50 % des Unterrichts bestanden aus Handarbeit und Hausarbeit. Natürlich wurde auf Religion sehr viel Wert gelegt. Es galt als unverzichtbar, dass die Mädchen ein Instrument gut beherrschten und dazu hübsche Liedchen trällern konnten. Natürlich mussten sie in einer Fremdsprache parlieren können. Naturwissenschaftlicher Unterricht kam so gut wie überhaupt nicht vor, allenfalls in der "Schön, dass wir mal darüber geredet haben"- Form und Rechnen - ich schreibe mit Bedacht nicht Mathematik - nur in sofern, als die Buchhaltung des zukünftigen Haushalts beherrscht werden musste. Natürlich ist deser Unterricht mangelhaft und unvollständig, aber mehr bekamen die Mädchen eben dort nicht geboten.

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