Erklärung von „ Höherentwicklung der Wirbeltiere“?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Frage ist grundlegend falsch gestellt. Leider orientiert sich der Lehrplan in der Schule aber nicht immer am aktuellen Stand der Forschung und für die Biologie gilt das ganz besonders. Das Wissen, das den Schülern bis heute in den Lehrbüchern präsentiert wird, ist schlicht und ergreifend falsch.

Tatsache ist, dass ein Evolutionsbiologe das Wort "Höherentwicklung" nie und nimmer in den Mund nehmen würde, weil es impliziert, dass es in der Evolution einen allgemeinen Entwicklungstrend gäbe. So ist es aber in Wirklichkeit nicht, denn Evolution bedeutet nicht "Höherentwicklung", sondern einfach nur "Entwicklung". Die Evolution kennt keine Trends, sie strebt kein Ziel an und darum ist auch kein Evolutionsweg vorherbestimmt. Einzig die Anpassung der Arten an ihre aktuelle ökologische Nische zum aktuellen Zeitpunkt und zu den aktuellen Umweltbedingungen ist für die Evolution von Bedeutung.

Wir Menschen neigen gern dazu, unsere eigene Spezies als etwas ganz Besonderes zu sehen und rücken sie deshalb in den Mittelpunkt ("Krone der Schöpfung"). Deshalb nehmen wir den Menschen auch als Maßstab dafür, wenn wir entscheiden, ob eine Art "hochentwickelt" oder "primitiv" ist. Wenn wir sagen: "diese Art ist hochentwickelt", meinen wir damit eigentlich: "diese Art ähnelt uns sehr". Deshalb finden wir, dass Primaten hochentwickelte Säugetiere sind und unter ihen sind die Menschenaffen die am höchsten entwickelten. Eine einzellige Amöbe hingegen hat mit einem Menschen nur wenig zu tun und ist deshalb primitiv - obwohl das gar nicht stimmt, denn natürlich ist auch eine "einfache" Amöbe an ihren Lebensraum optimal angepasst, genauso wie ein hochentwickelter Schimpanse oder der Mensch. Evolutionsbiologen sprechen deshalb auch nicht von "primitiven" und "höherentwickelten" Merkmalen, sondern von plesiomorphen (ursprünglichen) und apomorphen (abgeleiteten) Merkmalen.

Der Vergleich der verschiedenen Baupläne der Wirbeltiere kann uns aber trotzdem sehr viel über unsere eigene Evolution erzählen. Und genau das ist eigentlich mit der Aufgabe gemeint. Es geht darum, herauszuarbeiten, wie sich aus "einfachen" fischartigen Wirbeltieren die ersten "fortschrittlicheren" amphibienähnlichen Landwirbeltiere entwickelt haben und wie aus diesen schließlich reptilienartige Landwirbeltiere und dann die "am höchsten entwickelten" Vögel und die Säugetiere hervorgegangen sind. Nur würde ein Evolutionsbiologe das nicht "Höherentwicklung der Wirbeltiere" nennen, sondern "Morphologische Stufenreihe".

Was du zu tun hast, gibt dir die Aufgabe ja schon mit den einzelnen Unterpunkten vor:

  • Schau dir die Baupläne des Atmungssystems, des Herz-Kreislaufsystems und des Nervensystems der verschiedenen Wirbeltiergruppen ("Fische", Amphibien, "Reptilien", Vögel und Säugetiere) an und vergleiche sie miteinander. Bestimmt findest du dazu auch geeignete Abbildungen und Schemata in deinem Biobuch oder online. Verleiche sie dann hinsichtlich ihrer Effizienz, der Vor- und Nachteile und was bei den "höherentwickelten" Gruppen jeweils die evolutiven "Neuerungen" und "Vorteile" gegenüber dem ursprünglicheren Bauplan sind.
  • Verleiche die Wirbeltiergruppen. Das erklärt sich ja von selbst. Am besten, du erstellst dazu eine Tabelle, in der du die verschiedenen Gruppen hinsichtlich der geforderten Merkmale gegenüberstellst. Das ist eine reine Fleißarbeit, die kein Denken voraussetzt. Du musst nur die notwendigen Informationen aus deinem Lehrbuch oder dem Netz herausschreiben und in eine Tabelle packen.
  • Übergang vom Wasser zum Landleben. Bei diesem Punkt geht es darum, zu zeigen, wie sich aus fischartigen Wasserbewohnern landlebende Wirbeltiere entwickelt haben. Überlege dir, welche Voraussetzungen dafür notwendig gewesen sind. Wenn ein Tier an Land leben will, muss es sich an Land fortbewegen können und irgendwie auch atmen können. Tipp: die Evolution ist wie bereits gesagt ein ungerichteter Prozess. Merkmale entstehen deshalb nicht, damit die Nachfahren damit irgendwann einmal etwas tun können. Du musst das Auftreten von Merkmalen deshalb immer zum Entstehungszeitpunkt betrachten, also der Frage nachgehen, was hat die Art zum aktuellen Zeitpunkt davon gehabt? (Um das an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen: Lungen sind für das Atmen an Land eine zwingende Voraussetzung gewesen. Aber sie können, wegen der Ungerichtetheit der Evolution, ja nicht zum Zweck des Landgangs entstanden sein, sondern sie waren eine Voraussetzung (Präadaptation), die den Landgang ermöglicht hat. Wenn du die Evolution der Lungen erklären willst, musst du deshalb der Frage nachgehen: was hat denn der wasserlebende Fisch davon gehabt, dass er Lungen entwickelt hat? Dazu könnte es hilfreich sein, wenn du dich einmal über Lungenfische (Dipnoi) informierst.)
  • Zum Schluss suchst du dir einfach ein Beispiel deiner Wahl aus und erklärst, in welcher Weise die Art an ihre jeweilige Lebensweise angepasst ist. Es ist natürlich dir überlassen, für welche Art du dich da entscheidest. Es sollte aber selbstverständlich ein Wirbeltier sein, denn das Thema deiner Präsentation ist ja schließlich "Evolution der Wirbeltiere". Wenn du dich z. B. für den Löwen entscheidest, benenne und beschreibe die Anpassungen, die für einen Löwen wichtig sind hinsichtlich der Tatsache, dass ein Löwe als Raubtier sich von Fleisch ernährt und seine Beute erlegen können muss. Welche Anpassungen könnte ein Löwe da hinsichtlich seines Verdauungssystems haben? Wie sind seine Sinne beschaffen? Wie kann er die Beute schlagen? Wenn du dir einen Pflanzenfresser aussuchst, z. B. ein Gnu, überlege dir, welche Anpassungen notwendig sind, um die schwer verdauliche Pflanzennahrung zu verdauen, wie man Fleischfressern entkommt usw.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Yohannlol 
Fragesteller
 24.09.2021, 18:23

Danke man, dir sollte man im Leben was zurückgeben! Bin dir dankbar :)

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Deine Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten ^^ Primär weil es keine allgemeingültige Definition von "höher entwickelt" gibt und das Konzept an sich in der Wissenschaft in sehr umstritten ist. Deine Aufgabe ist eigentlich falsch gestellt, ein Fehler deines Lehrers. Als Erklärung:

Prinzipiell ist Evolution schlicht und ergreifend die Veränderung erblicher Eigenschaften über die Generationen hinweg. Manchmal führen diese Veränderungen zu einer Steigerung der Komplexität eines Organismus. Beispielsweise sind Menschen "komplexer" als einfache Bakterien. Unsere Zellen sind größer und komplexer, sie haben mehr Organellen, unser Genom ist größer und wir als kompletter Organismus bestehen aus unzähligen verschiedenen Zelltypen und Geweben welche auf viele verschiedene Arten zusammenarbeiten und kommunizieren.

Menschen machen nun oft den Fehler diese Steigerung in Komplexität mit einer "höheren" Entwicklungsstufe gleichzusetzen. Aber Evolution kennt keine "Stufen", sie hat kein Ziel und stellt auch kein Ranking auf. Höhere Komplexität kann sowohl Vorteil als auch Nachteil sein. Einige der evolutionär erfolgreichsten Organismen sind weitaus weniger komplex als unsere Spezies.

Aber jetzt zu dem was dein Lehrer wahrscheinlich hören will:

Merkmale der Höherentwicklung: Hier will dein Lehrer wahrscheinlich eine Sammlung von Eigenschaften, Organsystemen und Co. welche einen "höherentwickelten" Organismus ausmachen. In seinen Augen scheinbar Strukturen wie unser Nervensystem und die Lunge. Andere klassische Beispiele wären wohl das Auge, das Herz, etc. Vielleicht könntest du dir hier ein, zwei Strukturen aussuchen und erklären wie sie entstanden sind und welche Funktion sie haben?

Vergleich der Wirbeltiergruppen. Das sollte recht einfach sein, es gibt 5 Gruppen: Fische, Amphibien, Reptilien sowie Vögel und Säugetiere. Bei einigen kommt es zu innerer Befruchtung, bei anderen extern, einige legen Eier, einige nicht, einige haben Fell, einige Federn, einige Schuppen, etc.. Ich denke hier reicht es wenn du einfach vergleichst was die einzelnen Gruppe unterscheidet.

Übergang von Wasser zu Landleben: Alles Leben began im Wasser. Dort entwickelten sich auch die ersten Wirbeltiere. Doch letztlich eroberten diese auch das Land. Hier solltest du erklären wie diese Tiere das erreichten. Wie genau wurde aus einem Wassertier ein Landlebewesen. Dabei solltest du Fragen beantworten wie "Wie wurden aus Flossen Beine?" oder "Wie entwickelten sich die Lungen?". Ein guter Einstieg:

https://evolutionsweg.de/landgang-der-wirbeltiere/

Angepasstheit an einen Lebensraum: Zahlreiche Lebewesen sind sehr an einen speziellen Lebensraum angepasst. Beispielsweise Eisbären, welche mit ihrem weißen Fell und ihrerer Resistenz gegenüber Kälte perfekt an ein Leben im ewigen Eis angepasst sind. Hier musst du dir wohl einfach ein Tier aussuchen und erklären welche Eigenschaften es hat um in seinem spezifischen Lebensraum erfolgreich zu sein.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Wissenschaftler/Molekularbiologe
Yohannlol 
Fragesteller
 24.09.2021, 18:24

Echt lieben Dank für deine Hilfe, wünsche dir viel Gesundheit :)

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