Die maximale Eigenzeit?

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Eine sehr gute Frage, wie ich finde. Erstmal noch als einführende Erklärung:

Ein Körper bewegt sich in der Allgemeinen Relativitätstheorie immer auf Bahnen, welche die eigene Zeit maximieren. Ein Beispiel: Ein Körper befindet sich zum Zeitpunkt t0 am Ort A und soll sich zum Zeitpunkt t1 am Ort B befinden. Beide Orte A und B liegen auf gleicher Höhe in einem Gravitationspotential, welches mit zunehmender Höhe abnimmt. Der Körper hat nun (t2-t1) Zeit (gemessen in dem Ruhesystem von A und B) sich von A nach B zu bewegen. Wie er das macht, ist erstmal ihm selbst überlassen, solange der die beiden Randbedingungen (A,t0) und (B,t1) im Ruhesystem erfüllt.

Der Ball führt nun eine Uhr mit sich, welche wir bei dem Ereignis (A,t0) starten und bei (B,t1) wieder stoppen. Die Eigenzeit, welche diese Stoppuhr bei Ankunft anzeigt, muss nun nicht identisch mit (t2-t1) sein, weil die Zeiten in der Relativitätstheorie eben relativ sind. Eine bewegte Uhr geht, gemäß der speziellen Relativitätstheorie, langsamer, ebenso wie in der Allgemeinen Relativitätstheorie die Zeit in der Nähe eines (stärkeren) Gravitationspotential, wie z. B. in der Nähe eines schwarzen Loches, sich verlangsamt.

Der Körper bewegt sich nun so, dass bei Ankunft die auf seiner Uhr angezeigte Zeit maximiert wird. Es gibt nun zwei entgegen gesetzte Effekte. Einerseits möchte der Körper möglichst viel Zeit in größerer Höhe, also in höherem Gravitationspotential, verbringen, da dort die Zeit für ihn schneller vergeht, andererseits muss er, um große Höhen zu erreichen, seine Bahnkurve mit höherer Geschwindigkeit durchlaufen (da er dadurch auch einen größeren Weg zurücklegen muss und die Randbedingungen fest sind). Diese höhere Geschwindigkeit verringert aber seine Eigenzeit. Aus diesem Grund wird der Körper mit anfänglich großer Geschwindigkeit aufsteigen, in großer Höhe sich nur langsam bewegen (um möglichst viel Zeit dort zu verbringen), um dann wieder mit höherer Geschwindigkeit Richtung B zu fallen. Man erhält als Lösung die bekannte Wurfparabel.

Warum fällt der Ball nun aber in seinem höchsten Punkt wieder nach unten, wenn dort für ihn die Zeit doch am schnellsten vergeht? In dem obigen Beispiel ist dies ganz einfach. Er fällt nach unten, weil er die Randbedingung (B,t1) im Ruhesystem erfüllen muss. Er hat also gar keine andere Wahl und wird dazu gezwungen.

Das Prinzip der maximierten Eigenzeit gibt dir nur die Bewegung zwischen den Randbedingungen wieder. Wie diese Randbedingungen auszusehen haben legt es nicht fest. Wie soll ein Körper lokal aber diese Randbedingungen spüren? Nun, die Gleichungen in der Physik lassen sich oft äquivalent in integraler und differentieller Form wiedergeben und ineinander umformen. Während die integrale Form die Randbedingungen berücksichtigt, so beschreiben die differentiellen Gleichungen diese lokal. Die Randbedingungen stecken also auch an jedem Ort.

Stell dir nun das Gravitationspotential um den Körper am höchsten Punkt vor. Es ist nicht homogen, sondern es liegt ein Gradient, also ein mit der Höhe veränderliches Potential, vor (die Gravitationskraft ist nur der negative Gradient des Potentials). Diesen Gradienten spürt der Körper (man könnte sich analog auch unterschiedliche Krümmungen der Raumzeit vorstellen). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Körper seinen (räumlichen) Zustand nun in einen anderen Zustand ändert hängt stark mit dem Potential bzw. der Krümmung der Raumzeit zusammen.

Die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Zustand in einen anderen mit niedrigerem Potential ist einfacher größer als in einen Zustand mit höherem. Natürlich kann auch mal ein Sprung nach oben stattfinden, aber über sehr viele solcher "Sprünge" setzt sich die höhere Wahrscheinlichkeit durch und der Körper fällt. Man kann sich das als einen Random Walk mit speziellen Gewichtungen vorstellen.


mrmeeseeks8  29.06.2019, 10:52

*in einem Gravitationspotential, welches mit zunehmender Höhe zunimmt.

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Fragesteller
 29.06.2019, 14:46

Also ist die Bedingung, dass er an EIMEM Zeitpunkt oben ankommen muss und nicht dort bleiben darf, weil es dann nicht ein Zeitpunkt ist?

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mrmeeseeks8  29.06.2019, 15:20
@WissenVerstehen

Also dass der Körper zu einem bestimmten Zeitpunkt oben ankommt kann schon eine solche Randbedingung sein. Die Bedingung, dass ein Körper im reinen Gravitationspotential für immer an einem Punkt bleibt gibt es hingegen nicht. Ein Körper läuft in der Newton Näherung für die Gravitation z. B. immer auf Parabeln, Kreisen, Ellipsen oder Hyperbeln.

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WissenVerstehen 
Fragesteller
 29.06.2019, 18:15
@mrmeeseeks8

Eine Frage hätte ich dann noch. Wieso läuft die Bahn, wenn der Gegenstand ruht, immer nach unten?

Liegt das daran, dass man Energie braucht, um sich von einer Raumzeitkrümmung zu entfernen?

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WissenVerstehen 
Fragesteller
 29.06.2019, 19:33
@WissenVerstehen

Ich glaube ich konnte meine Frage mir gerade selbst beantworten:

Wenn der Gegenstand frei herumliegt, ist sein vertikales v = 0, folglich hat er somit seinen höchsten Punkt in der Flugkurve erreicht und möchte seiner Bahn nach untern hin folgen

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mrmeeseeks8  29.06.2019, 19:36
@WissenVerstehen

Du stellst echt gute Fragen :). Jetzt musste ich selbst kurz recherchieren, da Allgemeine Relativitätstheorie auch nicht mein Spezialgebiet ist. Ich kann deswegen jetzt auch keine 100-prozentige Garantie auf die Richtigkeit meiner Antwort geben.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie stellt die Gravitation keine Kraft dar, sondern der Energie-Impuls-Tensor (vornehmlich die Masse von Körpern) krümmt die Raumzeit bzw. eine Krümmung der Raumzeit entspricht diesem. Zwei Körper ziehen sich deswegen auch nicht gegenseitig an, sondern sie bewegen sich immer entlang von Geodäten (den kürzesten Verbindungen in der Raumzeit; ähnlich wie Geraden im euklidischen Raum) in der gekrümmten Raumzeit. Ein Körper im Gravitationsfeld wird nun nicht durch die Gravitation der größeren Masse angezogen, sondern die Geodäten beider Körper bewegen sich einfach aufeinander zu.

Stell dir die Erdkugel vor. Wir beide starten am Äquator an verschiedenen Längenkreisen und bewegen uns unabhängig voneinander (also ohne anziehende Kraft) Richtung Norden. Zu Beginn verlaufen unsere Bewegungen noch parallel, am Ende aber ist unser Abstand gleich Null geworden. Wieso? Weil wir uns von unserem Startpunkt aus auf Geodäten Richtung Norden bewegt haben und in einer gekrümmten Raumzeit diese zwar zu Beginn parallel waren, dann aber aufeinander zugelaufen sind.

In einer flachen Raumzeit, ohne Gravitation, würden zwei relativ zueinander ruhende Körper (durch die Relativität können wir uns die Körper als ruhend oder mit konstanter Geschwindigkeit bewegt vorstellen) ihren Abstand beibehalten, da ihre Geodäten stets parallel verlaufen würden. Erst die Krümmung der Raumzeit bewirkt, dass die Geodäten aufeinander zulaufen. Selbst ruhende Körper bewegen sich in der Raumzeit entlang der Zeitachse nach vorne.

(Ich würde es mir wohl so vorstellen, dass sich ruhende Körper ohne Gravitation entlang der Zeitachse auf einer Geodäte in der Raumzeit vorwärts bewegen und die Gravitation dann durch Krümmung der Raumzeit die Bewegungen entlang der Zeitachse etwas in Bewegungen entlang der Raumachsen verbiegt, welche dann aufeinander zulaufen. Ein ruhender Körper möchte sich eigentlich nur in der Zeit nach vorne bewegen, aber die Masse der Erde krümmt die Raumzeit, wodurch die zeitartige Bewegung einen räumlichen Anteil gewinnt und der Körper so Richtung Erde fällt.)

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SlowPhil  10.08.2019, 07:09
@mrmeeseeks8
Ein Körper im Gravitationsfeld wird nun nicht durch die Gravitation der größeren Masse angezogen, sondern die Geodäten beider Körper bewegen sich einfach aufeinander zu.

Das ist aus meiner Sicht keine Alternative, sondern zwei unterschiedliche Beschreibungen. ein und desselben Phänomens „Gravitation“.

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mrmeeseeks8  10.08.2019, 07:28
@SlowPhil

Das sollte eben den Unterschied zwischen Gravitation (im Sinne der ART) und anderen Kräften entsprechend hervorheben, weil hier die Krümmung der Raumzeit die Bewegung verursacht und nicht der Austausch von (virtuellen) Bosonen.

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Ich glaube, du verwechselst "minimal" und "maximal". Die Eigenzeit wird nach dem Prinzip kleinster Wirkung auf der tatsächlich realisierten Bahn minimal, nicht maximal.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterabschluss Theoretische Physik

mrmeeseeks8  29.06.2019, 09:48

Nein, die Eigenzeit wird tatsächlich (lokal) maximiert. Siehe dazu z. B. Feynman Lectures, Band II, Abschnitt 42-9. Mit diesem Prinzip lassen sich aus der Relativitätstheorie die Newton'schen Bewegungsgleichungen herleiten, zumindest für niedrige Geschwindigkeiten.

http://www.feynmanlectures.caltech.edu/II_42.html

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