"Das Altertum hat schon früher immer göttliches und menschliches verbunden und damit die Anfänge der Stadt geehrt sagte Livius. Was meint er damit?

2 Antworten

Der Sage nach ist der Stadtgründer Romulus aus einer Verbindung des Gottes Mars mit Rhea Silvia hervorgegangen.

Durch diesen "göttlichen" Ursprung bekommt die Stadt Rom von Anfang an einen hohen Status.

Das Verb »ehren« (in der Frage steht „geehrt“) bedeutet: eine Wertschätzung erweisen, eine Auszeichnung geben, einen hohen Rang verleihen.

Gemeint ist: In der römischen Frühzeit, die ganze alte Zeit (das Altertum) hindurch (»alt«/»Altertum«ist von der Gegenwart her zu verstehen, in der Livius lebte, als davon sehr lange Zeit zurückliegend) ist die menschliche Geschichte als mit einer Beteiligung von Gottheiten (die zumindest teilweise auch in das Geschehen auch eingreifen) verbunden dargestellt worden. Solche Erzählungen haben die Anfänge/Ursprünge der Stadt Rom geehrt, indem sie durch Billigung, Beteiligung und Unterstützung von Gottheiten ausgezeichnet ist. Dies verleiht ihr einen besonders hohen Rang.

Durch eine besondere Gründungssage konnte sich eine Stadt verherrlichen und Glanz verschaffen. In der Antike verbanden die Menschen die Gründung ihrer Stadt gerne mit Göttern und Heroen (Helden).

Ein Bezug zu Gottheiten, die ja in religiöser Betrachtung höhere Wesen sind, war ehrenvoll. Eine Gründungssage konnte darstellen, die eigene Stadt genieße göttliche Gunst. Eine Berufung auf göttliche Pläne konnte eine herausragende Stellung der Stadt zu legitimieren versuchen.

Der Sage nach ist die Stadt Rom von den Zwillingsbrüdern Romulus und Remus gegründet worden, die vom Gott Mars und der Königstochter und Vestalin Rhea Silvia abstammen.

In der Vorrede (praefatio) seines Geschichtswerkes nennt und begründet der römische Geschichtsschreiber Livius sein Thema, erörtert Ziele und Nutzen der Geschichtsschreibung und legt sein Bild vom Verlauf der Geschichte und der in ihr wirkenden Kräfte vor. Seine Absicht (Intention) ist vor allem moralisch und didaktisch (belehrend).

Livius beabsichtigt die römische Geschichte von der Gründung Roms bis zur Gegenwart darzustellen. Er erwähnt eine eigene Unsicherheit, ob sich die Mühe lohnen wird und ob er Anerkennung und Ruhm ernten wird. Gründe für mögliche Zweifel sind 1) eine große Menge an Geschichtschreibern als Vorgänger, 2) der riesige Umfang des Stoffes, 3) ein eher auf die Gegenwart gerichtetes Leseinteresse der meisten Menschen.

Für Livius ist aber die Zuwendung zur Vergangenheit (römische Frühzeit) eine angenehme und erbauliche Befreiung von Beunruhigung und Sorgen der Gegenwart, die zu einem Abweichen von der Wahrheit führen könnten. Er hat Vorbehalte gegen die Echtheit der göttlichen Ursprünge in dichterischen Erzählungen, erklärt aber ein verklärtes Bild für erlaubt.

Titus Livius, Ab urbe condita, Praefatio 6 – 8:

Quae ante conditam condendamve urbem poeticis magis decora fabulis quam incorruptis rerum gestarum monumentis traduntur, ea nec adfirmare nec refellere in animo est. Datur haec venia antiquitati ut miscendo humana divinis primordia urbium augustiora faciat; et si cui populo licere oportet consecrare origines suas et ad deos referre auctores, ea belli gloria est populo Romano ut cum suum conditorisque sui parentem Martem potissimum ferat, tam et hoc gentes humanae patiantur aequo animo quam imperium patiuntur.

„Was vor der Gründung der Stadt oder dem Plan der Stadtgründung mehr mit dichterischen Fabeln ausgeschmückt als mit unverfälschten Andenken an die geschichtlichen Ereignisse überliefert wird, will ich weder bestätigen noch zurückweisen/widerlegen. Diese Nachsicht wird der alten Zeit gegeben, die menschlichen Anfänge der Stadt durch Vermischung mit dem Göttlichen erhabener zu machen; und wenn es irgendeinem Volk erlaubt gehört, seine Ursprünge zu heiligen/göttliche Weihen zu geben und auf die Götter als Urheber zurückzuführen, gehört dem römischen Volk ein solcher Kriegsruhm, daß die Menschenvölker, weil es vornehmlich Mars als seinen und den Vater seines Gründers angibt, auch das mit Gleichmut ertragen, so wie sie die Herrschaft ertragen.“

Gottheiten sind nach (dichterischen) Erzählungen Vorfahren von Herrschern. Sie gehören nach solchen Erzählungen zu den Ahnen der Römer. Rom genießt göttliche Gunst. Die Ursprünge Roms werden in der Sage auf troianische Flüchtlinge unter Führung des Aeneas (griechische Schreibweise: Aineias) zurückgeführt. Aeneas war nach der Mythologie Sohn des Göttin Venus (griechisch: Aphrodite) und des Anchises (aus einer Linie der troianischen Königsfamilie). Nicht alle Römer stammten nach der Überlieferung direkt von Aeneas ab. Aber Gaius Iulius Caesar führte beispielsweise die Herkunft seiner Familie auf ihn zurück, als Nachfahren von Iulus = Ascanius (Askanios), den Sohn des Aeneas.

Der Dichter Vergil (ein Zeitgenosse des Geschichtsschreibers Livius) hat in seinem Epos »Aeneis« eine Darstellung gegeben. Roms Gründung liegt danach in einem göttlichen Plan, ist Bestimmung des Schicksals.

Der römische Kriegsgott Mars (griechisch Ares) soll mit Rea Silvia, der Tochter des von seinem Bruder Amulius vom Thron gestoßenen Königs Numitor, die Zwillinge Romulus und Remus gezeugt haben. Der Sage nach wurden sie ausgesetzt und eine Weile von einer Wölfin gesäugt, gründeten später die Stadt Rom (die gängigste Datierung der Antike nahm als Datum 753 v. Chr. an). Romulus ist angeblich am Ende zu den Göttern entrückt worden, er wurde mit dem Gott Quirinus gleichgesetzt.

Nach einer Sage pflegte sich der zweite König Roms, Numa Pompilius, mit seiner göttlichen Ehefrau oder Beraterin, der Nymphe Egeria, außerhalb der Porta Capena im Hain der Camenae zu treffen. Numa soll auch nach einer Erzählung die Waldgötter Faunus und Picus gefangen und um Hilfe bei einem Entsühnungsritus gebeten haben, Dies ermöglichte ihm, den Gott Iuppiter anzurufen und mit diesem eine Vereinbarung zu treffen. Als weiteren Beweis seiner Gunst soll Iuppiter einen geheimnisvollen Schild (ancile) vom Himmel fallen gelassen haben.