Wir waren so schnell

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Lieber Absender,

Ein einzelner Pfannkuchen – kalt, zerknittert, auf einem Plastikteller – lag auf dem Beifahrersitz, als Tante Marianne zum dritten Mal versuchte, rückwärts in die Einfahrt zu fahren. Niemand sprach darüber, aber alle wussten: Dieser Pfannkuchen war nicht zufällig dort. Er war ein stiller Zeuge der Nacht, in der Onkel Rolf beschlossen hatte, seine Erinnerungen in Ahornsirup zu ertränken.

Die Familie saß versammelt, nicht wegen eines Festes, sondern wegen des verschwundenen Gartenzwergs „Horst“. Oma behauptete, er sei gegangen, weil er sich ungeliebt fühlte. Der Neffe, der eigentlich nur zum WLAN-Nutzen gekommen war, begann plötzlich, Gedichte über verlorene Keramik zu rezitieren. Dabei trug er den Bademantel des Vaters, der wiederum barfuß im Garten stand und mit einem Besen die Wolken zu vertreiben versuchte.

Es wurde still, als die Katze auf den Tisch sprang und eine Olive in den Mund des schlafenden Opas legte. Niemand wagte zu fragen, warum. Vielleicht war es ein Ritual. Vielleicht war es Liebe.

Und während die Pfannkuchen langsam trockneten und der Gartenzwerg nie zurückkehrte, begriffen wir: Manchmal ist das Leben ein Frühstück, das nie serviert wurde – und wir sind nur Gäste, die hoffen, dass jemand die Kaffeemaschine anschaltet.

Mit nachdenklichen Grüßen

Ein Teller, der zu viel gesehen hat.


Lieber Absender,

vielen Dank für den virtuos präsentierten Teller Spaghetti. Leckere Dinger, das.

Leider ist meine Portion so groß und die Nudeln sind so lang, daß ich mich oft daran verschlucke.

Und dann hängt mir ein Klumpen verworrener Fäden am Kinn. Manchmal weiß ich nicht wohin damit. Abbeißen?Abwarten, bis der Husten weg ist und einfach schlucken?

So manches Nüdelchen blieb mir schon im Halse stecken.

Trotzdem genieße ich weiter diese wunderbare Komposition aus Hartweizen und Wasser. Verfeinert mit allerlei köstlichen Zutaten. Manchmal ein bitteres Gewürz, daß sich den Weg zum Gaumen bahnt, oft ein süßer Geschmack von reifen Tomaten, manche vielleicht ein wenig angedetscht und faulig, und doch nicht den Genuß störend.

Neben meinem Teller habe ich auch allerlei aromatische Kräuter stehen, damit ich notfalls mal nachwürzen kann, wenn es zu fad' wird. Und ein Glas Ayran oder Lassi, um die Schärfe herauszunehmen, wenn mal wieder die Hand ausgerutscht ist und zuviel Chili an die Sauce geraten.

Fragen kommen auf :

Soll ich weiter Spaghetti verspeisen, oder lieber mal die Lasagne probieren? Eine Pizza wäre toll. Oder doch das Schnitzel vom Nachbartisch? Nein, ein Couscous mit viel Kichererbsen und Gemüse...

Zwischendurch mal ein paar Früchte? Oder lieber eine dicke Portion gemischtes Eis?

Trinke ich lieber Wasser, Wein oder Bier dazu? Ne Cola?

Und wenn es zuviel wird? Kotzen oder Schnaps trinken? Etwas Laudanum zur Verdauung?

Habt ihr auch schon mal einen Spaghetto dort gefunden, wo er nicht hingehört? Ich habe mal geniest und konnte mir dann die Nudel durch die Nase herausziehen. Seltsame Wege gehwn die Pasta...

So. Nun werde ich mal weiter diese etwas schwer verdauliche Kost verschlingen. Mich ihr widmen mit voller Aufmerksamkeit und Genuß .

Auf daß sich niemand den Magen verderben möge ☝🏼

Mit feurig würzigen Grüßen

Die DickeEnte

Ein Palimpsest aus Geräuschruinen – dort, wo die Ontologie der Spätzle im Ephemeren zerschellt. Die Kakophonie der Uhren tropft in ein Amphigorieglas, und das Resultat riecht nach nassem Baryt.

Der Großvater, halb Somnambule, halb Kymograph, rezitiert währenddessen ein Traktat über die Parallaxe der Schmetterlingssohlen. Seine Stimme schwankt zwischen Lethargie und Ekstase, ein Antinomie-Gewitter im Brustkorb, das sich weigert, kohärent zu sein. Er trägt in den Taschen: ein Obolus für den Hyperraum, ein funktionsloses Kaleidoskop und die Chiffren einer längst entgleisten Lithographie.

Abstruser noch wird es, als der Cousin den Versuch unternimmt, dem Ficus lyrata eine Epiphanie einzupflanzen. Er wässert mit Metaphern, düngt mit Paradoxien, doch der Baum antwortet nur mit einem leisen Psithurismus, als würde er das Unaussprechliche rückwärts buchstabieren.

Indessen erleidet der Teppich einen epileptiformen Ausbruch von Polyphonie und verlässt in orchestraler Gravität den Raum. Aus den Steckdosen quillt Melancholie in Form von obskuren Monogrammen, während die Tapete oszilliert zwischen Chrysostomos und Melusine.

Vielleicht zeigt uns diese Szenerie – oder gerade nicht –, dass jede Ontologie in einer Amphigorie endet, und dass das Leben, wenn es überhaupt schmeckt, wie eine Anemone aus Zinn klingt.