Wer sind Daedalus' Eltern?

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In antiken Texten stehen unterschiedliche Angaben, wer Vater und Mutter des mythischen Handwerkers, Bildhauers und Erfinders Daidalos (griechisch: Δαίδαλος; lateinisch: Daedalus) gewesen sind.

Übereinstimmung besteht in den verschiedenen Fassungen darin, dass Daidalos in direkter Linie von Erechtheus (griechisch: Ἐρεχθεύς; lateinisch: Erechtheus) abstammt, einem mythischen König von Athen.

Eine Vermutung zu den Abweichungen ist, Theseus habe chronologisch plausibel eingepasst werden sollen und daher sei es zu Einschiebungen in den Stammbaum der Erechtheus-Nachfahren gekommen, weil Daidalos bei einem gleichzeitigem Aufenthalt beider auf Kreta nur knapp 1 Generation älter als Theseus sein kann und daher mehrere Generationen zwischen Daidalos und Erechtheus liegen müssen.

Als Vater des Daidalos werden angegeben:

1) Metion (griechisch: Μητίων; lateinisch: Metion)

Pherekydes FGrHist 3 F 146

Apollodor(os), Bibliotheke 3, 214

Platon, Ion 533 a

Diodoros, Bibliotheke historike (Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 4, 76, 1 (dabei Metion Sohn des Eupalamos und Enkel des Erechtheus)

2) Eupalamos (griechisch: Εὐπάλαμος; lateinisch: Eupalamus)

Bakchylides 26, 5 - 7

Hyginus, Fabulae 39; 244; 274 (dort in den Handschriften fehlerhaft, als ob der Name Euphemos [griechisch: Εὔφημος; lateinisch: Euphemus] ist)

Scholion zu Platon, Politeia 529 e

Scholion zu Platon, Alkibiades I 121a

Servius zu Vergil, Aeneis 6, 14

Suda s. v. Πέρδικος ἱερόν

Tzetztes, Chiliades 1, 493 – 500; 11, 877

3) Palamaon (griechisch: Παλαμάων; lateinisch: Palamaon)

Pausanias 9, 3, 2

Als Mutter des Daidalos werden angegeben:

1) Alkippe (griechisch: Ἀλκίππη; lateinisch: Alcippe)

Apollodor(os), Bibliotheke 3, 214

Scholion zu Platon, Alkibiades I 121a

2) Iphinoë (griechisch: Ἰφινόη; lateinisch: Iphinoa)

Pherekydes FGrHist 3 F 146

3) Metiadousa/Metiadusa (griechisch: Μητιάδουσα; lateinisch: Metiadusa)

Tzetztes, Chiliades 11, 884

4) Phrasimede (griechisch: Φρασιμήδη; lateinisch: Phrasimede)

Scholion zu Platon, Politeia 529 e

5) Merope (griechisch: Μερόπη; lateinisch: Merope), Tochter des Erechtheus

Plutarch, Theseus 19, 5

Geschwister

Daidalos hat nach Erzählungenn eine Schwester, dessen Sohn (seinen Neffen) namens Perdix (griechisch: Πέρδιξ; lateinisch: Perdix), Talos (griechisch: Τάλως; lateinisch: Talus) oder Kalos (griechisch: Kάλως; lateinisch: Calus) er tötet.

Die meisten Autoren geben keinen Namen der Schwester an. Nach Apollodor(os), Bibliotheke 3, 214 und Suda s. v. Πέρδικος ἱερόν heißt sie Perdix (griechisch: Πέρδιξ; lateinisch: Perdix). Dies könnte auf einer irrigen Namensübertragung beruhen. Πέρδιξ bedeutet »Rebhuhn«, das Wort dafür ist in der altgriechischen Sprache Femininum (mit Artikel: ἡ πέρδιξ).

Apollodor, Bibliotheke : Götter- und Heldensagen. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 2005 (Sammlung Tusculum), S. 235 (Apollodoros, Bibliotheke 3, 214):

„Errichtet aber hatte es Daidalos, der Sohn des Metion und der Alkippe; dieser war der beste Baumeister und der erste Erfinder von Bildsäulen.“

Platon, Ion oder Über die Ilias : Übersetzung und Kommentar von Ernst Heitsch. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2017 (Platon, Werke : Übersetzung und Kommentar. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz herausgegeben von Ernst Heitsch, Carl Werner Müller und Kurt Sier. Band VII 3), S. 14 (Platon, Ion 533 a – b):

„Und ferner: In der Bildhauerei, hast du da schon einmal jemanden erlebt, der einzig und allein über Daidalos, den Sohn des Metion, oder Epeios, den Sohn des Panopeus, oder Theodoros aus Samos oder sonst einen Bildhauer ausführen kann, was er gut geschaffen hat, vor den Werken der anderen Bildhauer aber in Verlegenheit gerät, einschläft und nichts zu sagen hat?“

Diodoros, Griechische Weltgeschichte. Buch 1/10. Übersetzt von Gerhard Wirth (Buch I - III) und Otto Veh (Buch IV - X). Eingeleitet und kommentiert von Thomas Nothers. Teil 2. Stuttgart : Hiersemann, 1993 (Bbliothek der griechischen Literatur ; Band 35), S. 419 (Diodoros, Bibliotheke historike 4, 76, 1):

„(1) Daidalos war seiner Herkunft nach Athener und zwar einer aus dem Geschlecht der sogenannten Erechthiden, der Sohn des Eupalamos, der selbst von Erechtheus stammte.“

Diodor's von Sizilien historische Bibliothek. Übersetzt von Julius Friedrich Wurm.Erste Abteilung, Erstes Bändchen. Stuttgart : Metzler. 1827 (Griechische Prosaiker in neuen Uebersetzungen ; Band 20), S. 475 (Diodoros, Bibliotheke historike 4, 76, 1):

„Dädalus war von Geburt ein Athener und gehörte zu den sogenannten Erechthiden. Er war nämlich ein Sohn des Metion, Enkel des Eupalamus und Urenkel des Erechtheus.“

Die Lieder des Bakchylides. Teil 2: Die Dithyramben und Fragmente : Text, Übersetzung und Kommentar von Herwig Maehler. Leiden : Brill, 1997 (Mnemosyne. Supplementum ; 167), S. 45 (Bakchylides 26, 5 - 13):

„Dem Sohn des Eupalamos, der Baumeister kundigstem, Daidalos, entdeckte sie (ihr unerträgliches?) Leiden: sie (nahm ihm) vertrauenswürdige Eide (ab) und hiess ihn verfertigen (eine hölzerne Kuh, auf dass) sie ihren Leib vereinige mit des Stieres (Kraft ?), verbergend (vor ? ihrem) Gatten (?), Minos, dem Bogenbezwinger, dem Heerführer der Knossier.“

Plutarch, Große Griechen und Römer. Eingeleitet und übersetzt von Konrat Ziegler. Band 1. Zürich ; Stuttgart : Artemis-Verlag, 1954 (Die Bibliothek der alten Welt : Griechische Reihe), S. 56 (Plutrach, Theseus 19, 5):

„Als darauf sein Sohn Deukalion in kriegerischer Absicht zu den Athenern sandte mit der Forderung, ihm Daidalos auszuliefern, oder aber die Kinder, die Minos als Geiseln erhalten hatte, zu töten drohte, erteilte hierauf Theseus eine entgegenkommende Antwort und bat Daidalos als seinen Verwandten frei, zumal er ja auch als Sohn der Merope, der Tochter des Erechtheus, mit dem Geschlecht des Deukalion verbunden sei.“

Hyginus, Fabulae : eine Reise durch die wundersame Welt der griechischen Mythologie. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Lucius Annaeus Senecio. 3., durchgesehene und verbesserte Auflage. Berlin : AD FONTES, 2017 (Lateinische Klassiker), S. 123 (Hyginus, Fabulae 39):

„Daidalos, des Eupalamos Sohn, welcher seine Kunstfertigkeit von Athene erhalten haben soll, stürzte seinen Perdix, seiner Schwester Sohn, aus Neid auf dessen Geschicklichkeit, weil jener die erste Säge erfunden hatte, von Firste des Daches. Dieses Verbrechens wegen ging er von Athen nach Kreta zu König Minos ins Exil“

Hyginus, Fabulae = Sagen der Antike. Ausgewählt und übersetzt von Franz Peter Waiblinger. 1. Auflage. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 2007 (dtv ; 9467 : dtv zweisprachig : A), S. 53 (Hyginus, Fabulae 39):

„Dädalus, der Sohn des Eupalamos, soll sein handwerkliches Geschick von Athene erhalten haben; er warf Perdix, den Sohn seiner Schwester, aus Neid auf seine Kunstfertigkeit - er hatte die Säge erfunden - vom Dachfirst hinab. Wegen dieses Verbrechens ging er von Athen nach Kreta zu König Minos in die Verbannung.“

Pausanias, Reisen in Griechenland : Gesamtausgabe in drei Bänden. Auf Grund der kommentierten Übersetzung von Ernst Meyer herausgegeben von Felix Eckstein. Abgeschlossen von Peter C. Bol. Band 3: Delphoi, Bücher VIII - X. Arkadien, Boiotien, Phokis. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 2001 (Bibliothek der alten Welt), S. 119 (Pausanias 9, 3, 2):

„Man nannte sie nach meiner Meinung so, noch bevor Daidalos, der Sohn des Palamaon, in Athen geboren wurde, und ich meine, daß dieser den Namen später von den Daidala als Beinamen erhielt und nicht von Geburt an.“

Emily Kearns, Daidalos. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 3: Cl - Epi. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 272 – 273:

„Der erste Hinweis auf D. (Hom. Il. 18, 592) verbindet ihn mit Kreta, alle Quellen jedoch, die seine Herkunft erwähnen, stimmen darin überein, daß er gebürtiger Athener war. Die Namen seiner Eltern variieren, doch die meisten spiegeln D.´ Intelligenz und manuelle Geschicklichkeit wider: Metion, Eupalamos, Palamaon, Iphinoe, Metadusa, Phrasimedes und – weniger deutlich – Merope. Alle Genealogien führen D.´ Herkunft übereinstimmend auf → Erechtheus zurück.“

D. = Daidalos

Hom. Il. = Homer, Ilias

Michael Grant und John Hazel, Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. Aus dem Englischen von Holger Fließbach. Ungekürzte Ausgabe. 1. Auflage. Berlin : List, 2009 (List-Taschenbuch ; 60928), S. 106:

„Sein Vater, angeblich von König Erechtheus abstammend, war Eupalamos (der Geschickte) oder Metion (der Gebildete).“

Edward Tripp, Reclams Lexikon der antiken Mythologie. Übersetzung von Rainer Rauthe. 8., bibliographisch aktualisierte Auflage. Stuttgart : Reclam, 2012, S. 140:

„D. und seine Schwester Perdix waren Kinder des Metion oder Eupalamos und stammen direkt von Erechtheus, dem König von Athen, ab.“

D. = Daidalos

Carl Robert, Daidalos 1). In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft : RE IV. 2: Corniscae–Demodoros. Stuttgart : Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1893, Spalte 1994 = https://de.wikisource.org/wiki/RE:Daidalos_1

Die griechische Legende sieht Daedalus (Δαίδαλος) je nach Quelle als Sohn des Metion, Sohn des Eupalamos oder Sohn des Kekrops. Einig sind sich diese Linien darin, dass er ein Enkel des attischen Königs Erechteos gewesen sein soll, der wiederum als ein Nachfahre des Gottes Hephaistos gilt.

Allerdings dürften das sehr späte Ausschmückungen sein, da die Daedalus-Sage ursprünglich nicht aus der griechischen, sondern bereits der älteren minoischen Kultur stammt. Leider sind hier keine originalen Sagen überliefert, so dass die erste Erwähnung erst bei Homer stattfindet. Da Daedalus ein genialer Erfinder gewesen sein soll, haben die Athener vermutlich versucht, ihn über erweiterte Sagen als einen der ihren darzustellen.