heyy,
Ich als Anorexie- Patienten(aber auch Ex- Binge Eating/ Bulimie Patientin) kann denke ich die Fragen ganz gut beantworten, wobei ich natürlich nicht für alle sondern nur aus meiner Erfahrung sprechen kann.
Soweit wie ich es mitbekomme in meinem Umfeld ist das Thema “Essstörung” noch eine heiße Suppenküche. Die einen versuchen es anzunehmen, die anderen glauben daran nicht und weigern sich darüber zu informieren oder es hinzunehmen. Wobei ich merke, dass es denen, die es versuchen, auch sehr schwer fällt, zu glauben, dass das Gewicht und/oder die übertriebene Angst vor dem Dicksein ein SYMPTOM ist; keine URSACHE. Egal, bei welcher Essstörung liegt das eigentliche Problem woanders, jedoch kommt man mit der Essstörung “besser” klar. Sei es verdrängen, entgegenwirken etc… Viele Menschen denken leider immer noch als aller erstes wenn das Thema Essstörung aufkommt nur an Anorexie.
Auch wenn das noch das sehr veraltete Denken ist, muss ich zugeben, dass mein Umfeld erst dachte, dass ich krank bin als ich untergewichtig wurde. Die Bulimie ist eine “versteckte” Krankheit und andere bekommen meistens weniger vom Leiden mit und bei Binge Eating wurde mir gesagt, ich solle einfach aufhören und mich nicht so gehen lassen. Schließlich ist ja jeder mal etwas zu viel.
Verallgemeinern kann man das natürlich nicht.. Mein Papa ist mittlerweile super verständnisvoll seitdem ich im Untergewicht war. Meine Mama jedoch glaubt nicht an psychische Erkrankungen, denn es ist ja okay nicht so viel zu essen/ich soll mich nicht so gehen lassen/ disziplinierter sein und ich bilde mir das alles nur ein. Ich muss einfach Schule machen und irgendwann geht das deswegen vorbei. Ich habe eine kleine Schwester, die sich leider Gottes etwas ein Beispiel genommen hat und jetzt versucht genauso zu werden. (habe sie lange nicht mehr gesehen; das ist das was meine Mama erzählte) Meine Oma konnte sich natürlich absolut nicht hineinversetzen und auch da kamen immer wieder unpassende Kommentare, aber mehr weil sie wirklich nicht wusste, wie sie damit umgehen soll. Sie war trotzdem sehr unterstützend. Mein Ex- Freund hat sich über mich lustig gemacht und meinte dass er sich mich niemals im Untergewicht vorstellen könne, dass ich schnell zunehmen muss, damit wir uns wieder treffen können. Meine Freunde habe ich die letzten Jahre aufgrund psychischer Krankheiten vernachlässigt aber im Groben und Ganzen haben die sich zurückgezogen. Viele Bekannte von früher kennen mich noch aus dem Übergewicht und haben mir so viele Komplimente gemacht. (Tanten, Klassenlehrer, meine Mama, Freunde von eltern) Die Freundin von meinem Vater und meine Cousine haben mich einfach geschockt angestarrt als die mich das erste Mal gesehen haben. ( war im Lockdown hin und her)
Ich denke, jeder Patient braucht was anderes, aber mir hat die Herangehensweise von meinem Papa gefallen. Langfristig gesehen, bringt es nur wenig etwas Patienten zum Essen zu zwingen (beeinflusst auch extrem das Verhältnis) und das hat er nie gemacht. Er hat mir immer etwas angeboten, Vorschläge gemacht, ist mit mir einkaufen gegangen, hat mit mir geredet und egal, wie sehr ich mich zurückziehen wollte. Das Sitzen am Tisch beim Essen ist Pflicht. Ich saß immer neben ihm und hatte das Angebot, aber es hat unser Verhältnis nicht zu stark verändert. Dadurch konnte ich mich auch meinem Papa was das angeht besser anvertrauen und konnte etwas drüber reden. Das hat bei mir geholfen..
Diäten habe ich mit ca. 10 Jahren angefangen. Nach ca 1,5-2 Jahren bin ich in die Binge Eating ESS gerutscht, anschließend in eine Bulimie von ca. 13-16 Jahren, wo ich Phasen mit Fressanfällen hatte, dann wochenlanges Hungern, exzessiver Sport, erbrechen und als letztes habe ich mit Ende 16 die Anorexia nervosa diagnostiziert bekommen, da es sehr schnell gekippt ist. Jetzt bin ich 17 und seit 30 stationär in Behandlung in 2 Krankenhäusern.
Ich habe alles hinunter geschlungen, weswegen ich Signale anfangs nicht in diesem Ausmaß wahrgenommen habe und im Nachhinein wurde es von mal zu Mal schlimmer. Nur konnte ich trotzdem nie aufhören als ich merkte, dass mein Körper das eigentlich nicht möchte.
Die nächsten Fragen würde ich später beantworten