Nun:
Da jeder (geistig gesunde) Mensch im laufe des Lebens verschiedenste Beziehungen eingeht UND über diese sinnvoll reflektieren kann, JA, sogar die Beziehungen in ein Schema bringen kann, sie quasi charakterisieren kann, IST zwangsläufig davon auszugehen, dass JEDER Mensch eine mathematische Grundbegabung besitzt. Natürlich mag diese Argumentation verwundern, da der Laie hier nicht ansatzweise eine "Mathematik" vermutet, doch handelt letztere gerade in ihrem Wesen von Beziehungen untereinander, wenn auch in einer geschickt vereinfachten (abstrahierten) Form (quasi die Lehre von den Mustern allgemein)
Der Hauptgrund für diesen Gedanken besteht in der Tatsache, dass Mathematik bei weitem nicht nur aus Zahlen und Rechnen besteht, sondern eine spezielle Form unseres Sprachvermögens ist. Mathematik und Sprache haben gemeinsame, untrennbare Wurzeln.
Den Hauptgrund des öffentlich (nur scheinbaren!) Mathematikunverständnis sehe ich in einem sehr unzureichendem Verbinden der schulisch gelernten Inhalte mit dem angeborenen Zahlensinn und den Sinn für Beziehungen. Wenn man Schemata nur stumpf präsentiert bekommt, kann man deren sich dahinter steckende Struktur nicht vorstellen und somit keinerlei Intuition entwickeln, was zu einem unmittelbaren Vergessen der (auswendig)gelernten Inhalte führt.
Lange Rede kurzer Sinn. Mit folgender Ausführung möchte ich euch beweisen, dass IHR ALLE eine mathematische Grundbegabung habt.
Betrachtet zwei Schüler als äquivalent, wenn sie diegleiche Klasse besuchen. Welche Charakterisierung kann man nun aus dieser Relation gewinnen, wenn man bedenkt, dass man hier eine Form von Gleichheit spezialisiert? Nun, ein Schüler geht in die gleiche Klasse wie er selbst. (nennt sich Reflexivität). Wenn ein Schüler in die gleiche Klasse geht wie du, dann auch du in die gleiche Klasse wie er (eine Art Symmetrie) Wenn du in die gleiche Klasse gehst, wie dein Freund Hubert, Hubert in die gleiche Klasse geht wie Hans, dann gehst du in die gleiche Klasse wie Hans (eine Art Transitivität, weil hier die Relation überschreitet). Das sich dahinter steckende Prinzip ist eine Äquivalenzrelation, weil sie eine Gleichheit auf eine spezielle Eigenschaft fokussiert.
Was kann man noch sagen? Nun, wenn man die Menge alle Schüler betrachtet, die zu einem Schüler in der oben genannten Relation stehen, hat man genau eine Schulklasse. Uns, was ist das? Das ist die Äquivalenzklasse.
Jetzt kann man noch weiter gehen und die Familie aller Äquivalenzklassen betrachten. Also, alle Klassen in der Schule. Abhängig davon auf welcher Menge man die obige Relation definiert erhält man nun entweder die gesamte Schule oder alle Schulen weltweit. Was hat man damit? Die sogenannte Quotientenmenge oder den Fakorraum. Und was ist das? Eine der gefürchtesten Gebilde in der (höheren!) Mathematik vor der sich viele Mathestudenten (!) fürchten. In Wahrheit ist das "nur" eine geniale art und Weise, wie man in der Mathematik abstrahiert. Warum nennt sich das überhaupt "Quotienten"menge? Der Quotient soll andeuten, dass man die zu betrachtende Relation auf die gesamte Menge AUFTEILT. Quotient hat ja etwas mit "dividieren" zu tun. Man teilt alle Elemente auf, die zueinander in einer gewissen Äquivalenzbeziehung stehen.
Ein weiteres wirklich einleuchtendes Beispiel kann man sich einen Bauernhof vorstellen auf dem die Relation "ist von gleicher Tierart wie" erklärt wird. Hier bilden Schafe, Tiere, Schweine; Hühner eine eigene Äquivalenzklassen und der Bauernhof ist der Quotientenraum, er fasst also alle Tiere dergleichen Art zusammen.
Was ist der Sinn dieser Konzepte? Man will sich nicht mit verschiedensten ähnlichen Objekten befassen. Man nimmt ein einziges her und leitet aus dem gewisse Eigenschaften ab. Das Konzept der Äquivalenzrelationen erspart sehr viel Arbeit. Beispielsweise liegen alle Brüche, deren Verhältnis gleich ist, in einer einzigen Äquivalenzklasse. Betrachtet dazu etwa 1/2= 5/10= 15/30=100/50.... Wenn man nun mit 1/2 arbeiten will, nimmt man EINEN Bruch aus dieser Klasse. Was man für diesen beschrieben hat, gilt dann für alle anderen. Daher sagt man, ein Element aus einer Äquivalenzklasse ist ein Repräsentant. Und man möchte eine Art Unabhängigkeit der Auswahl der Repräsentanten erreichen.
Immerhin soll es, um eine Klasse beschreiben zu können, nicht von Belang sein, welchen Schüler man nimmt. Sie soll durch die Wahl jedes Schülers schon hinreichend charakterisiert werden können, das ist der entscheidende Punkt!
Jeder, der hier nun mindestens 60% verstanden hat, kann von sich behaupten eine mathematische Grundbegabung zu besitzen! ;-)
Viel Glück bei eurem zukünftigen Mathelernen! Versucht immer zu abstrakte Inhalte mit Alltagssituationen zu verknüpfen und es wird euch leicht fallen, es zu verstehen!