Aus islamischer Sicht gehört der Islam nicht zum Christentum. Vielmehr sehen Muslime den Islam, das Christentum und das Judentum als eigenständige, aber miteinander verbundene Religionen, die alle auf den Propheten Abraham (Ibrahim) zurückgehen.
Islamische Perspektive auf das Christentum
1. “Leute der Schrift” (Ahl al-Kitab)
Im Islam werden Christen und Juden als “Ahl al-Kitab” bezeichnet, was “Leute der Schrift” bedeutet. Diese Bezeichnung erkennt an, dass beide Gruppen göttliche Offenbarungen erhalten haben: die Tora für die Juden und das Evangelium für die Christen. Der Koran erwähnt:
„Sprich: O Leute der Schrift! Kommt zu einem Wort, das gleich ist zwischen uns und euch: dass wir niemanden anbeten außer Allah und ihm nichts beigesellen.“
(Sure 3:64)
Diese Anerkennung bildet die Grundlage für den Respekt gegenüber Christen und Juden im Islam.
2. Gemeinsame Wurzeln und Unterschiede
Muslime glauben, dass der Islam die ursprüngliche monotheistische Botschaft Abrahams fortsetzt und vervollständigt. Während Christen Jesus (Isa) als Sohn Gottes und Teil der Trinität betrachten, sehen Muslime ihn als einen bedeutenden Propheten, der die Botschaft Gottes verkündete, jedoch nicht göttlich ist. Der Koran betont:
„Der Messias, Jesus, der Sohn Marias, war nur ein Gesandter Allahs.“
(Sure 4:171)
Aus islamischer Sicht werden die Thora (Tawrat), die Psalmen (Zabur) und das Evangelium (Injil) als ursprünglich von Gott offenbarte Schriften anerkannt. Diese Bücher wurden den Propheten Mose, David und Jesus übermittelt. Der Koran bestätigt ihre göttliche Herkunft:
„Wahrlich, Wir haben die Thora herabgesandt, in der Rechtleitung und Licht war.“ (Sure 5:44)
„Und Wir ließen Jesus, den Sohn Marias, in ihre Fußstapfen treten, bestätigend, was vor ihm in der Thora war; und Wir gaben ihm das Evangelium, in dem Rechtleitung und Licht war.“ (Sure 5:46)
Die Lehre vom „Tahrif“ (Verfälschung)
Obwohl der Islam die ursprüngliche Offenbarung dieser Schriften anerkennt, vertritt er die Ansicht, dass sie im Laufe der Zeit durch menschliche Eingriffe verfälscht wurden. Diese Verfälschung betrifft sowohl den Text selbst (tahrif al-lafz) als auch die Interpretation (tahrif al-ma’na). Der Koran weist darauf hin:
„Unter ihnen gibt es welche, die die Schrift mit ihren Zungen verdrehen, damit ihr glaubt, es sei aus der Schrift, obwohl es nicht aus der Schrift ist.“ (Sure 3:78)
Daher wird der Koran als die endgültige und unverfälschte Offenbarung betrachtet, die frühere Schriften bestätigt und korrigiert.