Ich war genau eine Niete in Mathe wie Du (sogar noch schlechter) und habe mein Patent geschafft und habe schon lange ein ausgefahrenes Kapitänspatent. Ich habe allerdings "nur" eine Fachschule besucht und kein Diplom erworben, hat mich bislang aber auch nie benachteiligt. Es gibt ein paar Phasen, wo man sich gewaltig auf die Hinterbeine setzen muss, aber mit Willen ist es machbar. Am Ende wird in der Seefahrt sowieso höchstens 20% von dem Kram gebraucht, den man den Schulen lernt (Gruß an alle Dozenten, die jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, das hört man nämlich garnicht gerne...).

Unabhängig davon würde ich mir jedoch sehr, sehr genau überlegen, in der derzeitigen Phase ein Nautikstudium zu beginnen. Ich hoffe sehr, Du hast Dich mit der aktuellen Marktlage befasst. Erst im letzten Jahr hat eine namhafte deutsche Reederei einen Großteil des deutschsprachigen, seefahrenden Personals entlassen und gerade aktuell tut eine weitere, große Reederei ihr das gleich. Der Markt wird also gerade mit erfahrenen Seefahrern überschwemmt, da hat der Schulabgänger, wenn er sich nicht für einen Hungerlohn verkaufen will, keinerlei Chance. Die einzige Chance, die ich momentan für Studienanfänger sehe, ist, wenn sie sich in Richtung Kreuzfahrt spezialisieren. Der große Nachteil ist, dass man sich hier wiederum schon früh an die Reederei binden muss, wenn man hier weiterkommen will. Offshore ist noch interessant, aber auch nicht für Schulabgänger, da die meisten eine vorhandenede DP License voraussetzen und das ist ohne genügend Fahrtzeit wiederum nicht zu erlangen. Viele Schulabgänger landen momentan in mehr schlecht als recht bezahlten Landjobs und fragen sich, warum sie überhaupt ein so aufwendiges Studium wie Nautik gewählt haben und sorgen sich, wie sie so ihr Patent erhalten wollen.

Ich kann Dir nur den Rat geben, Dich sehr akribisch zu informieren und nicht nur auf die Lockrufe der Schulen zu hören. Mach Dir alleine mal die Mühe, bei namhaften Reedereien nachzufragen, wie Deine Chancen stünden, wenn Du jetzt Dein Studium beendet hättest und zur See fahren wolltest. Wie gesagt, derzeit ein denkbar ungünstiger Moment, ein solches Studium zu beginnen, überleg's Dir gut!

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Wie immer rate ich, sich bei so wichtigen Fragen wie beruflicher Werdegang nicht in einem Forum, wo zu 99% nur Halbwissen verbreitet wird, zu informieren, sondern Dich an Fachleute zu wenden. Diese findest Du zB bei der Berufsbildungsstelle Seefahrt oder beim Verein Deutscher Reeder, aber ganz sicher nicht hier. Bin zwar selber Kapitän, aber sicher kein Fachmann, was aktuelle Ausbildungsmöglichkeiten angeht. Auch individuelle Anfragen bei den Schulen können helfen. Dass Du noch viel Informationsbedarf hast, zeigt Deine Aussage, dass eine Ausbildung an einer Fachschule oder einer Hochschule "im Grunde genommen ja dasselbe ist". Und der Spruch "ich interessiere mich ziemlich für Nautik" spricht auch nicht gerade für einen handfesten und durchdachten Berufswunsch; tut mir leid, das so sagen zu müssen. Ansonsten stimme ich der Aussage von Jinete absolut zu, die Aussichten für deutsche (und vor allem "frische") Nautiker sind momentan mehr als mies. Gute Chancen hast Du noch in der Off-Shore Branche, jedoch nur mit Erfahrung und nicht als Frischling oder aber in der Kreuzfahrt, aber dazu muss man auch geboren sein.

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Ich wäre sehr vorsichtig mit diesem Karrierewunsch. Deutsche Kapitäne haben zwar auch heute noch relativ gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber Du musst ja erst mal dahin kommen und da liegt das Problem. Deutsche (nautische) Offiziere haben momentan einen sehr schweren Stand, Tendenz weiter fallend. Das einzige, wo man noch Chancen hat, ist bei deutschen Kreuzfahrtgesellschaften oder im Offshore-Bereich, wobei man bei letzteren schon was auf der Pfanne haben muss, da dieser Markt fest in britischer, norwegischer und niederländischer Hand ist. Hol Dir Beratung nicht in einem Forum wie diesen, wo meist nur Halbwissen verbreitet wird (wie oben: "Der Nachbar des Onkels meiner Sekretärin war mal vor 20 Jahren Kapitän, deshalb habe ich Ahnung von der Seefahrt"), sondern wende Dich an entsprechende Stellen wie zB Berufsbildungsstelle Seefahrt, VDR, Seefahrtsschulen. In diesem Sinne nur kurze Antworten zu Deinen Fragen (bin im übrigen selber Kapitän und habe somit auch eine Ausbildung hinter mir):

  1. Einen "Studiengang" musst Du immer machen. Drei Jahre Ausbildung und dann mit dem Patent nach Hause gehen, ist nicht. Erfrage das bei den oben genannten Stellen, die können Dir detailliert die Unterschiede der verschiedenen Wege aufzeigen, die Mühe wird sich hier niemand machen.
  2. Das ist reine Glückssache. Ich war als Praktikant auf Schiffen, auf denen ich nur als billige Arbeitskraft "missbraucht" wurde, aber auch auf solchen, wo man wirkliches Interesse an meiner Ausbildung hatte und mir viel beigebracht hat. Wenn man (nach angemessener Zeit natürlich!) merkt, dass ersteres der Fall ist, sollte man auf jeden Fall den Mut haben, das Praktikum abzubrechen, denn wenn Du in einem solchen Praktikum nichts lernst, wird Dich das die restlichen Ausbildung immer wieder einholen. Man soll sich jedoch auch nicht der Illusion hingeben, als Praktikant in schnieker Uniform auf der Brücke zu stehen; unangenehme und vor allem ungewohnte Arbeiten gehören zum Lernprozess auf jeden Fall dazu. Generell wird es immer schwieriger, überhaupt einen Praktikumsplatz zu bekommen, geschweige denn, einen guten.
  3. Stimmt, zumindest bei den Nautikern. Für Techniker sieht es (noch) besser aus.

Kleiner Tipp noch zum Schluß: Du möchtest nicht Kapitän werden, sondern Nautiker. Kapitän wird man nicht, sondern man wird dazu gemacht. Klingt ansonsten wie ein BWL-Student, der bei Studienbeginn verkündet, er will Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank werden. :o)

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