Kaum eine Religion ist mit so vielen Missverständnissen, Vorurteilen und Klischees belegt wie der Satanismus.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist er häufig mit dunklen Ritualen, Teufelsanbetung und moralischem Verfall assoziiert. Doch ein sachlicher Blick auf seine tatsächlichen Ursprünge und Lehren zeigt uns schnell ein deutlich anderes Bild - eines, das mit gängigen Klischees wenig Überschneidungen hat.
Der Ursprung des Satanismus
Der Satanismus wurde im Jahr 1966 durch Anton Szandor LaVey in den USA begründet. Mit der Veröffentlichung der Satanischen Bibel kodifizierte LaVey erstmals eine Religion unter dem Begriff "Satanismus", die fundamental atheistisch ist. Der Satanismus versteht sich somit nicht als Glaubenssystem im klassischen Sinne, sondern als rationalistische, individualistische Philosophie, die den Menschen selbst in den Mittelpunkt stellt - ohne Glaube an Götter, Dämonen oder übernatürliche Kräfte.
Die historische Bedeutung des Begriffes "Satanist"
Vor der Kodifizierung durch LaVey existierte keine Religion unter diesem Namen. Der Begriff "Satanist" wurde über Jahrhunderte im christlichen Sprachgebrauch als Schmähbezeichnung für Ketzer, Heiden, Andersgläubige oder schllicht für alle verwendet, die sich nicht dem Dogma der Kirche unterwerfen wollten.
Diese Nutzung des Begriffs als Beleidigung - nicht als Selbstbezeichnung - prägte lange Zeit das Bild vom "Satanisten" als Feindbild der christlichen Moralvorstellung.
Der fundamentale Atheismus als Dogma
Wie jede Religion bestimmte zentrale Überzeugungen hat, so ist der Satanismus durch seinen fundamentalen Atheismus definiert. Er lehnt die Vorstellungen eines übernatürlichen Wesens - gleich ob Gott oder Dämon - ab. Daraus ergibt sich ein grundlegendes Phänomen: Ein "theistischer Satanismus", also ein Glaube an einen real existierenden Satan, ist mit dem Satanismus unvereinbar.
Die "Satanic Panic" der 1980er Jahre
Ein Großteil der heutigen Missverständnisse um den Satanismus stammt aus der sogenannten "Satanic Panic", einer moralischen Panikwelle, die in den 1980er Jahren vor allem in den USA ausbrach. Ausgelöst wurde sie durch eine Mischung aus spekulativen Medienbereichten, falschen therapeutischen Rückführungen und pseudowissenschaftlicher Literatur. Ein bekanntes Beispiel ist ein Bestseller eines Psychotherapeuten, der angeblich rituelle Misshandlungen durch "satanische Kulte" schilderte - ohne je stichhaltige Beweise zu liefern.
Diese Welle der Panik führte dazu, dass erneut alles Nicht-Christliche unter dem Schlagwort "Satanismus" aufgefasst wurde. Gleichzeitig traten erste Gruppen und Einzelpersonen auf, die sich selbst als "Satanisten" bezeichneten, tatsächlich aber einen theistischen oder okkulten Hintergrund hatten - also aus religionswissenschaftlicher Sicht nicht dem Satanismus zugeordnet werden können. Vielmehr handelte es sich um sogenannten Pseudo-Satanisten oder ganz schlicht Teufelsanbeter.
Pseudo-Satanismus - Wenn sich Unwissende als "Satanisten" bezeichnen
Diese Pseudo-Satanisten zeichnen sich primär durch eines aus: Es fehlt ihnen an gemeinsamer Lehre, einer kodifizierten Philosophie und einer einheitlichen Ethik. Ihre Praktiken sind uneinheitlich, oft extrem und enziehen sich jeder nachvollziehbaren Systematik. Zwar bezeichnen sich manche dieser Gruppen/Personen als "Satanisten", doch diese Selbstbezeichnung ist irreführend.
Der Satanismus grenzt sich klar von solchen Strömungen ab - sowohl ideologisch als auch praktisch. Weder rituelle Opfer noch Gewalt oder destruktives Verhalten gehören zum Weltbild.
Im Gegenteil: Der Satanismus positioniert sich als religionskritische, atheistische und aufklärende Bewegung, die sich gegen dogmatischen Glauben und religiösen Absolutismus stellt.
Aufklärung statt Dämonisierung
Trotz aller Aufklärung und Publikationen bleibt das öffentliche Bild des Satanismus stark verzerrt. Viele Diskussionen basieren nicht auf Fakten, sondern auf Ängsten, Vorurteilen, falschen Ansichten und tief verankerten Vorstellungen vom "Böse"N. In vielen Fällen geht es den Kritikier/innen nicht um eine objektive Auseinandersetzung, sondern um die Bestätigung der eigenen Weltanschauung und Erfahrung.
Wer sich jedoch ernsthaft mit dem Satanismus auseinandersetzt, erkennt schnell: Es handelt sich weder um Teufelsanebtung, noch um eine Bedrohung, sonder um eine kritische, individualistische Weltanschauung - mit provokantem Namen, aber einem rationalen Kern.
Fazit
Satanismus ist nicht das, was viele denken. Er ist keine Form der Teufelsverehrung, sondern eine atheistische Weltanschauung, die sich gegen religiösen Dogmatismus stellt. Wer von "theistischem Satanismus" spricht oder diesen gar mit Gewaltverbrechen gleichsetzt, wiederholt jahrhundertealte Vorurteile - und verfehlt den Kern dieser Religion vollkommen.