Die Fragebogenaktion des Bundesverteidigungsminsters kann ich nicht ernst nehmen. Nur zur Erinnerung: die Wehrpflicht wurde 2011 u. a. deswegen ausgesetzt, weil es keine "Wehrgerechtigkeit" mehr gab. Längst nicht alle jungen Männer wurden trotz einer für den Wehrdienst postiven Musterung eingezogen. Wer Glück hatte, musste nicht zur Bundeswehr. Genau die gleiche Situation entstünde nun, wenn aufgrund eines Fragebogens entschieden wird, wer gemustert und eingezogen werden soll.
Der Grundwehrdienst betrug zuletzt ab Januar 2011 noch sechs Monate. Das ist für eine Ausbildung eine sehr kurze Zeit und die Verantwortlichen bei der Bundeswehr haben damals schon moniert, dass sie mit einigen der eingezogenen Wehrpflichtigen kaum was anfangen können. Es werden längst gut ausgebildete und spezialisierte Kräfte benötigt, um die modernen Waffensysteme bedienen zu können. Mit Wehrpflichtigen ist das nicht zu leisten.
Wir brauchen keine Wiedereinführung der Wehrpflicht durch die Hintertür, sondern es wäre an der Zeit, die Wehrpflicht endlich abzuschaffen. Wenn der Personalbedarf der Bundeswehr nicht mehr über Freiwillige gedeckt werden kann, muss auch über Alternativen wie Einführung einer Berufsarmee zumindest nachgedacht werden.
Bevor noch mehr Geld in die Bundeswehr investiert wird, müsste sehr genau hingeschaut werden, wofür die bisherigen Zahlungen ausgegeben wurden. Natürlich sind marode Waffen oder baufällige Gebäude genauso inakzeptabel wie bsplsw. nicht ausreichende Bekleidung für die Soldat:innen. Natürlich wäre es längst notwendig gewesen, eine europäische Verteidigungsstrategie zu etablieren und zu finanzieren, jenseits der Abhängigkeiten von Staaten wie den USA. Diese Möglichkeit ist bislang versäumt worden und wir erleben innerhalb Europas ein erstarken von rechtsnationalen Kräften, die kaum zur Einigkeit in Europa beitragen oder ein europäisches Sicherheitskonzept befördern werden.
Muss die Bundeswehr "attraktiver" werden? Vielleicht würde es schon helfen, den "Arbeitsplatz Bundeswehr" normaler zu gestalten. Dass die Bundeswehr hierarchisch organisiert ist, steht einem vernünftigen Umgangston oder einem professionellen Umgang miteinander nicht entgegen. Rückzugsmöglichkeiten und ein mehr an Privatsphäre wären sicher gleichfalls hilfreich.
Eine grundgesetzlich verankerte Wehrpflicht für Frauen sehe ich kritisch. Das würde nur bedeuten, dass in Zukunft gleiches Unrecht für alle gelten würden. Das Ziel muss nicht mehr Wehrpflicht für alle, sondern keine Wehrpflicht für niemanden sein.