Die Vorstellung, dass Mensch und Tier ,,aus Erde erschaffen" wurden, ließ sich gut mit den spätbabylonischen Mythen verwursten, an denen sich die mittelalterlichen Bibeldeuter orientierten.
Das christliche Weltbild ist im Grunde ein verquastes Mashup zwischen den ersten biblischen Texten, insbesondere des Sechstagewerks und der Paradiesgeschichte. In der Edenerzählung glaubte man alles vorzufinden, was es für ein stimmiges und patriarchenfreundliches Weltbild brauchte: Ausgangsmaterial für die Schöpfung von Mensch und Tier, Namen, eine eindeutige Geschlechterordnung, geografische Koordinaten und nicht zuletzt mehr ,,Action" (Bösewicht, Verführung, Sünde, Bestrafung). Das kryptisch anmutende Sechstagewerk durfte hingegen nur als grobe Übersicht über die ,,Schöpfung" und natürlich als eisegetische Ausweichmöglichkeit herhalten. Noch heute servieren es Theologen ahnungslosen Bibellesern als ,,typisch hebräischen Erzählstil", dass nach einem groben Überblick die Details der ,,Schöpfung" beleuchtet werden; Klingt ja beim ersten Hinhören erstmal logisch.
Der Klerus hatte den Garten Eden also mit dem Anfang der Welt gleichgesetzt - und Adam und Eva mit den ersten Menschen im Sinne von Gen. 1.27. Jedoch ist Gen. 1.26/27 der beste Beweis, dass die Bibel von früher menschliche Existenz weiß, und eben nicht nur Ackerbau betreibende ,,Kulturmenschen" wie Adam und Eva, die ja erst im zweiten Kapitel auftauchen, als vollwertige Menschen anerkennt. Der Genesisautor spricht eindeutig von Menschen (ha ādām) und beschreibt sie als ,,im Bilde Gottes" geschaffen und über die Erde und die anderen Lebewesen ,,herrschend". Das macht deutlich, dass er sie nicht als primitive Affen oder dergleichen betrachtete, sondern als gleichwertige Artgenossen.
Gen. 1.26 beschreibt entgegen der populären Auffassung einen langen, fließenden Entwicklungsprozess. Das zugrunde liegende Verb lautet āsāh, was die fortlaufende Zubereitung bestehenden Materials bezeichnet. Die vielzitierte Erschaffung im Bilde Gottes bezieht sich demnach nicht auf die Formung des menschlichen Körpers, sondern auf die spezifischen geistigen Fähigkeiten des Menschen, die ihm zu seiner dominanten Stellung auf Erden verhelfen.
Nun zu Adams angeblicher Erschaffung aus Erde: Gen. 2.7 verwendet nicht das Bild des Töpfers. Dieses taucht erst an viel späterer Stelle auf, wenn von Schöpfung oder dem ersten Menschen längst keine Rede mehr sein kann. Allerdings hätte kein Hebräer daran gezweifelt, dass der betreffende Mensch Eltern hatte (Hi. 33.6). Auch das Wörtchen ,,aus" steht nicht im Originaltext von Gen. 2.7.. Adam war nicht ,,aus Staub" entstanden, er war Staub und blieb es auch (Gen. 3.19.). Die Formulierung weist auf Adams materielle Beschaffenheit hin. Außerdem wird Adam nicht einfach zum Leben erweckt, sondern bekommt den Erkenntnisgeist des Lebens (hebr. neschamah). Es ist letztlich derselbe Vorgang wie in Jer. 1.5., nämlich die natürliche Entstehung eines Menschen durch Zeugung und Geburt.
Bei Eva wird es sogar noch interessanter: Wie die biblischen Chronologien gemeinsam mit der Edenbeschreibung ergeben, lebten Adam und Eva im jungsteinzeitlichen Südmesopotamien, einem der wichtigsten Zivilisationsherde der Welt. Zur neolithischen Revolution gehört auch, dass die Männer ihre Beteiligung an der Fortpflanzung erkennen. Dies kommt im vermeintlichen Rippenmärchen wunderbar zum Ausdruck. Vom ,,Fall" des Mannes (gemeint ist nicht die Rippe, sondern das männliche Glied) wird etwas genommen und im ,,Fleisch" (hebr. Bassar=Mutterleib) verschlossen. Wahrscheinlich brachte die Beobachtung der gehaltenen Tiere die Männer auf den Trichter. So erklärt sich auch, warum Adam zuvor die Tiere zugeführt werden, was im herkömmlichen Deutungsgefüge rätselhaft und zusammenhanglos bleibt; Haben die Tiere doch so gar nichts mit der angeblichen ,,Erschaffung" der Frau aus der Rippe des Mannes zu tun. Von den Lehrern heißt es dazu meist nur, Adam musste erkennen, dass es niemanden von seiner Art gab. Ahja. Als ob der angeblich vollkommene erste Mensch in eine so banale Tatsache mit der Nase reingestupst werden müsste.
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