Was den Arbeitsmarkt betrifft, so glaube ich heute nicht mehr daran, dass es für Autisten jemals eine halbwegs barrierefreie Welt geben wird.
Grund: Unternehmen müssen Gewinn erwirtschaften – und mit autismusgerechten Bedingung kann man ein Unternehmen anscheinend nicht profitabel und gewinnorientiert führen, ich sehe das an meinem eigenen Arbeitgeber immer wieder. Du kannst ein Unternehmen zum Beispiel nur dann wirtschaftlich führen, wenn du Personal einsparst bis über die Schmerzgrenze und damit den Stress für den Einzelnen immer weiter erhöhst. Nicht dass ich das gut finde, aber so läuft es leider!
Deshalb glaube ich heute nicht mehr daran, dass es in der (Arbeits-)Welt jemals Bedingungen geben wird, bei denen die Bedürfnisse von Autisten von vornherein mitgedacht sind. Die Führungskräfte der mittleren Ebenen, die sind da noch am ehesten aufgeschlossen. Nicht aber das Managent, denn da zählt am Ende nur der Profit und nicht der Mensch.
Meine Überlebensstratie in der Arbeitswelt ist deshalb eine andere: Wo immer ich merke, an bestimmten Bedingungen werde ich krank, da beantrage ich ganz konsequent einen Nachteilsausgleich nach § 164 SGB IX. Mit Autismusdiagnose und festgestellter Schwerbehinderung hat der Arbeitgeber kaum Argumente, um solche Anträge abzulehnen.
Dieses punktuelle Einfordern von Nachteilsausgleichen, wo immer man sie braucht, halte ich für die erfolgversprechendere Überlebensstrategie. Man muss sich als Autist nach besten Kräften durch diese Welt kämpfen so gut es geht. Auf eine generell barrierefreie oder autismusgerechte Welt hoffe ich nicht mehr. Nicht mehr zu meinen Lebzeiten und vor allem nicht in der Wirtschaft. Wobei, das ist das Tragische: Auch ich bin auf die Wirtschaft als Arbeitgeber angewiesen, denn auch ich muss mir meinen Lebensunterhalt verdienen.
Ich will aber auch nicht alles nur pessimistisch sehen. Glücklicherweise ist man schwerbehinderten Arbeitnehmern gegenüber heute schon viel offener als noch vor 20 Jahren– und glücklicherweise hat man ja auch ein Anrecht auf Nachteilsausgleiche usw. Du kannst nur nicht davon ausgehen, dass Barrierefreiheit von vornherein mitgedacht wird. Du musst dir alles, was du brauchst, gerade als Autist immer wieder neu erkämpfen. Jemand anders tut es nicht. Auch die Gesellschaft interessiert sich nicht wirklich für die Bedürfnisse von Autisten, das hat sie noch nie getan.