Wieso meinen viele mit Migrationshintergrund, die sich nicht akzeptiert fühlen und Deutschland daher ablehnen, ihre Erfahrungen mir überzustülpen?

Neulich, auf Facebook, ging es in einem Beitrag der Seite "Fußball aktuell - Deutschland" um den in Mannheim geborenen türkischen Nationalspieler Hakan Calhanoglu. Da sagte jemand, der vermutlich italienischstämmig ist, dass Deutschland ein "Kartoffelland" ist und niemand hier freiwillig sei. Ich selbst (bin ethnisch Tamile, meine Eltern sind ursprünglich aus Sri Lanka), dass Deutschland meine Heimat ist, ich hier geboren bin, hier aufgewachsen und auch hier zu Grabe getragen werden wolle.

Er hatte aber scheinbar eine vorgefertigte Meinung über Deutschland, redete von seinen Erfahrungen (ich habe ihm erzählt, dass auch ich Rassismus erlebt habe) und redete Deutschland sowie die Leute hier sehr schlecht. Er versuchte mir, seine Erfahrungen als universell hinzustellen und sagte, dass ich Geld zusammenkratzen sollte und später abhauen.

Woher kommt es, dass viele meinen, mir ihre Erfahrungen überzustülpen? Also zu denken, dass deren Erfahrungen universell seien?

Finde ich schon sehr unfair. Es hat zwar jeder Rassismus erlebt (da bin ich leider keine Ausnahme), aber ich schere nicht alle Deutschen über einen Kamm und rede Deutschland nicht schlecht. Ich sehe es differenziert. Mein einziger echter Freund ist auch ein "Einheimischer" (er ist mein Mitbewohner hier in einer Stadt in NRW mit 50.000 Einwohnern). Wir beide sind fußballbegeistert, er ist Fan von Hannover 96, ich vom Hamburger SV.

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Fußball: Ist eine Diskussion mit Traditionalisten und Fans von Traditionsvereinen (über den VfL Wolfsburg) unmöglich?

Der VfL Wolfsburg wird immer für seinen mangelnden Zuschauerzuspruch kritisiert. Wenn man plausible Argumente anbringt, welche diesen erklärt, wird dies seitens des Gesprächspartners, ein Traditionalist oder Fan eines Traditionsvereins, nicht akzeptiert.

Dabei ist es doch so, dass der Zuschauerzuspruch anhand folgender Kriterien bewertet werden kann:

  • Einwohnerzahl der Stadt
  • Größe des Einzugsgebietes
  • Konkurrenz in der Region
  • Erfolge im 20. Jahrhundert (da sind die Fanlager entstanden)

Der VfL kann in keinem dieser Kriterien punkten. Die Stadt Wolfsburg hat lediglich 127.000 Einwohner. Ich kann zum Einzugsgebiet nichts sagen, sehr wohl aber was zur Konkurrenz, denn diese sind fantechnisch Hannover 96 und Eintracht Braunschweig. Auch spielt der VfL erst seit 1997 in der Bundesliga und da hatten die Nachbarn aus der Landeshauptstadt und aus Braunschweig schon längst Erfolge (Hannover 96 war 1938 sowie 1954 deutscher Meister geworden, der BTSV 1967, zudem war Hannover 1992 Pokalsieger geworden) vorweisen konnten.

Habe das Gefühl, dass Traditionalisten und Fans von Traditionsvereinen diese Argumente nicht interessieren. Oder irre ich mich da? Habe ich auf Instagram erlebt. Ich selbst bin HSV-Fan, aber ich bin nicht so oberflächlich wie andere Fans eines Traditionsverein, auch will ich kein Traditionalist sein.

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Steffen Baumgart: Was ist von seiner Aussage über die AfD zu halten?

HSV-Trainer Steffen Baumgart ist in der DDR geboren und hat sie erlebt. Er wurde 1972 in Rostock geboren, als er 18 Jahre war, gab es die Wiedervereinigung. In der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gab er über die Erfolge der Rechtsaußen-Partei AfD folgende Aussage:

Eine funktionierende Demokratie zeichnet sich auch dadurch aus, dass man sich mit Leuten auseinandersetzen muss, die vielleicht keine gute Idee von der Demokratie haben.

Weiter:

Die AfD sei kein Phänomen des Ostens, es gebe sie auch im Westen. Baumgart, 52, wurde in Rostock geboren, erlebte als Jugendlicher die Spätphase der DDR und spielte auch nach der Wende in diversen Ostvereinen. Das Erstarken der rechtspopulistischen Partei im Osten sei ein Versagen der Politik im Umgang mit den Menschen dort. Viele würden sich »nicht abgeholt fühlen«. »Es sind nicht alles nur Idioten, die die AfD wählen.«

Und:

Wenn man dann höre, was man alles nicht könne, »dann ist doch klar, dass den Leuten der Frust kommt. Und wenn dich dann einer in deinem Frust abholt, dann ist das leider der Nährboden für den größten Scheiß. Das haben wir schon einmal erlebt«, sagte Baumgart und ergänzte: »Dass man das vergisst, dass das viele in der Politik vielleicht unterschätzt haben, das ist für mich das Erschreckende.«

Ich selbst bin HSV-Fan und sage: Nein Baumi, jeder, der die AfD wählt, ist für mich ein I****. Es gibt auch andere Parteien, die man wählen kann. Sowas macht Baumi mir nicht sympathisch, obwohl ich ein leidenschaftlicher Fan jenes Vereins bin, den er gerade trainiert - und dabei den Erwartungen nicht gerecht wird. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich kein einheimischer Deutscher bin, sondern ein Sohn einer tamilischen Familie, die seit fast 40 Jahren in Deutschland lebt.

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Politik, Gesellschaft und Fußball: Ist Deutschland das einzige Land, welches sich über SOWAS Gedanken macht?

Wenn ich sowas, sowas oder sowas lese, frage ich mich, ob die Leute echt einen Dachschaden haben. Zwar ist "TAZ" eine Tageszeitung, die "grün-links" und "linksalternativ" ist, aber was spricht denn gegen Deutschlandfahnen und Patriotismus bei einem großen Fußball-Turnier für Nationalmannschaften?

Ist Deutschland das einzige Land, welches sich über sowas Gedanken macht? Ich denke, in Dänemark, den Niederlanden, sogar Belgien und natürlich auch Frankreich, der Schweiz oder Österreich macht sich niemand über sowas Gedanken. Vor einigen Jahren hat ein ehemaliger Mitarbeiter in meinem ehemaligen Wohnheim mal gesagt, dass man der Aussage, hierzulande gäbe es keinen Nationalstolz, man widersprechen könne, weil die AfD viele Stimmen bekommt und daher es Nationalstolz gäbe. Äh, Hallo? Die AfD hat doch nichts mit Nationalstolz zu tun, sondern mit Antidemokratie und Fremdenhass.

Ich selbst bin zwar auch kein Patriot oder habe keinen Nationalstolz, aber warum sollte man bei einem Fußball-Turnier keine Deutschlandfahnen schwenken?

Derzeit habe ich keine deutsche Fahne bei mir zuhause, aber auf jeden Fall ein Trikot der DFB-Elf (mit dem Namen von Kai Havertz).

Zu meiner Person: Ich entstamme einer tamilischen Familie aus Sri Lanka, ich selbst bin hier in Deutschland geboren und wuchs hier auf, besitze auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch wenn mir mein kulturelles Erbe wichtig ist, gilt meine Loyalität Deutschland.

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Politik, Gesellschaft und Fußball: Wieso sind viele mit Migrationshintergrund der Meinung, dass eine Nationalmannschaft nur aus Ureinwohnern bestehen sollte?

Es gibt leider sehr viele Migranten, die natürlich die AfD und generell Nazis ablehnen, die aber durch ihre Meinung glatt als AfD-Nazis durchgehen könnten. Sie meinen oft, dass in einer Nationalmannschaft (also einer Fußballnationalmannschaft) nur Ureinwohner spielen sollten bzw. wenn ein Elternteil einheimisch ist. Gestern zum Beispiel hatte ein Türkischstämmiger behauptet, dass z. B. Cody Gakpo (FC Liverpool) nicht für die Niederlande spielen dürfte, Romelu Lukaku (SSC Neapel) nicht für Belgien oder der Ex-Frankfurter Randal Kolo Muani (PSG) und Kylian Mbappé (Real Madrid) nicht für Frankreich, weil sie keine Ureinwohner ihrer Länder sind (ich hatte diese als Vergleiche angebracht) und sagte in diesem Zusammenhang auch, dass ich nach seiner Meinung nicht für Deutschland spielen dürfte, sondern für Sri Lanka, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin und Deutschland als meine Heimat begreife.

Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum viele Migranten so eine Meinung haben. Dass ur-deutsche AfD-Fans so eine ethnische Nationalmannschaft haben wollen, weiß ich, aber wieso müssen migrantische Menschen so ein Weltbild haben? Wo doch so eine Meinung diskriminierend ist und sie Diskriminierung verabscheuen

Niemand, nicht einmal der Papst oder der Kaiser von China, kann und darf mir das Recht nehmen, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, allerhöchstens die FIFA und das werden sie nicht tun.

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