Glücklicherweise gelten in der westlichen Welt alte, überkommene Beziehungstabus nicht mehr.
Noch in den 1950er Jahren war es undenkbar, dass z.B. Menschen gleichen Geschlechts, unterschiedlicher Hautfarbe, Religion, Herkunft etc. ein Paar waren. Von Polyamorie ganz zu schweigen.
Auch die Neuorientierung auf dem Gebiet geschlechtlicher Identität ist für mich ein Ausdruck neuer Freiheit, auch wenn viele das (noch) anders sehen.
Allein in Bezug auf das Alter sehe ich immer noch Arbeitsbedarf. Altersunterschiede werden nur in sehr engem Rahmen akzeptiert. Ist ein Partner z.B. 25 und der andere 50, wird schnell von Machtgefälle gesprochen. Oder man nimmt an, dass die ältere Person sehr reich ist, ein hohes soziales Prestige besitzt o.ä. Damit wirft man der jüngeren Person implizit vor, eine Art Sugarbabe, also Sexworker zu sein.
Besonders drastisch werden die Vorwürfe, wenn die jüngere Person zwar das Age of Consent erreicht hat (in Deutschland ist das meines Wissens nach 16), aber im "common sense" noch als Jugendliche(r) gilt. Also z.B. eine 17jährige Person mit einer 30jährigen Person, oder 21/53 etc. Die Argumentationen gegen solche Beziehungen ähneln im Kern verblüffend denen, die noch vor 60-70 Jahren gegen die von mir oben angeführten Beziehungen ins Feld geführt wurden.
Ich war persönlich vor längerer Zeit betroffen, als ich mit 38 eine Beziehung zu einer 19jährigen hatte.
Gerade ist die Thematik in meinem Freundeskreis aktuell geworden. Der 15jährige Sohn eines befreundeten Paares hat eine Beziehung mit einem 32jährigen Mann. Der ältere Freund ist den Eltern gut bekannt, geht in deren Wohnung ein und aus, nimmt an Familienfesten etc. teil, man ist gut befreundet. Die beiden sind wirklich verliebt. Aber seit das ganze bekannt geworden ist, steht die Familie am Pranger. Sogar Lehrer des Sohnes haben sich eingeschaltet. Rechtlich ist alles unantastbar, der 15jährige ist bedingt mündig, die Eltern sind mit der Beziehung einverstanden.
Der Sohn leidet sehr darunter. Kein besonders ermutigender Start in das romantische Leben.
Warum macht man, trotz aller Freiheiten, beim Thema Alter immer noch auf Mittelalter?
Warum ist dieses Thema so anders?