Hallo YouOnlyLiveOnc,
du hast da 3 einzelne, mehr oder weniger unabhängige Probleme, auch wenn diese mittlerweile in einander greifen.
Die körperlichen Empfindungen, die du fühlst, z.B. wenn du den Arm auf den Tisch legst, lösen bei dir eine besondere Form der Angst aus. Du denkst nun automatisch, dass kein Blut mehr in die Nieren fliesst, oder dass du Probleme mit Nacken und Augen bekommst, wenn du deine Haltung nicht optimierst.
Dieses ständige, selbst auferlegte Denken um eine Handlung und derer unzähliger möglicher Folgen nennt man Zwangsstörung / Zwangsdenken.
Die Zwangsstörung kann viele Ausprägungen haben. Manche Menschen konzentrieren sich auf jede körperliche Empfindung und versuchen sie zu analysieren, nur um keinen Schaden daraus erleiden zu müssen.
Die Beziehung zu deinen Eltern:
So wie es aussieht, kommst du ursprünglich aus einem Kulturkreis des Nahen/Mittleren Ostens, nehme ich an.
In dieser Gegend herrschen andere Werte und Vorstellungen, wie du sie inzwischen in Deutschland gewohnt bist. Du weisst, was hier in Deutschland üblich ist und was toleriert, oder erwartet wird. Aber deine Eltern haben da noch ganz andere Vorstellungen von einem "anständigen" Leben.
Solange ein Kind noch nicht verheiratet ist, gehört es körperlich immer noch voll und ganz den Eltern(meistens dem Vater).
Dieser trägt die Verantwortung für alle Handlungen seines Kindes und deren Folgen.(oft mit seinem eigenen Leben)
Logisch, dass Eltern mit dieser Denkensweise es als selbstverständlich betrachten, dem Kind bis zum letzten Tag jeden Handschlag zu diktieren. Zu viel könnte schief gehen.
Dass aus solchen Erziehungsmethoden kein selbstbewusster, offener und freier Mensch entstehen kann, ist bekannt.
Du bist enttäuscht, weil DU weisst, dass das Leben eigentlich anders für dich laufen könnte. Freier und unbeschwerter. Dagegen fürchten deine Eltern bis heute, dass jegliche Fehlentscheidung schlimme Folgen für dich haben könnte. Also treffen sie die Entscheidungen für dich, vor allem weil sie vielleicht verstanden haben, dass du eine seelische Störung hast. Auch wenn sie die Bezeichnung dieser Erkrankung nicht kennen, sehen sie, dass du dich anders verhälst.
So setzt eine Spirale ein:
Angst um das Kind - Zwangsstörung - Angst vor Fehlern - Angst vor den Folgen - Verbote - Ärger - Zwangsverhalten verstärkt sich.
ALG2 und Psychotherapie:
Auch als Empfänger von ALG2 / Hartz 4 hast du einen Anspruch auf alle erforderlichen medizinischen Behandlungen, Arztbesuche, Fachärzte, Kliniken, Kuren.
Du bist krankenversichert und hast deine Versicherten-Karte der Krankenkasse. Damit gehst du nun zu deinem Hausarzt und erzählst ihm von deinen Problemen. Besonders von der Zwangsstörung und der entstandenen Depression.
Dein Hausarzt wird dir eine Überweisung zu einem Psychologen/Psychotherapeuten oder einer Akut-Klinik geben. Die folgende Behandlung/Therapie, Medikamente, Reha-Kur und Ähnliches... ist also in jedem Fall für dich kostenlos, so wie für jeden anderen Menschen auch.
Einen gebrochen Arm würdest du ja auch eingipsen lassen, damit der Bruch heilen kann. Also warum sollte eine psychische Störung für dich nicht möglich und kostenfrei sein?
Mach dir da also keine Sorgen. Geh zu deinem Arzt und bitte um eine entsprechende Therapie. Sie kostet dich nichts.
Der Psychologe kann dir nicht nur helfen, mit der Zwangserkrankung besser leben zu können, er wird dir auch Lösungen zeigen, wie du deinen Eltern gegenüber selbstbewusster und selbstverantwortlich auftreten kannst. Nur so wirst du langfristig über dich selbst bestimmen und einer Arbeit nach gehen können.
Du musst es jedenfalls jetzt lernen, auch wenn deine Eltern das nicht wollen.
Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg,
di Colonna