Es gibt kein Repertoire von stilistisch hochwertigen Fremdwörtern, das man auswendig lernen kann, und plötzlich ist man der Stilist schlechthin – auch wenn es vermutlich das ist, was man im Stilduden lernt. Ich weiß es nicht.
Guter Stil bedeutet, die richtigen Wörter an der richtigen Stelle zu verwenden. Das hat sehr viel mit Syntax zu tun, aber natürlich auch mit dem Vokabular: Guter Stil ist immer ein Schritt zurück, statt einer nach vorn. Übersetzt auch: Das schlechte Deutsch von heute ist das gute Deutsch von morgen.
Ich gehe so weit zu behaupten, dass es für jeden Text, der schön sein muss, zwei große Prinzipien gibt:
– Show, don't tell.
Wir alle kennen es und können es nicht mehr hören. Nichts predigt man als Schreibratgeber so penetrant wie diese goldene Regel. Und sie haben recht. Man kann weiter spezifizieren:
- Räumlichkeit:
Räumlich denken und schreiben heißt plastisch denken und schreiben und ist das Gegenteil von abstraktem Denken (und gottverdammt Schreiben). Ein Trend im Deutschen geht dahin, einen Text schöner zu finden, je abstrakter er ist. Man muss sich nur einmal durch Schulaufsätze in der Oberstufe oder durch Seminararbeiten blättern. Und deren Haltung kommt nicht von irgendwo. In der Schule werden einem grausige leere Phrasen als Um und Auf einer gelungenen Erörterung beigebracht. Sowas zu lesen ist immer kompliziert, verschachtelt und beschwerlich. Die Abstraktheit als Maxime findet sich aber auch im Bildungsbürgertum und verkennt damit die Grundsätze guten Stils, wie er schon bei den Rednern in der Antike gepflegt wurde.
- Sinnlichkeit
Erfahrungen sollen mit allen Sinnen gemacht werden und auch so geschrieben werden. Wie Räumlichkeit schafft auch Sinnlichkeit ein Bild und nicht wie die Abstraktheit eine bloße Idee.
Das beste Beispiel für Räuml. & Sinnl. versus Abstrakt. ist das Beispiel selbst. Das Beispiel erschafft ein Bild, eine Situation und ist als Erklärung zehnmal so gut geeignet wie eine prägnante, aber abstrakte Definition.
– Fokus
Wie im echten Leben schwenkt der Blick eines Menschen auch beim Schreiben immer hin und her. Er kann nicht wie die Kamera das gesamte Sichtfeld scharf stellen, sondern muss fokussieren. Der Leser macht genau das. Er fokussiert auf die wichtigen Teile eines Textes, Satzes usw.
Niemals darf der Leser den Autofokus einschalten. Genau das passiert aber, wenn man den Blick nicht geschickt auf die wichtigsten Punkte im Text lenkt.
Das nennt man Assoziativität. Um assoziativ zu schreiben, ist (im Roman) die Beherrschung der Perspektive unerlässlich.