Welche Gedichtinterpretation findet ihr besser mit einer begründung bitte?

1 Antwort

Ich finde deine Interpretation interessant, du müsstest sie nur wirklich sehr sehr gut belegen.

So ließen sich

Wir sterben, wenn sich eines / Im andern ganz verlor.

und

Auf einer Lilie zittern / Zwei Tropfen, rein und rund, / Zerfließen in eins und rollen / Hinab in des Kelches Grund.

durchaus aufeinander beziehen, denn wenn zwei Tropfen ineinanderfließen, dann verliert sich der eine im anderen – dann sterben sie.

Dazu müssten dann die Perfektion des Individuums ("rund und rein") und der Inbegriff von Vereinigung und Liebe (Lilie, einer des anderen Traum, leben, um sich zu lieben) ebenso herausgestellt werden wie die Ambiguität der Liebe: Schlaf, wenn man nicht liebt; die Liebe lässt erwachen – fallen (in des Kelches Grund – und ja, da kommen sie nicht wieder hoch) und sich verlieren. Diese Ambiguität hast du im Prinzip auch in deiner Interpretation ("man erwacht, wenn man voneinander träumt; man möchte leben, sich lieben, fällt aber in die nacht zurück"), die Frage ist nur, ob es sinnvoll ist, es als "Teufelskreis" zu bewerten.

Meines Erachtens musst dabei gut auf die Wortwahl geachtet werden: "Positiv" und "negativ" sind zu undifferenziert; für mich ist das eher ein Spannungsfeld. "Versteifen" ist für mich zu aktiv; das, was in der Liebe passiert, verstehe ich in diesem Gedicht als etwas, das einem passiert.

Mir ist die zweite Interpretation zu oberflächlich und verklärt; deine finde ich im Prinzip viel tiefgründiger und näher dran. Sie müsste nur sprachlich auch den Kern treffen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Es gibt keinen Anspruch auf Dank. Ich freu mich nur darüber.