Welche Folgen hatte die Flottenpolitik für die deutsch-britische Beziehung?

2 Antworten

Zum Beitrag von tenuous muss ich leider einige Bemerkungen machen.

...sondern von Wilhelm II, dem Enkel von Wilhelm I, mit dem Bismarck gut klar kam.

Wilhelm II. und Bismarck konnten nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten. Der alte Reichskanzler und der junge Monarch waren nicht nur vom Temperament sehr unterschiedlich, sondern verstanden sich auch in politischen Angelegenheiten nicht wirklich. Schon kurz nach seiner Thronbesteigung 1888 war Wilhelm II. bestrebt, Bismarck loszuwerden. 1890 war es dann soweit. Was Bismarck über den jungen Kaiser dachte, wie sehr er ihn verachtete, kann man in seinen Memoiren nachlesen.

Nachdem Wilhelm II an die Macht kam, entließ er Bismarck aufgrund derer großen Meinungsunterschiede bezüglich Außenpolitik.

Leider ist das falsch! Zwar bestanden auch außenpolitische Divergenzen, aber es waren erhebliche innenpolitische Meinungsunterschiede, die zur Entlassung Bismarcks führten.

Es war bei ihm sozusagen ein Wettstreit der Familie, wenn man es so
sagen kann. Er wollte gleich auf bleiben und nicht unter dem mächtigen
England stehen.

Das ist ein wenig zu kurz gedacht. Gewiss, bei Wilhelm II. selbst mögen auch ein paar familiäre Differenzen Einfluss ausgeübt haben. Wesentlich aber war, dass sowohl der Kaiser als auch seine engen Berater - ich nenne mal einen bekannten Namen: Tirpitz - der Ansicht waren, dass das Streben nach einer auf Kolonien beruhenden Weltmachtstellung Deutschlands zugleich den Aufbau einer mächtigen Hochseeflotte erforderte, um in der Nordsee Großbritannien in Schach halten und die weltweiten deutschen Kolonien im Kriegsfalle wirkungsvoll verteidigen zu können. Statt sich mit Großbritannien auf eine enge Kooperation zu einigen - was ja angesichts der engen Verwandtschaftsverhältnisse der Dynastien möglich gewesen und von den Briten begrüßt worden wäre -, setzte die Reichsleitung auf einen Rüstungswettkampf zur See mit den Briten, und zwar wider besseren Wissens, weil ihr bewusst war, dass Großbritannien für jedes deutsche Schlachtschiff zwei baute. In Großbritannien, in Frankreich und gerade auch in Russland gewannen die politischen Leiter seit der Thronbesteigung Wilhelms mehr und mehr den Eindruck, gesteigert noch durch öffentliche Demonstrationen wilhelminischer Großmannssucht und eine schlechte Außenpolitik der deutschen Reichsleitung, dass Deutschland auf einen großen Krieg hinarbeitete, der nicht nur Europa. sondern gewissermaßen die ganze Welt dem Einfluss Deutschlands unterwerfen sollte.

Die Flottenpolitik hat dem Verhältnis natürlich geschadet. England
fühlte sich mehr bedroht und das Bündnis, sowie alle anderen auch, mit
Ausnahme des drei-Kaiser-Bündnis (Deutschland-Österreich-Italien),
zerbrachen.

In der Tat hat die deutsche Flottenpolitik dem Verhältnis zu England sehr geschadet. Der sog. "Dreikaiserbund" war bereits unter Bismarck zerbrochen. Der sog. "Dreibund" zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien war nur ein schwacher Ersatz, da Italien als unzuverlässiger Bündnispartner galt - was sich dann auch im WK I bestätigte. Den geheimen sog. "Rückversicherungsvertrag" - ein Neutralitätsvertrag - zwischen Deutschland und Russland hat Deutschland nicht verlängert. Damit war der Weg geöffnet, dass sich Frankreich, Großbritannien und Russland aus Sorge um die politischen Absichten Deutschlands allmählich annäherten.


Anfangs wollten die Großmächte nicht das ein starkes Deutschland entsteht, besonders Frankreich war dagegen. Frankreich war Deutschland schon immer negativ eingestimmt, wegen der Vergangenheit (Kriege, usw.).

Nach dem Wiener Kongress war besonders Großbritannien bestrebt, auf dem europäischen Kontinent ein Kräftegleichgewicht herzustellen. Nach der Erfahrung mit dem napoleonischen Frankreich war es vorallem Deutschland bzw. Preußen, das eine (erneute) französische Großmachtstellung fürchtete. Dies förderte die deutsche Einigung nicht unwesentlich. Die deutsche Reichsbildung 1870/1 kam zumindest Großbritannien nicht ganz ungelegen, denn ein mächtiges Deutschland konnte der aufsteigenden Macht Russlands Paroli bieten und somit das Gleichgewicht in Europa und damit wahrscheinlich den Frieden retten.

Mit den Bündnissen, die Bismarck dann machte, änderte sich auch die Meinung der anderen Großmächte, denn nicht nur Deutschland hatte Vorteile durch diese, sondern auch sie selber.

Welche "Großmächte" hatten denn "Vorteile" von Bismarcks Bündnissystem?

Als Bismarck dann nicht mehr war hat sich das alles geändert. Die neuen
Außenpolitiker fanden sein System der Außenpolitik zu anstrengend. Das
Resultat: die Bündnisse sind zerfallen und Deutschland war diesmal
isoliert und nicht Frankreich. Dadurch hat sich auch die Meinung der
Großmächte gegenüber Deutschland wieder geändert.

Der Nachfolger Bismarcks, Caprivi, erkannte die Doppelbödigkeit, die Widersprüchlichkeit des bismarckschen Bündnissystems: bei einem russischen Angriff auf Österreich-Ungarn hätte Deutschland Österreich-Ungarn Bündnishilfe leisten müssen, aber aufgrund des deutschen Rückversicherungsvertrages mit Russland wäre Deutschland gegenüber Russland zur Neutralität verpflichtet gewesen. Caprivi hat sich daher entschlossen, den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht zu verlängern und am Bündnis mit Österreich-Ungarn festzuhalten. Die Russen rächten sich durch die Veröffentlichung des Vertragstextes, was nicht nur die deutsch-österreichischen Beziehungen belasteten, sondern in ganz Europa das deutsche Ansehen diskreditierte. Die gesamte Außen- und Weltmachtpolitik der wilhelminischen Ära hat diesen negativen Eindruck über die Unzuverlässigkeit und Hinterhältigkeit Deutschlands nicht mehr korrigieren können. Das bismarcksche Erbe hat daher die weitere Politik des Kaiserreiches sehr belastet, aber für die folgenden Fehlentscheide der Reichsleitung trägt Bismarck keine Verantwortung.

Was den "Zerfall" der Bündnisse angeht: die deutsche Politik hat Frankreich und Russland zu Bündnispartnern gemacht, denen Großbritannien zu Beginn des WK I beitrat und 1915 dann auch noch Italien. Auch das Bündnis zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn hielt bis 1918.

Das kann man besonders am Versailler-Vertrag erkennen, wo die Deutschen die Alleinschuld für den 1. Weltkrieg zugesprochen bekamen.

Das war ein reiner Racheakt der Siegermächte, besonders Frankreichs. Auf dieser Grundlage beruhten die hohen Reparationsforderungen an Deutschland. Außerdem ab es, was immer wieder vergessen wird, den anderen Schuldigen am WK I nicht mehr: das Kaiserreich Österreich-Ungarn!

MfG

Arnold



Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.
ArnoldBentheim  08.03.2016, 21:12

Der letzte Satz muss natürlich heißen:

Außerdem gab es, was immer wieder vergessen wird, den anderen Schuldigen am WK I nicht mehr: das Kaiserreich Österreich-Ungarn!
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Also die Flottenpolitik wurde nicht von Bismarck gemacht, sondern von Wilhelm II, dem Enkel von Wilhelm I, mit dem Bismarck gut klar kam.

Bismarck hat die Außenpolitik so aufgebaut, dass Frankreich, im Falle eines Krieges komplett isoliert ist. Er hat mit allen möglichen Ländern Bündnisse aufgestellt.

Nachdem Wilhelm II an die Macht kam, entließ er Bismarck aufgrund derer großen Meinungsunterschiede bezüglich Außenpolitik. Wilhelm II wollte den Platz an der Sonne, sprich Kolonien und an der Weltpolitik teilhaben. Bismarck dagegen war der Meinung das Deutschland saturiert sei und wollte somit keine Kolonien haben.

Wie gesagt wurde Bismarck dann 1890 entlassen. Wilhelm II war auch mit dem Königshaus in England verwandt. Es war bei ihm sozusagen ein Wettstreit der Familie, wenn man es so sagen kann. Er wollte gleich auf bleiben und nicht unter dem mächtigen England stehen.

Die Flottenpolitik hat dem Verhältnis natürlich geschadet. England fühlte sich mehr bedroht und das Bündnis, sowie alle anderen auch, mit Ausnahme des drei-Kaiser-Bündnis (Deutschland-Österreich-Italien), zerbrachen.

Hoffe das kann dir was helfen. :)

SarahLove1 
Fragesteller
 08.03.2016, 19:06

Super, vielen Dank.  Können Sie mir nochmals helfen?

Jetzt muss ich noch diese Frage beantworten: 

Charakterisiere die Haltung der anderen Großmächte gegenüber dem deutschen reich 

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tenuous  08.03.2016, 19:11
@SarahLove1

Anfangs wollten die Großmächte nicht das ein starkes Deutschland entsteht, besonders Frankreich war dagegen.

Frankreich war Deutschland schon immer negativ eingestimmt, wegen der Vergangenheit (Kriege, usw.). Mit den Bündnissen, die Bismarck dann machte, änderte sich auch die Meinung der anderen Großmächte, denn nicht nur Deutschland hatte Vorteile durch diese, sondern auch sie selber. Im Falle eines Krieges war man nicht alleine.

Als Bismarck dann nicht mehr war hat sich das alles geändert. Die neuen Außenpolitiker fanden sein System der Außenpolitik zu anstrengend. Das Resultat: die Bündnisse sind zerfallen und Deutschland war diesmal isoliert und nicht Frankreich. Dadurch hat sich auch die Meinung der Großmächte gegenüber Deutschland wieder geändert. Das kann man besonders am Versailler-Vertrag erkennen, wo die Deutschen die Alleinschuld für den 1. Weltkrieg zugesprochen bekamen.

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