Was passiert zwischen Erstversorgung mit stabiler Seitenlage und dem Transport des Verletzen in den Rettungswagen?


08.02.2020, 18:03

Hallo und vielen herzlichen Dank für die sehr ausführlichen und kompetenten Antworten !!!!

Als Laie hat man ja kaum bzw. keinen Einblick in Eure Arbeit, die emotional und auch körperlich sehr anstrengend ist. Großes Kompliment und nochmal herzlichen Dank an alle die diesen Beruf ausüben.

Jetzt interessiert mich aber doch noch etwas:

Natürlich steht der Mensch im Vordergrund, aber wenn Ihr ihn entkleidet sind da ja auch Papiere, Handy, Schlüssel usw. drin.

Schaut Ihr da aktiv drauf? Gebt Ihr das dann der Polizei (falls vorhanden) oder nehmt Ihr das dann mit und jemand kümmert in Krankenhaus darum?

Viele liebe Grüße

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hi,

im Prinzip ist das mit dem "Verkabeln" gar nicht verkehrt - das passiert nämlich auch.

Im Grunde genommen übernimmt der Rettungsdienst den Patienten von den Ersthelfern und führt - entweder direkt an der Einsatzstelle oder erst im Rettungswagen - eine strukturierte Erstuntersuchung ("Primary Survey") durch; wie so etwas aussehen kann, habe ich in meinem Blog etwas genauer beschrieben.

Im Rahmen der Erstuntersuchung wird der Patient einmal "von Kopf bis Fuß" körperlich untersucht, lebensbedrohliche Störungen der Vitalfunktionen werden erkannt und unmittelbar behandelt, parallel dazu erfolgt das "Verkabeln" (Monitoring), das genaue Erheben von Vitalparametern und die Frage nach dem "Was ist passiert?" (Anamnese).

Ist der Patient auskunftsfähig, wird der Patient selbst befragt - ansonsten Unfallzeugen und Ersthelfer.

Man liest ja häufig, dass der Verletzte "verkabelt" wird, aber er ist ja wie gesagt in der stabilen Seitenlage und auch noch meist mit Jacke, zumindest im Winter, angezogen.

Im Rahmen der Erstuntersuchung wird der Patient regelhaft entkleidet - davon abgesehen: für ein "kleines" EKG muss man die Leute auch nicht groß ausziehen ^^

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent
Erenenenen  07.02.2020, 19:18

„E-Exposure/Environment- oder auch keine Diagnose durch die Hose“ hat mein Dozent immer gesagt 😂

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Einfach gesagt: Zuerst herausfinden, was eigentlich das Problem ist, dann schauen ob man was verbessern kann und schlussendlich zusehen, dass man den Menschen wenigstens ohne Verschlechterung seines Zustandes in die Klinik bekommt.

Gerade im Winter wird ein Patient, der im Freien aufgefunden wird, so schnell wie irgend möglich in den Rettungswagen verbracht. Denn sonst könnten wir zusehen, wie der Mensch auskühlt, dicke Jacke hin oder her. Also rein ins warme Auto, wo man den Menschen vor der Gefahr einer Unterkühlung bewahrt und ihn so weit ausziehen kann, dass eine sinnvolle Arbeit möglich ist.

Gerade im Winter sehen wir durchaus zu, dass wir flott arbeiten: Den Menschen in der Seitenlage auf die Fahrtrage legen und in den Rettungswagen schieben. Es sei denn, es spricht irgendwas Konkretes dagegen (z.B. notwendige Immobilisation zum Schutz der evtl. verletzten Wirbelsäule).

Im Rettungswagen wird man eine dicke Winterjacke dann aus dem Weg schaffen, weil eine Untersuchung sonst tatsächlich nicht möglich ist. Danach läuft das Ganze nach festem Schema ab: Zuerst schauen wir, dass ausreichend Luft in die Lunge kommt, sodass der Mensch mal möglicht keinen Sauerstoffmangel hat. Zu dieser Untersuchung gehört der "Fingerclip" mit dem roten Licht, das ist ein Pulsoxymeter, das uns sagt wie viel Sauerstoff im Blut ist. Dann schauen wir uns die Kreislaufsituation an und handeln, wenn es Handlungsbedarf gibt. Zur Untersuchung gehört beispielsweise das Blutdruckmessen und zumindest die Erfassung eines kleinen EKG. Allein bis hier können wir schon bei 5-6 "Kabeln" sein, dazu kann vielleicht noch ein Sauerstoff-Schlauch kommen und ziemlich sicher auch ein Infusionsschlauch. Danach wird der neurologische Zustand beurteilt, wobei z.B. geschaut wird, wie der Mensch auf Berührungen reagiert, ob die Pupillen eine normale Lichtreaktion zeigen. Und danach kommt eine (je nach Verdachtsmoment mehr oder weniger gründliche) Untersuchung des Körpers. Beispielsweise kann es eine Ursache für die Bewusstlosigkeit sein, wenn jemand statt eines Schmerzpflasters gleich drei benutzt hat. Wäre nicht gut, wenn wir die übersehen würden.

Bis hier sind wir übrigens nur dabei, zu schauen dass uns der Patient nicht wegstirbt, sondern in einem möglichst guten Vitalzustand ist. Erst, wenn das läuft, schauen wir danach was eigentlich die Ursache dafür ist, dass der Mensch jetzt hier liegt. Und ob wir daran etwas ändern können.