Warum zog Hannibal gegen die Römer in den Krieg?

2 Antworten

Die Römer haben beim Zweiten Punischen Krieg (218 – 201 v. Chr.) Karthago den Krieg erklärt.

Die erhaltenen antiken Texte, die auf die Frage der Kriegsgründe eingehen, stammen von Römern oder einem den Römern nahestehenden Autor (der griechische Geschichtsschreiber Polybios, der eine im Vergleich eine verhältnismäßig sachliche Darstellung gibt, aber überwiegend von der römischen Aufassung beeinflußt ist). Sie sind mehr oder weniger einseitig, verzerrend und verfälschend.

Der römische Annalist Quintus Fabius Pictor behauptet als Kriegsgründe :

1) Macht- und Besitzgier und Herrschsucht von Hasdrubal (Hannibals Schwager, 229 – 221 v. Chr. karthagischer Oberbefehlshaber auf der iberischen Halbinsel), der versucht habe, die Verfassung Karthagos zu beseitigen und die Regierungsform in eine Monrachie (Alleinherrschaft) zu verändern, was sich auf Hannibal übertragen habe

2) ein Unrecht Hannibals gegen Sagunt, ein Vorgehen, das von von keinem einzigen vornehmen Karthager gebilligt worden sei (mit dem Unrecht ist wohl gemeint, der Angriff und Eroberung Sagunts nach einer Belagerung sei ein Bruch eines Vertrages zwischen Karthago und Rom gewesen).

Polybios 3, 6 – 33 erörtert ausführlich Vorgeschichte, Anlässe und Ursachen. Für Ursachen hält er:

1) Groll des karthagischen Befehlshabers Hamilkar, weil er im Ersten Punischen Krieg nicht besiegt worden war (er hatte sich mit Truppen auf Sizilien in der Gegend bei Eryx behauptet) und den für Karthago ungünstigen Friedensvertrag für eine Schande gehalten habe, die nur durch einen erfolgreichen Revanchekrieg getilgt werde könne; Hamilkar habe auch seinen Schwiegersohn Hasdrubal und seinen Sohn Hannibal zu erbitterten Feinden Roms gemacht

2) widerrechtliche Wegnahme der Insel Sardinien durch die Römer, die Karthgao dazu nötigten, die römische Annexion anzuerkennen und auch noch 1200 Talente an die Römer zu zahlen (als Bestrafung für einen Krieg, der nicht stattgefunden hatte; die Karthager wollten die Insel von aufständischen Söldern zurückgewinnen, unterließen aber ein militärisches Vorgehen, als Rom eingriff), was Empörung bei den Karthagern über das Verhalten der Römer auslöste und neue Energien für einen Kampf gegen Rom freigesetzt habe

3) Erfolg der karthagischen Politik auf der iberischen Halbinsel, wodurch eine Auseinandersetzung mit den Römern im Vertrauen auf von dort stammende Machtmittel aufgenommen werden konnte

Cornelius Nepos, Hamilcar 1 - 4 und Hannibal 1 - 2 konzentriert sich auf die Weitergabe eines Hasses auf die Römer von Hamilkar auf Hannibal.

Livius 21, 1 – 21 nennt einen von Hamilkar weitergegebenen Haß (an Hannibal vererbter Haß) wegen des Verlustes von Sizilien und Sardinien und der Geldzahlung. Hannibal wird als moralisch schlecht beschreiben. Der Angriff auf Sagunt (Saguntum) wird als herausfordernde erste Kriegshandlung gedeutet.

Appian, Annibaike 3, 9 – 19 enthält zusätzlich die Behauptung, Hannibal habe Verfolgung durch karthagische Gegener fürchten müssen und daher den Krieg gegen Rom auch aufgrund persönlicher Sicherheitsbedürfnisse herbeigeführt, in der Anahme, der Krieg werde lang sein und ihm (sogar im Fall einer Niederlage Ruhm bringen).

Weitere römische Autoren erklären den Krieg ähnlich wie ihre Vorgänger.

An den römischen Erklärungen der Kriegsgründe sind in starkem Ausmaß Unterstellungen beteiligt. Manche Behauptungen sind offenkundig falsch. So hat Hannibal vor dem Angriff auf Sagunt einen Bericht über die Lage nach Karthago gegeben und die Ratversammlung zum Vorgehen befragt. Sie hat ihm Rückendeckung gegeben und freie Hand für ein Vorgehen gegen Sagunt gelassen.

Erzählungen über einen Eid, den Hannibal im Alter von 9 Jahren seinem Vater Hamilkar geleistet habe, niemals Freund der Römer zu sein bzw. immer Feind der Römer zu sein, sind in ihrer geschichtlichen Echtheit sehr zweifelhaft.

Eine allgemeine Abneigung gegen Rom und seine Außenpolitik ist gut möglich. Karthago hat den Ersten Punischen Krieg verloren. Die Bedingungen des vorläufigen Friedensvertrages haben die Römer noch ein wenig verschärft und erst dann den Vertrag als rechtsgültig anerkannt. Karthago mußte Sizilien und die Inseln zwischen Sizilien und Italien räumen und 3200 Talente (ein sehr hoher Geldbetrag) zahlen, 1000 Talente sofort, den Rest 10 jahre lang in jährlichen Raten. Unter Ausnutzung einer Schwächung Karthagos durch einen Söldneraufstand haben die Römer Sardinien an sich gebracht und in einer Annexion ihrer Herrschaft eingegliedert (238 – 237 v. Chr.). Auch Korsika, vorher zum karthagischen Einflußbereich gehörend, haben die Römer 236 – 231 v. Chr. unter ihre Kontrolle gebracht.

Die Behauptung, in der Familie Hannibals sei schon lange ein Revanchekrieg gegen Rom geplant worden, ist wenig glaubwürdig. Hamilkar und Hasdrubal haben bis zu ihrer Tötung keinerlei konkreten Schritte dazu unternommen. Eine ausreichende karthagische Kriegsflotte für einen solchen Krieg ist nicht gebaut worden. Als Rom Krieg gegen die Kelten in Oberitalien führte, ist dies nicht als Gelegenheit zum Losschlagen genutzt worden.

Gründe für Hannibal, trotz römischer Forderung, Sagunt (das mit Rom befreundet sei) nicht anzugreifen, gegen Sagunt vorzugehen, es nach einer Belagerung von etwa 8 Monaten (während der die Römer Sagunt keine militärische Hilfe leisteten) zu erobern, es damit auf einen Krieg mit Rom ankommen zu lassen und nach der römischen Kriegserklärung gegen Karthgao (als die Ratsversammlung es abgelehnt hatte, Hannibal den Römern auszuliefern) Richtung Italien zu marschieren, waren wahrscheinlich:

  • Zurückweisung eines Eingreifens der Römer auf der iberischen Halbinsel, von dem das dortige karthagische Herrschaftsgebiet bedroht wurde (Sagunt hatte, offenbar im Vertrauen auf eine neuerdings begonnene Freundschaft mit Rom, mit Karthago/Hannibal verbündete Stämme Stämme angegriffen; wenn Hannibal nachgab und dies widerstandlos hinnahm, konnten sich solche Vorfälle wiederholen und die ganze karthagische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel untergraben)
  • Überzeugung von einer Unausweichlichkeit eines Krieges aufgrund der römischen Absichten, wenn nicht mit der Selbstachtung Hannibals und der Karthager unvereinbare Bedingungen hingenommen wurden
  • Versuch einer Behauptung oder Stärkung der Stellung Karthagos als Großmacht durch Sieg über den gefährlichen Geger, bei dem im Ersten Punischen Krieg und in der Folgezeit an Rom verlorene Gebiete zurückgewonen werden konnten
  • Zuversicht, eine echte Chance zu haben (in Verbindung mit einer Strategie, auch in Italien Krieg zu führen und dort das römische Bundesgenossensystem zu zerschlagen)
  • Abneigung gegen Rom und seine Außenpolitik
  • Ziel, im Fall eines siegreichen Krieges Rom auf eine Stellung als eine mittlere Macht in Italien unter einer mMehrzahl von Staaten in Italien herunterzubringen


Bücher in Bibliotheken enthalten Darstellungen zum Thema, z. B.:

Pedro Barceló, Hannibal. Stratege und Staatsmann. Stuttgart : Reclam, 2012 (Reclam-Taschenbuch ; Nr. 20263). ISBN 978-3-15-020263-0 (Taschenbuchausgabe eines Buches, zuerst Stuttgart : Klett-Cotta, 2004)

Pedro Barceló, Hannibal. Originalausgabe. 2., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2003 (Beck'sche Reihe ; 2092 : C. H. Beck Wissen). ISBN 978-3-406-43292-7

Karl Christ, Hannibal. 1. Auflage Darmstadt : Primus-Verlag, 2003 (Gestalten der Antike). ISBN 3-89678-472-2 Robert Garland, Hannibal : das gescheiterte Genie. Aus dem Englischen von Elisabeth Begemann. 1. Auflage. Darmstadt ; Mainz : von Zabern, 2012. ISBN 978-3-8053-4540-8

Herbert Heftner, Der Aufstieg Roms : vom Pyrrhoskrieg bis zum Fall von Karthago (280 - 146 v. Chr.). 2., verbesserte Auflage. Regensburg : Pustet, 2005. ISBN 3-7917-1563-1 (S. 201 – 312 und S. 448 – 460 [Anmerkungen]: Vierter Teil. Hannibal gegen Rom: Der Zweite Punische Krieg)

Werner Huß, Die Geschichte der Karthager. München : Beck, 1985 (Handbuch der Altertumswissenschaft : Abteilung 3 ; Teil 8). ISBN 3-406-30654-3 (S. 284 – 424: XXVII. Der zweite Römische Krieg [dies ist eine Benennung des Zweiten Punischen aus karthagischer Sicht])

Serge Lancel, Hannibal : die Biographie. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs. Düsseldorf : Albatros-Verlag, 2000. ISBN 3-491-96005-3

Jakob Seibert, Hannibal. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993. ISBN 3-534-12029-9

Jakob Seibert, Forschungen zu Hannibal. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993. ISBN 3-534-12091-4

Jakob Seibert, Hannibal. Feldherr und Staatsmann. Zabern : Mainz, 1997 (Zaberns Bildbände zur Archäologie). ISBN 3-8053-1800-6

Klaus Zimmermann, Rom und Karthago . 3., durchgesehene, bibliographisch aktualisierte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013 (Geschichte Kompakt). ISBN 978-3-534-26025-6 (Zweiter Punischer Krieg ist S. 45 – 83 dargestellt)

Karthago hatte den vorhergehenden Krieg (den sog. 1. karthagischen/punischen Krieg) gegen die Römer verloren. Hannibals Vater war damals der oberste Feldherr gewesen.

Hannibal hatte daher zwei Gründe, gegen Rom zu ziehen:

  1. um eine familiäre Rechnung zu begleichen;
  2. um die Ergebnisse des verlorenen Krieges zu revidieren und Rom zu schlagen.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.