Tränen der Heliaden, was, warum?
Im Pygmalion von Ovid kommt der Begriff "Tränen der Heliaden" vor. Ich wollte fragen, was damit gemeint und wieso Ovid es hier benutzt... Also welcher Kontext.. Vielen Dank im Vorraus!
1 Antwort
Die Antwort findest du in Buch II, 340-366.
Die Heliaden sind die Töchter Helios/Phoebus Apolls und die Schwestern Phaetons, der gerade bei seiner Fahrt mit dem Sonnenwagen umgekommen war.
Als sie seinen Tod betrauern verwandeln sie sich in Bäume und ihre Tränen werden zu Bernstein, den der Fluss wegspült auf dass er später als Schmuck getragen wird.
Und dafür verwendet auch Pygmalion diese „Tränen der Heliaden“. Er gibt sie seiner geliebten Schöpfung als Geschenk und Schmuck.
Vielen vielen Dank! Und danke für die schnelle Antwort :)
Die Heliaden verwandeln sich in Bäume. Einen Urheber gibt es bei Ovid nicht direkt; zumindest wird er nicht genannt.
Die Heliaden rufen zwar: „Parce, precor, mater!“ (II, 361) - „Gnade, Mutter, bitte!”, aber dass tatsächlich die Mutter, Klymene, eine Tochter der Meeresgottheit Okeanos, verantwortlich ist, ist mMn. unwahrscheinlich und es ist nur ein Ausruf der Verzweiflung.
Spontane Selbstverwandlung möglicherweise.
Vielen Dank, aber warum werden die Heliaden in Bäume verwandelt ?
Auch das wird bei Ovid nicht gesagt. Die typischen Anlässe sind bei den verschiedenen Verwandlungen ja entweder Strafe oder Mitleid. Weder auf das eine noch auf das andere lässt sich hier schließen.
ABER: in der deutlich älteren (griechischen) Fassung Hesiods (überliefert durch Hyginus) ist die Geschichte etwas anders. Hier nimmt sich Phaeton wohl unerlaubt und heimlich den Wagen des Vaters. Seine Schwestern - die Heliaden - schirren ihm die Pferde an, womit sie sich in gewisser Weise mitschuldig an seiner Fahrt und seinem Tod machen. Hier ist es also wahrscheinlich eine Strafe.
Eigenthümlich ist zunächst, dass Phaethon ohne Wissen und gegen den Willen seines Vaters den Sonnenwagen besteigt, wobei ihm seine Schwestern behilflich sind.
[…]
Die Heliaden sind es denn auch, die sich durch die Bitten und das Drängen ihres Bruders bethören lassen ihm den Sonnenwagen anzuspannen und später zur Strafe dafür in Schwarzpappeln verwandelt werden.
— Carl Robert: Die Phaethonsage bei Hesiod In Hermes. Zeitschrift für classische Philologie, Band 18, S. 434–441
Vielen Dank , hat denn Ovid diese ältere Geschichte Hesiods als Vorbild gehabt ?
Ich kann dir leider nicht sagen, ob Ovid Hesiods Fassung tatsächlich noch in Schriftform vorliegen hatte. Die Überlieferung der Erzählungen verlief in der Antike ja oft auch nur mündlich, indem man die Geschichten einfach erzählte. Sie gehörten also oft einfach zum Allgemeinwissen der entsprechend Gebildeten. Dabei kam es natürlich vor, dass ein Erzähler das ein oder andere Detail veränderte, entweder, weil er es nicht besser wusste, oder weil es ihm so besser gefiel. So entstanden dann die verschiedenen Versionen der Mythen, die sich dann mal weniger, mal mehr unterschieden - Wie hier der Umstand, dass Phaeton einmal (bei Ovid) mit, und einmal ohne (bei Hesiod) Erlaubnis den Wagen nimmt.
In den Metamorphosen - in der Ganzen antiken Dichtung eigentlich - fallen immer wieder Namen von Personen, Orten, Bergen, Flüssen, usw. oder es wird auf Ereignisse in grauer Vorzeit verwiesen und Vergleiche gezogen, meist ohne dass irgendwas davon näher erklärt wird; man konnte als Dichter schlicht davon ausgehen, dass das Publikum diese Referenzen verstand, weil es einfach zum Allgemeinwissen in diesen Kreisen gehörte.
Heute ist das natürlich nicht mehr der Fall und das Lesen gestaltet sich ohne Anmerkungen zu diesen Referenzen oft als schwierig.
Ovid kannte also definitiv eine Version der Geschichte; ob es eine mündliche Überlieferung oder tatsächlich die von Hesiod war, weiß ich nicht. Wenn das so war, ist die Fassung in seinem Werk aber tatsächlich seine eigene Schöpfung.
Dankee, und warum Phaethon von Jupiter in den Metamorphosen durch einen Blitzstrahl getötet wurde, ist wahrscheinlich auch unklar oder ?
Ne, das ist ziemlich klar. Phaeton hat den Sonnenwagen nicht unter Kontrolle und fliegt kreuz und quer und zeitweise viel zu tief. Dadurch setzt er die Welt in Brand und lässt die Meere verdampfen und solche Sachen. Deshalb muss er gestoppt werden und Jupiter ist eben der, der es (sehr endgültig) tut.
Bestraft Jupiter also die Hochmut von Phaeton ? Oder handelt er nur, damit kein weiteres Chaos auf der Erde entsteht? Vielen Dank
Klasse. Dann wünsche ich viel Spaß dabei. Die Phaeton-Episode ist schon sehr eindrucksvoll. Besonders die detaillierte und dramatische Beschreibung der Fahrt.
Ich habe für mein Studium vor einigen Jahren mal die ersten drei Bücher vollständig in Prosa übersetzt (und dann zum Spaß optisch ansprechender aufbereitet). Falls du den Lateinischen Text parallel liest, könnte das nützlicher sein als die oft sehr freien Übersetzungen, die man sonst so findet, da so die lat. Satzstruktur etwas klarer wird. Ein paar Fehler, die ich nie korrigiert habe, sind zwar drin, aber im Großen und ganzen dürfte es stimmen.
https://www.dropbox.com/s/l8ew7mx4gc7t29o/Die%20Metamorphosen.pdf?dl=0
Vielen Dank, hast du die Texte zufälligerweise auch interpretiert ? Und bei der Heliaden Mythos steht, die Göttin Luna, hatte viermal ihre Hörner zum Vollmond verbunden, was ist damit gemeint, vier Monate ?
Interpretiert habe ich sie nicht noch zusätzlich. Das meiste ist aber auch ziemlich direkt geschrieben. Viele Aitia - Ursprungserzählungen (Warum ist der Rabe schwarz; warum gibt es hier diese und jene Quelle; warum heißt Europa Europa; usw.)
Und ja, die Hörner des Mondes bezieht sich auf die Mondsicheln. Der Mond bildet also erst eine Sichel, dann einen Halbmond und dann einen Vollmond. Ein Zyklus - ein "Verbinden der Hörner" - ist dann ein Monat (ist ja auch sprachlich verwand; Mond<->Monat)
Ah okay danke und worin liegt die Verwandlung bei Phaethon, normalerweise gibt es ja immer eine Verwandlung ?
Es gibt ja nicht immer nur Verwandlungen von Menschen in irgendwas. Oft wird auch nur eine Wandlung der Welt oder der Umstände beschrieben. Die Erzählungen beginnen ja auch mit der Formung der Welt aus einem Durcheinander von Stoffen. Auch das ist im weitesten Sinne eine Verwandlung.
Phaeton selbst verwandelt sich nicht - außer natürlich in eine menschliche Wunderkerze.
Es geht hier eher um Auswirkungen seines wirren Fluges, der "Verwandlungen" bzw. Wandlungen bewirkt. So z. Bsp. (nicht ganz politisch korrekt):
"Man glaubt, dass nachdem damals das Blut ins Körperäußerste gelockt worden war, das Volk der Äthiopier die schwarze Farbe annahm."
-> Äthiopier sind also schwarz, weil sie so großer Hitze ausgesetzt waren.
oder:
"Der Nil flieht in Schrecken an den äußersten Erdrand und verbrirgt seine Quelle, die seither verborgen ist."
-> Man hat die Quelle(n) des Nils erst nach dem 19.Jh. gefunden und zu Ovids Zeiten waren sie völlig unbekannt, verborgen eben.
Die Welt hat sich also verwandelt.
vielen Dank , ich verstehe nur nicht ganz warum die Heliaden genau in Bäume verwandelt wurden, eigentlich hat dies ja immer eine Grund zb ihre Charktereigenschaft und warum Kyknos unbedingt in einen Schwan verwandelt wurde ?
Wer verwandelt die Heliaden zu Bernstein und warum ?