Stetiges/ angemessenes Wirtschaftswachstum?

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Stetiges Wirtschaftswachsum ist nicht sehr aussagekräftig, soweit nicht gesagt wird, in welcher Höhe die Stetigkeit angestrebt wird, bei 0,1 %  oder bei 3 %. Das Wort "angemessen" soll das unpräszise beziffern und tut so, als ob es sich um ein Sachurteil handele, in Wirklkichkeit handelt es sich um ein Werturteil. Wenn fünf Wirtschaftsprofessoren dazu befragt werden, erhält man dazu mindestens fünf unterschiedliche Bücher. Bezogen auf Deutschland gibt es ein Werk, das diese Einschätzung jährlich vornimmt: Das Jahresgutachten der fünf Weisen. Und nicht immer sind sich alle einig, obwohl das Gutachten auf der Verarbeitung von riesigen Statistikreihen beruht, die ständig fortgeführt werden. Bei der Beantwortung beginne ich in umgekehrter Reihenfolge:

(4) Beschreibung des Ziels - Wirtschaftswachstum ist ja nur eines von 4 oder neuerdings 6 Zielen einer "magischen" Eckenkonstruktion. Zieht man an der einen Ecke, bewegen sich die anderen mit. Da zeigt sich schon, dass es sich nicht um ein unabhängiges Ziel handelt (was im Wörtchen "angemessen" versteckt ist) - denn angemessen bedeutet "im Blick auf die anderen Ziele".

(1) Wenn Du Dir das Jahresgutachten anschaust, werden alle Ziele bewertet und dann gegeneinander abgewogen. Es gibt keine einzige Messzahl, weil z.B. beim BIP sich immer auch die Frage stellt, welche Bereicht in der Wirtschaftsstruktur sich verbessert haben und welche die Verlierer sind. Wenn z.B. Zukunftsindustrien zurückbleiben in der Konkurrenz zu anderen Ländern, dann sind eine günstige Ernte und verbilligte Energiekosten bei "Altindustrien" kein zukunftsweisender Ausgleich. 

(2) Alle - insbesondere Wirtschafts- und Finanzministerien (auch der Länder), die EZB und Brüssel mit seinen Umverteilungen und Beschränkungen. Im Moment ist ja vor allem die EZB im Gespräch, die mit ihrer Schuldscheine-Einkaufspolitik angibt, die Wirtschaft in Europa ankurbeln zu wollen.

(3) "Angemessen" hat immer auch einen Bezug auf die Wachstumsraten anderer Staaten im internationalen Wettbewerb. Wenn alle nur 1% Wachstum haben, ist der mit 2% der König, soweit die internationalen Messungen überhaupt vergleichbar sind und keine Mogelpackungen wie z.B. bei Griechenland. "Angemessen" hat auch einen Bezug auf das Bevölkerungswachstum und die Strukturänderung innerhalb der Bevölkerung. Ist ein Wachstum einer "Industrie 4.0" (digitale "Revoliution" mit Robotern für einfache Arbeiten) hilfreich, wenn die Folgen einer Völkerwanderung mit mehrheitlich schlecht oder gar nicht ausgebildeten Menschen bewältigt werden soll? Was bedeutet es, wenn sich manche einen Dritt- oder Fünftfernseher und -Komputer (sozusagen für jedes Zimmer) leisten können, aber die Preise für Grundnahrungsmittel und Mieten steigen? Die Struktur des Wachstums mit den sozialen Folgen ist auch unter angemessen einzuschätzen, aber wieviel Einfluss auf Weltmarktpreise hat eine einzelne Regierung noch?

Die Einleitung des aktuellen Gutachtens zu lesen, gibt viele Beispiele.