Blickwechsel 20. Dezember 2021
Deine Fragen an einen Kriminalpolizisten
Alles zum Blickwechsel

Musstest du schon mal etwas machen...?

1 Antwort

Hallo,

jein. Prinzipiell verfolge ich das Credo, dass keine Selbstjustiz Geduld wird. Also habe ich den von dir beschriebenen Fällen wenig Gewissensbisse gegenüber dem „Jetzt-Beschuldigten“. Aber klar, ich hatte durchaus schon Beschuldigte, deren Tat ich nachvollziehen konnte. Ich hab aber auch die Erfahrung gemacht, dass man sowohl mit der Staatsanwaltschaft, als auch mit den Richtern darüber ganz offen kommunizieren kann. Hatte vor Kurzem einen Jugendlichen, der einfach komplett verzweifelt war und in dieser Verzweiflung einen versuchten Raub beging – ist nicht okay, ganz klar. Der war aber auch im Nachgang so verzweifelt, dass er mich ein paar Mal dienstlich angerufen hat, weil seine Eltern ihn rausgeworfen hatten etc. Ich sags mal so: Wenn du als Beschuldigter „deinen“ Polizisten anrufst, weil du nicht mehr weiterweißt, ist es schon echt schlimm. Das habe ich dann auch vor der Verhandlung der zuständigen Richterin gemeldet und das Urteil viel mit dem Augenmerk der „Hilfe“ und nicht der „Strafe“ aus…

Wo ich schon wesentlich öfter komplett gegen meine Überzeugung handeln musste, war während der Bereitschaftspolizei bei etwaigen Demos. Wenn ich irgendwelche gaaaanz weit linke oder ganz rechte Gruppierungen beschützen musste, damit sie ihre Kundgebung abhalten konnten, hab ich mir oft gewünscht, bei den Demonstrierenden zu stehen. Aber ja, schon klar: In einer Demokratie hat jeder das Recht, seine Meinung zu sagen, auch wenn sie mir nicht gefällt… ich habs ja meinen Dienst trotzdem erfüllt… aber er war mir da halt Zuwider…

LIF3MAU5  22.12.2021, 14:05

Wie sehen Sie das Gesetz mit der Sterbehilfe in Deutschland? Nehmen wir mal an, jemand wollte sich mit dem Strick erhängen aber Sie haben/mussten es verhindern/t. Die Person wurde durch den Erhängungsversuch neurologisch so sehr geschädigt, das sie danach ihr Leben lang z.B. in der geschlossenen Abteilung verbringen muss (auch wegen Suizidgefahr). Würde das nicht sehr an Ihren Gefühlen zerren, zumal die Person eigentlich das Recht hat, sich das Leben zu nehmen?

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Dommie1306  22.12.2021, 15:46
@LIF3MAU5

Nein. Ich versuche jedes Leben zu retten. Der Großteil der "verhinderten Suizidenten" die ich kenne, ist dankbar und froh, dass der Suizid nicht geklappt hat. Da nehm ich mögliche Kollateralschäden die die Rettung verursachen könnten in Kauf.

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KittyCat2909  28.12.2021, 01:21
@Dommie1306

Du machst einen 'eklatanten Fehler'. Sicher werden die lebenden 'Geretteten' letztenendes zumeist doch froh sein. Aber die, die sich wirklich ernsthaft das Leben erfolgreich genommen haben- die kannst du nicht mehr fragen. Und oft könnte ich mnir gerade da vorstellen, dass sie auch keine Hilfe haben wollten.

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Dommie1306  28.12.2021, 08:20
@KittyCat2909

Mag sein - aber ich halte mich an die Lebenden und nicht an die Toten. Seien wir ehrlich: Wer WIRKLICH will, schafft es schon, sich dann beim nächsten "Versuch, geschickter anzustellen"...

Aber nachdem tatsächlich gute 90% "meiner Suizidenten" nie wieder einen Suizid geplant oder durchgeführt haben..... also ich bin davon überzeugt, es war gut, ihnen zu helfen...

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KittyCat2909  28.12.2021, 15:20
@Dommie1306

Oh JA- das steht ausser Frage! Und war auch nicht so gemeint mit meiner Antwort.

Es sollte lediglich ein Hinweis sein, dass es da auch noch die gibt, die wirklich nicht mehr wollen- und es ist ganz gut, dass wir das Recht haben selbst darüber entscheiden zu dürfen. (sofern man sich nicht in einer Krisensituation befindet)

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Dommie1306  28.12.2021, 16:28
@KittyCat2909

Wenn sich einer ärztlich beraten lässt und sich dann seinen Giftcocktail mischt - klar, was hab ich das Recht, seine Entscheidung anzufechten. Wenn aber einer gerade seine Freundin verloren hat und meint, sich mit 25 Jahren aufhängen zu müssen, werde ich intervenieren ;-)

Wir verstehen uns :-)

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