Musik Leiermann?

2 Antworten

Ich habe die "Winterreise" leider nie selbst analysiert, aber man findet viel Hilfe im Netz bei Gedicht- oder Liedtext-Analysen.

Hier ein schnell gefundenes Beispiel:

Die „Winterreise" klingt dann schließlich mit dem „Leiermann" aus - ein Symbol für das immer wiederkehrende Leid und das Wandern im Kreis mit nur einem Ziel: dem Tod. 

https://www.lerntippsammlung.de/Liedanalyse-von-%3C%3CWinterreise%3E%3E-von-Franz-Schubert.html

Und sonst Schau doch noch bei den üblichen Verdächtigen nach:

https://www.grin.com/document/107863

https://de.wikipedia.org/wiki/Winterreise

https://www.entfaltungderstimme.de/Winterreise.html

Am besten aber alle mal überfliegen und sich dann ein eigenes Bild machen. Es ist immer besser sich nicht nur auf eine Quelle zu verlassen.

Im Lied (=Text) geht es um einen alten Leiermann, also einen mittellosen Bettler mit einer Drehleier, der außerhalb(!) der schützenden Mauern des Dorfes steht und, unbeachtet von den Menschen und angeknurrt von den Hunden, monoton seine Leier dreht. Wenn das Dorf im Gedicht ein Symbol für Gemeinschaft, Geselligkeit, Wärme, Geborgenheit und Leben ist, dann ist der Leiermann, der ja "außerhalb" des Dorfes steht, die Verkörperung der gegenteiligen Symbolik davon, also Einsamkeit, Ausgegrenztsein, Verlorenheit, Kälte und Kargheit im Leben. Der Wanderer (= das lyrische Ich) wiederum gesellt sich zum Leiermann ("soll ich mit dir gehn?"). Symbolisch gibt sich das lyrische Ich damit einem gleichermaßen resignierenden Dasein als einsamer, gleichsam vom Leben Verstoßener hin, so wie es vom Leiermann repräsentiert wird und befindet sich -bildlich dargestellt- außerhalb der Dorfgemeinschaft und fern von allem Positiven, was sie repräsentiert. Der Leiermann ist auch ausdrücklich ein "alter" Mann - symbolisiert also eine Existenz, bei der die schönen Jahre der Jugend und des Lebens bereits vorbei sind.

Bezüglich der Frage des Todes bleibt es etwas vage, wobei ich meine, dass es mit dem einsamen Leben in Verlorenheit endet, das viel schlimmer ist als der ruhebringende Tod. Klar ist jedenfalls, dass der Text (anders als in Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin") keinen Tod des Protagonisten (d.h. des lyrischen Ich = des Wanderers) explizit vorsieht. Den Leiermann als Allegorie auf den Tod oder gar als Personifikation des Todes ("mit starren Fingern") zu sehen, würde aus meiner Sicht ebenfalls zu weit gehen, zumal der Tod vor dem Hintergrund eines solch tragischen, einsamen Lebens bei Schubert eher positiv besetzt ist, nämlich als wohlwollender Freund, der endlich den ersehnten "Schlaf" und erlösenden Frieden bringt (vgl. auch hier den eher tröstlichen Tod am Ende der "Schönen Müllerin": so singt der Bach am Schluss des Wiegenliedes verklärend: "Schlaf aus deine Träume, schlaf aus dein Leid. Der Vollmond steigt, der Nebel weicht und der Himmel da oben, wie ist er so weit!"). Der Tod hat in den Augen Schuberts also eher etwas Tröstliches, das dem einsamen Leiden des von Liebesschmerz gequälten Menschen endlich ein ersehntes Ende setzt und seiner Seele Ruhe bringt. Der Leiermann ist hingegen das Symbol für Verlorenheit, Einsamkeit und Ausgegrenztsein im Leben, das in dieser Tristesse weitergeht. Schlimmer als der Tod also ist ein rast- und zielloses Leben als Einsamer und Verlorener, als ein Fremdling überall, der nirgends dazugehört.

Es gibt seit dem Mittelalter in der Musik und Malerei tatsächlich das Motiv vom "musizierenden Tod", nämlich den sogenannten "Totentanz" (er wird manchmal auch mit "Hexensabbath" verbunden). Im klassischen Topos des "Totentanzes" ist der Tod im Übrigen traditionell aber eher ein Fiedler oder Dudelsackspieler (wenngleich die Drehleier manchmal auch vorkommt). Die Leier ist für sich eher mit Monotonie und allgemein negativer Symbolik (z.B. Hunger, Armut, Betteln) besetzt, wird aber nicht so sehr mit Tod und Hölle in Verbindung gebracht wie z.B. die "teuflische" Violine oder der Dudelsack, der aufgrund seines lauten, schrillen Klanges mehr den klanglichen Vorstellungen von einer hypothetischen Musik der Unterwelt nahekommt.