Identitätsprobleme und versautes FSJ im Ausland
Hallo, ich habe gemerkt, dass diese Seite oft als Selbsthilfegruppe missbraucht wird und dieser möchte ich mich anschlißen.
ich bin 19 Jahre alt, m., habe letztes Jahr mein Abi gemacht und mache seit 9 Monaten ein FSJ in einem südamerikanischem Land, hier nenne ich es fiktiv Lampukistan aus Angst erkannt zu werden. Es bleiben noch 2.
Ich habe mich bei American Field Service für das weltwärts-Programm beworben, aus dem ich von einer langen Liste 5 mögliche Einsatzländer auswählen konnte. Eins davon ist Lam., weil meine Mutter gebürtige Lam. ist, ich noch nie da war und es für wichtig hielt meine Wurzeln kennenzulernen. Ich war einfach naiv. Kontakt zu meiner lam. Familie besteht nicht, weil meine Mutter praktisch ohne sie aufgewachsen ist und mit den wenigen, die sie kennt, versteht sie sich nicht und hat seit ihrer Jugend keinen Kontakt. Auf Grund der Tatsache, dass das 1. Vergangenheit ist und 2. nicht meine., habe ich das akzeptiert und war nie traurig darüber.
Nun bin ich da. Wohnen tue ich jetzt bei einer Gastfamilie. Wir verstehen uns einfach nicht und deswegen werde ich nächste Woche zu einer anderen GFam wechseln. Aber ich bereue es abgrund tief mit A.F.S. in Lam. zu sein, weil ich offenbar für meine GFam zu unausländisch bin. Des Weiteren erwartet die Gesellschaft von Leuten mit Eltern aus 2 Ländern, dass man iwie etwas von beidem ist und Familie in beiden Ländern hat. Es wäre wirklich schön, wenn das bei mir auch so wäre, aber ist es nicht. Ich bin Deutscher mit lam. Wurzeln. Aber die Wurzeln sind offenbar zu groß, um in Lam. bei einer fremden GFam zu leben. Zumal es zu vielen Dilemmas zwischen meiner GFam und sehr guten Freunden meiner Mutter kam, die mich nicht aufnehmen können. Ich mag Lam. wirklich. Die Erfahrungen, Reisen und mein Einsatzplatz sind super und ich sollte dankbar dafür sein, dass ich eine viel bessere Kindheit hatte als meine Mutter und viele andere und solche Chancen bekomme. Aber ich stand schon mehrfach kurz vor einem Abbruch, wollte letzten Monat abbrechen, aber meine Kollegen haben mich im letzten Moment überreden können zu bleiben.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, bietet AFS in Lam. NUR Gastfamilien als Unterkunft an. Land wechseln geht nicht. Für einen aufwändigen Wechsel zu einer anderen weltwärts Orga ist's zu spät. Eine Wohnung o.ä. selber zu finanzieren wird mir nicht erlaubt. Einfach frustrierend! Außerdem hab ich früher meine Wurzeln nie verschwiegen, war stolz drauf "international" zu sein und jetzt würde ich das ganze sowie mein Auslandsjahr am Liebsten verheimlichen aus Scham, weil meine einzige Zeit in diesem Land blöd ist. Ich bin sonst wirklich ein sehr flexibler Mensch, aber (vielleicht liegt das auch an der GFam) ich fühle mich einfach unwohl hier bei einer GFam zu wohnen. Ich hab nichts gegen Gastfamilien, im Gegenteil! Aber in diesem Land hätte ich es nicht machen sollen und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich fühle mich so alleine. Alles was ich tue fühlt sich falsch an...
1 Antwort
Hey,
das tut mir sehr Leid, dass es für dich in deinem Gastland so schwer ist.
Du schreibst ja, dass du nächste Woche in eine neue Gastfamilie kommst. Ich hoffe, dass es dadurch besser wird. Warte bis dahin vielleicht einfach noch ab, triff dich viel mit Freunden und mach etwas außerhalb der Familie in der du jetzt bist. Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass du mit deiner jetztigen Gastfamilie absolut nicht zusammenpasst und die letzten zwei Monate werden mit deiner neuen Gastfamilie noch wunderschön. Gib ihr auf jeden Fall eine Chance.
Ich weiß, wenn es einem nicht gut geht und man sich gerade im Ausland zu einem Zeitpunkt nicht gut fühlt, ist es schwer positiv zu bleiben. Aber denk daran: den Großteil deines FSJ hast du ja schon hinter dir und für den unwahrscheinlichen Fall, dass es noch schlimmer wird, kannst du jederzeit abrechen. Falls es wirklich nicht mehr geht, solltest du dir auch eingestehen das zu tun und kein schlechtes Gewissen dafür haben - das kommt vor und ist kein Weltuntergang.
Denk auch daran, dass manche Leute (gerade solche, die bisher nur wenige internationale Erfahrungen gemacht haben) es einfach nicht besser wissen und deine südamerikanischen Wurzeln wahrscheinlich direkt mit einem gewissen Vorwissen über das Land, die Sprache und die Kultur verbinden. Ich weiß, es ist anstrengend, aber explizit darauf hinzuweisen, dass du zunächst einmal deutsch und nur in einer Kultur zu Hause bist, hilft den anderen vielleicht, dich besser einzuschätzen und angemessen behandeln zu können. Versuch dich zu erklären, dass du vor Ort schlichtweg einfach ein Ausländer bist, dem auch ein Gewisses Maß an Nachsicht zugestanden werden muss, weil du es nicht besser weißt und wissen kannst, egal wie sehr du dich bemühst.
Ich bin sicher, dass dir dein FSJ trotzdem viel bringt und für die Zukunft bringen wird, auch wenn es jetzt sehr schwer ist. Genauso bin ich sicher, dass dir gutes Zureden im Moment nicht viel bringt, sondern dass du einfach jemanden brauchst, bei dem du den Frust ablassen kannst. Ich hoffe, du hast vor Ort jemanden, bei dem du das machen kannst? Wenn nicht, bist du herzlich eingeladen, mir unbekannterweise eine Nachricht zu schreiben oder ich gebe dir per Privatnachricht auch gerne meine Emailadresse, wenn du möchtest.
Wie du an meinem Namen siehst, bin ich auch AFSer, aber schon seit Jahren zurück und kümmere mich um Fragen zu einigen AFS-Themen, die hier gestellt werden. Du brauchst dir aber keine Sorgen machen (da du ja Namen und Land explizit nicht genannt hast, weil du nicht willst, dass man dich erkennt) - ich bin im FWD nicht groß aktiv, habe noch keine Freiwilligen vorbereitet und egal was du schreibst, bleibt alles unter uns.
Viele liebe Grüße, halt die Ohren steif und meld dich, wenn du möchtest. Sabrina